Gründen gilt als „cool“, dynamisch und innovativ. Doch wie sieht die Realität hinter den Erfolgsgeschichten aus?

Start-ups gelten als Symbol für Fortschritt, Innovation und Selbstverwirklichung. Junge Gründer mit großen Ideen, die in wenigen Jahren Millionenunternehmen aufbauen. Dieses Bild prägt die öffentliche Wahrnehmung. Die Realität ist jedoch oft weniger glamourös. Der Weg von der Idee zu einem erfolgreichen Unternehmen ist geprägt von Unsicherheit, Druck und persönlichen Opfern.

Die Gründung eines Start-ups bedeutet nicht nur Freiheit, sondern auch Verantwortung. Finanzielle Risiken, unklare Zukunftsaussichten und die ständige Notwendigkeit, sich gegenüber Investoren, Kunden und dem Wettbewerb zu behaupten, erzeugen enormen Stress. Viele unterschätzen, wie viel Energie und emotionale Stabilität dieser Weg tatsächlich erfordert.

Dieser Artikel beleuchtet, wie die Start-up Kultur zwischen Euphorie und Erschöpfung pendelt, und warum mentale Gesundheit zur unternehmerischen Schlüsselressource werden muss.

Der Mythos vom „Hustle“: Wie Selbstverwirklichung zur Selbstausbeutung wird

„Gründen ist für mich Freiheit“ (Sebastian Rakers, zit. nach Hambusch, 2024, ZDF heute Journal). Mit diesen Worten beschreiben viele Start-up Gründer ihre Motivation. Die Möglichkeit, eigene Ideen umzusetzen, unabhängig zu arbeiten und gesellschaftlich etwas zu bewegen, ist für viele ein Traum. Doch dieser Traum wird schnell zur Dauerbelastung. 14-Stunden-Tage, Arbeit am Wochenende und ständige Erreichbarkeit sind in der Szene keine Ausnahme, sondern oft die Regel (Hambusch, 2024, ZDF heute Journal).

Die Startup-Kultur lebt vom „Hustle“-Narrativ: Wer erfolgreich sein will, muss alles geben. Doch diese Haltung führt häufig zur Selbstausbeutung. Eine Studie des Sifted Journals, welches das führende Journal für die europäische Start-up Kultur ist und von der Financial Times unterstützt wird, zeigt, dass 54 % aller Gründer in den letzten 12 Monaten bereits ein Burnout erlebt haben. 46% der Gründer sagen aus, dass ihre mentale Gesundheit in einem schlechten oder sehr schlechten Zustand ist, während 75% aussagen, dass sie in den letzten 12 Monaten mit Angststörungen zu kämpfen hatten. (Pardington, 2025, Sifted).

Die Gründe sind vielfältig. Finanzielle Unsicherheit, hoher Erwartungsdruck, fehlende Strukturen und die emotionale Bindung an das eigene Projekt (Elsässer, 2025, Start-up Valley).

Psychische Belastung im Dauerbetrieb: Wenn Leidenschaft krank macht

Gründer sind oft Idealisten. Doch genau das macht sie besonders vulnerabel. Die Identifikation mit dem eigenen Unternehmen führt dazu, dass berufliche Rückschläge als persönliche Niederlagen empfunden werden (Ramsinghani, 2022, S. 47). Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme und innere Unruhe sind häufige Symptome, die auf eine Überlastung hindeuten (Hambusch, 2024, ZDF heute Journal).

Die Startup-Welt ist geprägt von Unsicherheit und Entscheidungsdruck. Anders als in etablierten Unternehmen fehlen Absicherungen. Entscheidungen müssen oft unter hohem Risiko getroffen werden (Elsässer, 2025, Start-up Valley). Diese permanente Belastung kann zu Entscheidungsmüdigkeit und emotionaler Erschöpfung führen, mit Folgen für die Gesundheit und die Unternehmensentwicklung.

Besonders kritisch ist dabei, dass viele Gründer nicht über ihre psychischen Probleme sprechen. Burnout gilt noch immer als Tabu, obwohl es einer der häufigsten Gründe für das Scheitern von Startups ist (Ramsinghani, 2022, S. 32).

Die sozialen Kosten des Erfolgs

Startups entstehen oft im kleinen Kreis, mit Freunden, Geschwistern oder ehemaligen Kollegen. Doch die Vermischung von privaten und beruflichen Beziehungen birgt Konfliktpotenzial. Unterschiedliche Vorstellungen, Rollenverteilungen und Erwartungshaltungen können zu Spannungen führen (Hambusch, 2024, ZDF heute Journal). Zudem fehlt es vielen Gründern an sozialem Rückhalt außerhalb des Unternehmens. Der enge Fokus auf das Start-up führt dazu, dass bspw. Freundschaften vernachlässigt werden. In einem Artikel von Carsten Puschmann wird angebracht, dass jeder zweite Gründer erwägt, im kommenden Jahr das Start-up zu verlassen und sich einen anderen Job zu suchen (Puschmann, 2024, Carstenpuschmann.de). Nicht wegen des Geschäftsmodells, sondern wegen der persönlichen Belastung.

