By Published On: 23. September 2020Categories: Kommunikation, Psychologie, Wirtschaft

Einleitung

Wie bereits Paul Watzlawick zu sagen pflegte, ist es schlichtweg nicht möglich nicht zu kommunizieren. Dabei darf Kommunikation in keinem Fall lediglich auf das bloße Sprechen reduziert werden: Mimik, Gestik, Verhalten, Aussehen und Stil – all das ist Kommunikation. Ähnlich wie mit der Kommunikation verhält es sich mit dem Marketing. Generell kann Marketing als zielgerichtete Kommunikation verstanden werden, welche immer und überall gegenwärtig ist. „Man kann nicht nicht Marketing betreiben“ ließe sich somit analog zu Watzlawicks berühmter Feststellung behaupten. An dieser Stelle ist Widerspruch zu erwarten, da noch immer einige Unternehmen die feste Überzeugung vertreten, sie würden auf Marketing vollkommen verzichten. Dass dies jedoch unmöglich ist zeigt die folgende Aufzählung: Neben der Produktbeschaffenheit und den verwendeten Farben, Formen, Materialien, Düften, Gewichten sowie Texturen geht es im Sinne des Marketings darüber hinaus beispielsweise auch um das Ausmaß der Kundenorientierung, die Qualität des Services und das Verhalten der Mitarbeiter gegenüber Kunden (Gierke & Nölke, 2011, S. 16-17).

Werbung, Marketing und Verkauf sind überwiegend eindimensional ausgerichtet – der Fokus liegt klar auf dem Visuellen. Doch kann das volle Potenzial wirklich ausgeschöpft werden, wenn lediglich ein Sinneskanal angesprochen wird? Könnten die Konsumenten eine Werbebotschaft nicht weitaus effektiver verarbeiten, wenn diese das Gehirn anstatt über einen über mehrere Sinneskanäle erreichen würde? Inwiefern kann es gelingen, die im Rahmen des Marketings oftmals vernachlässigten Sinne zielführend anzusprechen? Birgt der Einsatz multisensorischer Marketingmaßnahmen Risiken? Gibt es überhaupt den einen entscheidenden Sinn, mit welchem man Produkte und Dienstleistungen besonders intensiv wahrnimmt? (Schmitz, 2014, S. 9).

Das Ziel des vorliegenden Artikels ist es anhand ausgewählter Theorien sowie praktischer Anwendungsbeispiele mögliche Antworten auf diese Fragen zu finden. Darüber hinaus sollen Handlungsempfehlungen herausgearbeitet werden, welche Unternehmen bei der Vermarktung ihrer Produkte und Dienstleistungen unterstützen können.

 

Multisensorisches Marketing in der Theorie

Wie bereits angeschnitten erfolgt die Ansprache (potenzieller) Kunden in der Regel optisch-visuell. Dabei ist es grundsätzlich jedoch eher unvorteilhaft, sich allein auf den Sinneskanal Auge zu konzentrieren. Mono- bzw. duosensorisches Marketing stellt sich daher als zunehmend unzureichend heraus, vor allem weil dadurch viele erfolgsversprechende Möglichkeiten außer Acht gelassen werden. Viel sinnvoller ist es dagegen multisensorisches Marketing zu betreiben und entsprechende Gestaltungsoptionen auszuarbeiten, um auch die übrigen Sinneskanäle erreichen zu können. Aufgrund der vermehrten Informationsüberflutung in den verschiedensten Bereichen stellt es für Unternehmen eine große Herausforderung dar, einerseits die Aufmerksamkeit der Konsumenten zu gewinnen und andererseits die (Werbe-)Botschaft erfolgreich an diese zu vermitteln. Das übergeordnete Ziel, sich als Marke in den Köpfen der Zielgruppe fest zu verankern, rückt als Folge einer einseitigen Positionierung oftmals in weite Ferne. An dieser Stelle soll das Konzept der Multisensorik ansetzen (Gohr, 2011, S. 12).

Entsprechende neurologische Untersuchungen untermauern die Relevanz multsensorischer Marketingstrategien. Das Gesetz der multisensorischen Verstärkung besagt Folgendes: „Eine Botschaft, die das menschliche Gehirn über mehrere Sinneskanäle erreicht, wird schneller und bis zu zehnmal intensiver verarbeitet als ein einzeln ankommendes Signal.“ (Gierke & Nölke, 2011, S. 22). Ferner ist in diesem Zusammenhang eine weitere Erkenntnis aus dem Bereich der Neuroökonomie von erheblicher Bedeutung, die sogenannte multisensorische Holistik: „Hat das Gehirn einmal multisensorisch gelernte (Marken-)Botschaften abgespeichert, reicht ein Reiz über nur einen der Sinneskanäle aus, um die multisensorische Erinnerung in Toto wieder aufzurufen.“ (Gierke & Nölke, 2011, S. 22).

