By Published On: 20. Januar 2021Categories: Gesundheit, Kommunikation, Psychologie

„Fortnite“, „FIFA“, „Minecraft“, „Die Sims“ und „Call of Duty“ zählten zu den Lieblingsspielen der Kinder und Jugendlichen im Jahr 2018. 23% der 1.000 Befragten gaben dabei an täglich zu spielen, u. a. damit sie unangenehmen Gedanken aus dem Weg gehen können (29%). Bei jeweils 14% führte nicht-spielen zu Unzufriedenheit und dem dringenden Bedürfnis, wieder zu spielen. Weitere 14% gaben an, dass ihr Spielverhalten schon zu Streit mit anderen geführt hat (forsa Politik- und Sozialforschung GmbH 2019, 3, 10, 22). In der kommenden 11. Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (kurz: ICD-11) wird die Computerspielsucht erstmals als Diagnose aufgenommen (Deutsches Ärzteblatt 2018). Doch ab wann gilt das Spielen nicht mehr nur als Freizeitbeschäftigung, sondern als pathologisches Verhalten? In diesem Blog-Beitrag erfahren Sie, welche Merkmale auf eine Computerspielsucht bei Kindern und Jugendlichen hinweisen können und was im Verdachtsfall helfen kann.


Woran erkenne ich, ob mein Kind süchtig ist?

Die American Psychiatric Association (kurz: APA) schlägt im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders Version 5 folgende neun Kriterien zur Diagnose vor, die sowohl für Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene gelten (APA 2013 zitiert nach Breiner und Kolibius 2019; APA 2013 zitiert nach Groves et al. 2015):

  1. Gedankliche Vereinnahmung durch Computerspiele bzw. Computerspiele werden zur dominanten Aktivität im Alltag
  2. Entzugserscheinungen, sobald nicht mehr gespielt wird (darunter Reizbarkeit, Angst, Traurigkeit)
  3. Das Bedürfnis immer mehr zu spielen (Toleranzentwicklung)
  4. Erfolglose Versuche, den eigenen Spielkonsum zu reduzieren
  5. Verlust oder vermindertes Interesse an anderen Freizeitaktivitäten
  6. Exzessives Spielen trotz Bewusstsein der negativen psychosozialen Folgen
  7. Unehrlichkeit gegenüber anderen, wenn es um den Umfang des Spielkonsums geht
  8. Nutzung von Computerspielen als Mittel gegen negative Stimmungen (bspw. Angst, Schuldgefühle, Hilflosigkeit)
  9. Exzessives Spielen führt zur Gefährdung oder gar zum Verlust von wichtigen sozialen Beziehungen, des Arbeitsplatzes oder Bildungs- und Karrierechancen.

Anhand dieser Kriterien können sich Eltern bei der Einschätzung ihrer Kinder orientieren. Diagnostiziert werden sollte eine etwaige Computerspielsucht jedoch immer durch qualifizierte Fachkräfte, bspw. Ärzte oder psychologische Psychotherapeuten.

Was tun bei Verdacht? Vorschläge zur Selbsthilfe

Besteht der Verdacht einer Computerspielsucht sollte möglichst frühzeitig interveniert werden. Eltern sollten zunächst das Gespräch mit ihren Kindern suchen, um mehr über dessen Aktivitäten und die genutzten Spiele zu erfahren (Griffiths 2003, S. 48). Empfehlenswert hierfür ist die gemeinsame Initiative „SCHAU HIN! Was dein Kind mit Medien macht.“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF sowie der AOK-Gemeinschaft, die Eltern bei der Orientierung im Medien-Dschungel hilft. Sie klärt über aktuelle Trends auf, insbesondere auch im Bereich Videospiele. Zusätzlich finden sich hier viele Informationen zu sämtlichen Medieninhalten sowie neue Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung (denkwerk b_projekte für bildung und prävention gGmbH 2021). Weitergehend empfiehlt es sich mit dem Kind konkrete Rahmenbedingungen aufzusetzen. So können Spiele mit gewalttätigen Inhalten durch pädagogische, edukative Spiele ersetzt werden. Zudem können die Kinder dazu animiert werden, nicht nur allein, sondern mit Freunden zusammen zu spielen. So kann das Spielen zu einer gemeinschaftsfördernden Freizeitbeschäftigung werden. Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich den Kindern einen zeitlichen Rahmen vorzugeben, der erst dann beginnt, nachdem bspw. die Aufgaben der Schule oder im Haushalt erledigt sind. Schlagen alle Versuche fehl und das Spielverhalten des Kindes nimmt in seinem exzessiven Charakter zu, kann ein vorübergehendes Spielverbot helfen (Griffiths 2003, S. 49). Darüber hinaus gibt es verschiedene Anlaufstellen, an die sich Eltern wenden können. Der Deutsche Caritasverband e. V. listet hierzu einige Empfehlungen auf, darunter Selbsthilfeforen, Tests zur Selbstdiagnostik bei Kindern und Jugendlichen, regionale Beratungsstellungen und Selbsthilfegruppen sowie allgemeine Informationsportale (siehe unten) (Stoll 2020; Deutscher Caritasverband e. V. 2019). Selbsthilfeforen können hierbei besonders für die Eltern betroffener Kinder hilfreich sein. Durch den Austausch mit anderen Eltern erfahren sie Unterstützung und profitieren möglicherweise von deren Erfahrungsberichten (Breiner und Kolibius 2019, S. 153).