Die ständige Erreichbarkeit, der Druck durch Investoren und die Angst vor dem Scheitern erzeugen ein Gefühl der Isolation, trotz voller Terminkalender und öffentlicher Sichtbarkeit (Hambusch, 2024, ZDF heute Journal).

Was wir aus der Start-up Kultur lernen können

Viele Mitarbeitende verlieren durch die hohe Identifikation mit ihrem Start-up die Balance zwischen Beruf und Privatleben. Freundschaften und Hobbys bleiben auf der Strecke, die Angst vor dem Scheitern lastet schwer (Greve 2019, S. 81).

Trotz dieser Herausforderungen sehe ich großes Potenzial, dass Start-ups neue Arbeitsformen entwickeln können. Entscheidend ist, dass Gründer lernen, realistische Erwartungen zu setzen, Verantwortung zu teilen und sich Unterstützung zu holen. Investoren könnten einen Fokus auf Teamgesundheit legen statt nur auf kurzfristige Wachstumszahlen. (Mallison & Harbs 2021, S. 139).

Solche Veränderungen würden nicht nur die Gesundheit der Beteiligten schützen, sondern auch die langfristige Stabilität und Innovationskraft der Start-ups stärken.

Die Start-up Welt ist faszinierend, dynamisch und voller Potenzial. Aber sie zeigt auch, wie schnell Begeisterung in Überforderung umschlagen kann. Die Erfahrung vieler Gründer verdeutlicht, dass Erfolg nicht nur von Innovationskraft, sondern auch von innerer Stabilität abhängt.

Fazit und Ausblick: Nachhaltigkeit beginnt im Kopf

Die Startup-Kultur steht am Scheideweg. Zwischen Boom und Burnout entscheidet sich, ob Innovation langfristig tragfähig ist. Die psychische Gesundheit von Gründern ist kein Nebenthema. Sie ist zentral für den Erfolg von Unternehmen und für die Zukunft unserer Wirtschaft.

Politik, Förderinstitutionen und Investoren müssen mentale Gesundheit als Teil der Gründungsförderung etablieren. Programme zur Resilienz, psychologisches Mentoring und gesundheitsorientierte Arbeitsmodelle sind keine Luxuslösungen, sondern Notwendigkeiten (Elsässer, 2025, Startup Valley).

Langfristig braucht es ein Umdenken: weg vom Mythos des „einsamen Genies“ hin zu einer Kultur der Zusammenarbeit und Selbstfürsorge. Denn nur wer sich selbst nicht verliert, kann andere begeistern und Innovation wirklich gestalten.

Literaturverzeichnis

Titelbildquelle

Titelbild: Schreibtisch, Laptop, Notizbuch, Büro. Veröffentlichungsdatum: 18.06.2021.

Künstler: Tara Windstead. Abgerufen am 11.09.2025. Verfügbar unter: https://www.pexels.com/de-de/foto/schreibtisch-laptop-notizbuch-buro-8386750/.

Nutzungsbedingungen: https://www.pexels.com/de-de/imprint/.

Lizenzbedingungen:      https://www.pexels.com/de-de/lizenz/.

Literaturquellen

Elsässer, S. (2025). Burnout im Startup-Tabuthema oder harte Realität?, Pforzheim: Startup Valley Media & Publishsing UG. Abgerufen am 11.09.2025, verfügbar unter: https://startupvalley.news/de/mentale-gesundheit-im-startup-alltag-resilienz-staerken/.

Elsässer, S. (2025). Psychologie im Gründeralltag. Entscheidungen, Stress und Resilienz, Pforzheim: Startup Valley Media & Publishsing UG. Abgerufen am 11.09.2025, Verfügbar unter: https://startupvalley.news/de/stress-und-resilienz-im-gruenderalltag-psychologie-fuer-gruender/.

Hambusch, M. (2024). Zwischen Boom und Burnout: Start-up Gründer unter Druck, Mainz: ZDF Heute Journal. Abgerufen am: 11.09.2025, verfügbar unter: https://www.zdfheute.de/panorama/gruender-start-up-druck-stress-burnout-100.html.

Partington, M., & Dharampal-Hornby, M. (2025). More than half of founders experienced burnout last year: Startup founders tell Sifted they are ‚exhausted‘, run down and lacking in hope, London: Sifted eu Ltd. Abgerufen am 11.09.2025, verfügbar unter: https://sifted.eu/articles/founders-mental-health-2025.

Puschmann, C. (2024). Die mentale Gesundheit von Startup Gründern- Jeder zweite Founder will sein Startup verlassen, Essen: Carsten Puschmann GmbH. Abgerufen am 11.09.2025, verfügbar unter: https://www.carstenpuschmann.de/de/blog/die-mentale-gesundheit-von-startup-gruendern-jeder-zweite-founder-will-sein-startup-verlassen.

Ramsinghani, M. (2022). The Resilient Founder: Lessons in Endurance from Startup Entrepreneurs, 1. Aufl., New Jersey: John Wiley & Sons.

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