By Published On: 18. November 2016Categories: Psychologie, Wirtschaft

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Wie findet ein Unternehmen für sich die besten Führungskräfte? Assessment Center?? Potenzialanalysen? Beratung durch externe Coachs? Oder durch psychodiagnostische Testverfahren, wie z.B. den MBTI?

Es gibt ein großes Angebot, wie man heutzutage hoch qualifizierte Führungskräfte finden kann. Viele bewährte und wissenschaftlich fundierte Methoden, wie z.B. der Intelligenztest werden in Unternehmen angewandt , aber genauso gibt es vereinzelnd pseudowissenschaftliche Methoden, die Anklang finden. Innerhalb der pseudowissenschaftlichen Methoden bin ich auf die der Graphologie gestoßen. Diese hat mich sehr interessiert und daher möchte ich sie in diesem Artikel näher beleuchten.

Die Graphologie ist eine psychodiagnostische Auswertung, die versucht, individuelle Persönlichkeitsmerkmale über die persönliche Handschrift eines Menschen zu bestimmen. Dabei schließt sie über die Auswertung der Handschrift auf Verhaltensweisen. Diese sollen wiederum starke Führungspersönlichkeiten identifizieren.

Laut den Anhängern der Graphologie gibt die Handschriftenanalyse Aussagen über:

  • Die soziale Kompetenz (z.B. Kontaktfähigkeit, Führungsfähigkeit, Extraversion/ Introversion oder Teamverhalten)
  • Die intellektuellen Fähigkeiten (z.B. Urteilsvermögen, Kreativität, Planung und Organisation)
  • Die Willensanalagen (z.B. Temperament, Motivation oder Leistungsvermögen)
  • Die Gesamtpersönlichkeit (z.B. Leitbild, Entwicklungsperspektive oder Transparenz)
  • Die Stärken und Schwächen

Zur dieser Identifikation werden die Größenverhältnisse der Unter-, Mittel-und der Oberlängen der Handschrift analysiert.

In drei Kategorien wird die Handschrift weiter bewertet. Die Einzelmerkmale sind das:

  1. Raumbild
  2. Bewegungsbild
  3. Formbild

 

Das Raumbild

In dieser Kategorie werden die Schriftgröße, -weite und –lage bewertet. Des Weiteren werden der Zeilenabstand, die Zeilenführung, der Wortabstand und die Größenverhältnisse analysiert.

Bewegungsbild

Hier wird beispielsweise der Verbundenheitsgrad, das Schreibtempo, der Schreibdruck, die Regelmäßigkeit und die Strichrichtung (rechts-oder linksbündig) bewertet.

Formbild

Der Formreichtum, die Formfestigkeit und die Formausprägung gesichtet.

 

So wird in Unternehmen, die das Auswahlverfahren der Graphologie miteinbeziehen das Drei-Säulen-Prinzip benutzt:

  1. Säule: Auswertung der Bewerbungsunterlagen inklusive Lebenslauf und Zeugnissen
  2. Säule: Bewertung des Interviews
  3. Säule: Auswertung des graphologischen Gutachtens

 

Wie also sieht die Handschrift einer Führungskraft aus?

Sie ist eher groß, druckstark, konzentriert sich nur auf das Wesentliche und lässt Schnörkel weg. Dies zeichnet eine narzisstische Person aus. Bekanntermaßen sind es meist solche Personen, die die Führungspositionen innehaben.

 

Kritik

Die Graphologie ist ein diagnostisches Verfahren, das in Deutschland wenig Ansehen genießt, da es  kaum valide ist. Die prognostische Validität bei einem reinen Gutachten der Handschrift (ohne Inhaltsanalyse) beträgt r=0,01.

Die Gegner der Graphologie bezeichnen das Verfahren sogar als eine Pseudowissenschaft. Der Einsatz dieser Methode ist in Deutschland hinsichtlich psychodiagnostischer Verfahren nur wenig verbreitet.

Doch es gibt auch Bereiche in denen die Handschriftenanalyse durchaus Sinn macht.

Dies wäre die Forensik, insbesondere die forensische Linguistik. Hier geht es nicht darum, Persönlichkeitsmerkmal einer Person zu definieren. Vielmehr werden durch Handschriftenanalysen versucht, beispielsweise Erpresserbriefe oder Nachlassurkunden einer Person zuzuschreiben, um die Echtheit des Dokuments zu prüfen.

 

Fazit

Zukünftige Entscheider: Es gibt so viel andere gute, valide und aussagekräftige Verfahren, um vakante Stellen adäquat zu besetzten. Verzichtet bitte auf die Graphologie!

 

Literatur

Plogg, H.: Handschriften deuten. Die Persönlichkeit im Spiegel der Schrift. Mit vielen Beispielen prominenter Persönlichkeiten. 7., aktualisierte und überarbeitete Auslage. Hannover. 2016. S. 9f.

Jäger, E.: Graphologie. Evaluations-Instrument im Unternehmen. 4. Überarbeitete Auflage. Péry. 2014.

Jansen, L: Studienbrief. Personalauswahl und Eignungsdiagnostik. SRH FernHochschule Riedlingen. 1. Auflage. Riedlingen. 2014. S. 103ff.

http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/graphologie.html (9.11.16)

http://karrierebibel.de/graphologie-handschrift/ (10.11.16)

Bildquellen

https://pixabay.com/de/f%C3%BCllfederhalter-f%C3%BCller-montblanc-1463463/

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