Fazit

Die Computerspielsucht ist präsenter denn je und wird auch zukünftig häufiges Thema in vielen Familien und der Forschung sein. Um den Krisenfall zu vermeiden ist es die Aufgabe der Eltern, ein Bewusstsein über das Spielverhalten des Kindes zu erlangen und rechtzeitig Konsequenzen daraus zu ziehen. Die oben genannten Tipps zur Selbsthilfe dienen hierbei als Orientierung. Im Hinblick auf die Zukunft empfiehlt es sich seitens der Politik und Bildungsträger, den Kindern einen angemessenen Umgang mit Medien im Allgemeinen beizubringen (Medienkompetenz), sodass das Risiko der Entwicklung eines pathologischen Verhaltens reduziert wird. Professionelle Hilfe ist allerdings dann notwendig, wenn die Eltern allein nicht mehr Herr der Lage werden. Dann kann eine kognitive Verhaltenstherapie weiterhelfen (Breiner und Kolibius 2019, S. 152).


Hilfe bei Verdacht auf Computerspielsucht:

Wo finde ich Hilfe bei Internet- oder Computersucht? (Deutscher Caritasverband e. V. 2019)

https://www.caritas.de/beitraege/wo-finde-ich-hilfe-bei-computerspiel-internetsucht/167588/

Fünf Tipps zu Computersucht (Stoll 2020)

https://www.caritas.de/hilfeundberatung/ratgeber/sucht/computersucht/tipps

Beratungsstellen und Spezialkliniken
https://dr-armin-kaser.com/computerspiel-sucht/adressen/beratungsstellen/
https://dr-armin-kaser.com/computerspiel-sucht/adressen/kliniken/

Literaturverzeichnis

Breiner, Tobias C.; Kolibius, Luca D. (2019): Computerspiele im Diskurs: Aggression, Amokläufe und Sucht. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.

denkwerk b_projekte für bildung und prävention gGmbH (2021): SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht. Online verfügbar unter https://www.schau-hin.info/, zuletzt geprüft am 19.01.2021.

Deutscher Caritasverband e. V. (2019): Wo finde ich Hilfe bei Internet- oder Computersucht? Online verfügbar unter https://www.caritas.de/beitraege/wo-finde-ich-hilfe-bei-computerspiel-internetsucht/167588/, zuletzt aktualisiert am 04.10.2019, zuletzt geprüft am 19.01.2021.

Deutsches Ärzteblatt (2018): ICD-11: Weltgesundheitsorganisation will Computerspielsucht als Krankheit anerkennen. Hg. v. Deutscher Ärzteverlag GmbH (4). Online verfügbar unter https://www.aerzteblatt.de/archiv/196031/ICD-11-Welt%C2%ADgesund%C2%AD-heits%C2%ADorgani%C2%ADsation-will-Computerspielsucht-als-Krankheit-anerkennen, zuletzt geprüft am 10.09.2020.

forsa Politik- und Sozialforschung GmbH (2019): Geld für Games – wenn Computerspiel zum Glücksspiel wird. Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Hg. v. DAK-Gesundheit. Berlin. Online verfügbar unter https://www.dak.de/dak/download/computerspielsucht-2103404.pdf, zuletzt geprüft am 10.09.2020.

Griffiths, Mark D. (2003): Videogames: Advice for parents and teachers. In: Education and Health 21 (3), S. 48–49. Online verfügbar unter https://www.academia.edu/429585/Griffiths_M_D_2003_Videogames_Advice_for_teachers_and_parents_Education_and_Health_21_48_49, zuletzt geprüft am 19.01.2021.

Groves, Christopher L.; Blanco-Herrera, Jorge A.; Prot, Sara; Berch, Olivia N.; Gentile, Douglas A. (2015): What is known about video game and internet addiction after DSM-5. In: Handbook of Psychology, Technology, and Society. Online verfügbar unter https://www.researchgate.net/publication/303676581_What_is_known_about_video_game_and_internet_addiction_after_DSM-5.

Stoll, Kerstin (2020): Fünf Tipps zu Computersucht. Hg. v. Deutscher Caritasverband e. V. Online verfügbar unter https://www.caritas.de/hilfeundberatung/ratgeber/sucht/computersucht/tipps, zuletzt aktualisiert am 01.12.2020, zuletzt geprüft am 19.01.2021.


Beitragsbild von „Cdd20“ auf Pixabay: https://pixabay.com/illustrations/connection-imagination-cartoon-4801974/

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