 

Multisensorisches Marketing in der Praxis

Selbstverständlich geht es nicht darum, die sinnliche Wahrnehmung über das Auge abzulösen. Vielmehr sollen auditorische, haptische, gustatorische und olfaktorische Elemente ergänzend hinzugefügt werden, um möglichst viele Sinne anzusprechen. Nachfolgend soll die Gestaltung eines solchen multisensorischen Markenkonzepts mittels zweier Praxisbeispiele genauer dargestellt werden:

Die aus den USA stammende Modekette Abercrombie & Fitch kann als populäres Beispiel multisensorischen Marketings angeführt werden. Die Trendmarke bemüht sich um ein sportliches, junges sowie reizvolles Erscheinungsbild und hat ihren Kunden beim Einkauf vor Ort für fast alle Sinne etwas zu bieten. Die für ein Bekleidungsgeschäft eher ungewöhnliche visuelle Sinneserfahrung ergibt sich zum Einen aus der charakteristischen schummrigen Beleuchtung, zum Anderen legt die Marke auf das Äußere des Verkaufspersonals großen Wert. So ist es bei Abercrombie & Fitch etwa gang und gäbe, dass die Kunden im Eingangsbereich des Ladens von oberkörperfreien männlichen Mitarbeitern mit Englischen Floskeln begrüßt werden. Auch die auditive Komponente wird hier bedient: eine speziell für die Trendmarke angefertigte Playlist sorgt für musikalische Begleitung. Eine weitere Besonderheit stellt die Berücksichtigung des olfaktorisches Aspekts dar. Im Ladeninneren liegt der Duft des typischen Abercrombie & Fitch Parfüms in der Luft, welches so großzügig versprüht wird, dass es auf allen zu verkaufenden Kleidungsstücken haftet und oftmals auch noch vor dem Eingang der Filiale deutlich vernommen werden kann. Als haptische Elemente dienend dürfen die Kleidungsstücke beliebig anprobiert und befühlt werden. Allein die gustatorische Komponente wird im Rahmen dieses multisensorischen Kauferlebnisses nicht berücksichtigt. Das Feedback der Konsumenten auf diesen Ansatz war zeitweise extremst positiv: die Filialen waren vor allem in der Anfangsphase maßlos überfüllt und eine Vielzahl der Kunden nahm für ein Einkaufserlebnis bei Abercrombie & Fitch stundenlanges Warten in Kauf (Au, 2014, S. 65).

Ein weiteres Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung multisensorischer Marketingmaßnahmen stellt das TUI Reise-Erlebniscenter „World-of-TUI“ in Berlin dar. Hier wird den Kunden die Möglichkeit gegeben, das favorisierte Reiseziel bereits vor einer Buchung multisensorisch wahrnehmen zu können. Die visuelle Komponente wird zunächst mittels einer interaktiven Reisebibliothek abgedeckt, welche aus Reiseführern und Videos besteht. Bezüglich der haptischen Sinneswahrnehmung stehen den Kunden für weitere Reiseinformationen iPads frei zugänglich zur Verfügung. Darüber hinaus sorgt landestypische Hintergrundmusik für die auditive Sinneswahrnehmung. Innerhalb spezieller Duftstationen werden typische Gerüche von Reiseländern präsentiert, sodass auch die olfaktorische Komponente nicht zu kurz kommt. Zu guter Letzt wird das multisensorische Erlebnis durch die Bereitstellung des gustatorischen Aspekts abgerundet: Im Erlebniscenter befindet sich eine Bar, welche landesübliche Snacks sowie Getränke bereitstellt. Somit gelingt es TUI seine Kunden auf allen möglichen Sinneskanälen zu erreichen. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die generelle Vorfreude auf Urlaub schon beim alleinigen Besuch der Erlebniswelt erheblich steigert und sich die Chancen, dass dieser dann auch über TUI gebucht wird, maßgeblich erhöhen (Steiner, 2011, S. 182-183).

 

Handlungsempfehlungen und Fazit

Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass die Vorteile eines multisensorischen Marketings auf der Hand liegen. Im Rahmen einer mono- bzw. duosensorischen Marketingstrategie bleiben dagegen viele erfolgversprechende Optionen ungenutzt. Vor allem die olfaktorische und gustatorische Wahrnehmung findet in aller Regel zu wenig Beachtung. Für Unternehmen, welche einen bleibenden Eindruck hinterlassen wollen, ist es daher in jedem Fall empfehlenswert, die Kunden über möglichst viele Sinneskanäle gleichzeitig anzusprechen und sich nicht ausschließlich auf ein oder zwei Sinnesorgane zu beschränken. Einen einzelnen Sinn im Bezug auf die Wahrnehmung als besonders relevant hervorzuheben und damit den Fokus auf einen speziellen Sinn zu legen, ist nicht sinnvoll – vielmehr geht es darum, ein umfassendes Gesamterlebnis zu erzeugen, in das im Optimalfall alle Sinne miteinbezogen werden.

 

Literatur

Au, Sebastian (2015): Multisensorisches Marketing in der Lebensmittelbranche. Theoretische Grundlagen und Anwendungsbeispiele. Hamburg: Diplomica Verlag GmbH.

Gohr, Katharina (2011): Stand und Entwicklungstendenzen im multisensorischen Marketing zur Inszenierung von Marken. Eine kritische Analyse. 1. Aufl. Bremen: Europäischer Hochschulverlag (Wismarer Schriften zu Management und Recht, 52).

Nölke, Stephan Vincent; Gierke, Christiane (2011): Das 1×1 des multisensorischen Marketings. Multisensorisches Branding ; Marketing mit allen Sinnen ; umfassend, unwiderstehlich, unvergesslich. Köln: Ed. Comevis.

Schmitz, Karl-Werner (2014): Die Strategie der 5 Sinne. Wie Sie mit Haptik Ihren Unternehmenserfolg nachhaltig steigern. 1., Auflage. Weinheim: Wiley-VCH.

Steiner, Paul (2011): Multisensuales Branding. Grundlagen multisensualer Markenführung. 1. Aufl. Wiesbaden: Betriebswirtschaftlicher Verl. Gabler (Gabler research).

Beitragsbild: 

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