By Published On: 4. Februar 2021Categories: Gesundheit, Psychologie, Wirtschaft

Es ist der Morgen eines wirklich wichtigen Bewerbungsgesprächs, denn es geht um einen Traumjob, der nicht nur gut bezahlt wird, sondern auch perfekt zu Ihren Interessen und Kompetenzen passt. Unglücklicherweise scheint Ihr Wecker genau an diesem Tag beschlossen zu haben seine Tätigkeit einzustellen, wie Sie mit einem Blick auf die Uhr ärgerlich feststellen. Sie schaffen es sich zu beruhigen, schließlich haben Sie nur 15 Minuten verloren, trinken Ihren Kaffee allerdings zu schwungvoll, weswegen Sie sich noch einmal umziehen müssen. Sie verlassen hastig Ihre Wohnung und steigen in Ihr Auto, nur um einige Minuten später im Stau zu stehen. Ob Sie es noch pünktlich zu Ihrem Bewerbungsgespräch schaffen können ist ungewiss. Was würden Sie sagen: Wie fühlen Sie sich in diesem Moment? Vermutlich wären Sie in dieser Situation frustriert, verärgert oder gestresst. Mit letzterem, also dem Stress und seiner Bewältigung durch das transaktionale Stressmodell, beschäftigt sich dieser Artikel.

Stress ist weit verbreitet und gilt als Risikofaktor für Erkrankungen

Wenn es Ihnen so geht wie 32% der Befragten einer Studie, würden Sie den Stress, den Sie im Alltag empfinden, gerne reduzieren. 26% der Befragten gaben außerdem an, dass sie sich ausgebrannt und erschöpft fühlen (Kunst, 2019). Ganz eindeutig, handelt es sich bei Stress also um ein Problem, dass viele Deutsche betrifft. Was aber ist Stress konkret? Man könnte Stress definieren als einen Prozess mit einer Reaktion, die auf eine feindlich wahrgenommene Umwelt und ihre Anforderungen stattfindet. Unter Stress wird dabei eine negative emotionale Erfahrung verstanden, die mit physiologischen, kognitiven und Verhaltensanpassungen verbunden ist (Ewigman, 2017). Alternativ kann Stress auch als Reaktion auf Anforderungen verstanden werden, bei welchen normale Anpassungsprozesse versagen (Schöppl, 2009, S.481). Bei Stress wird darüber hinaus zwischen akutem Stress und chronischem Stress unterschieden. Chronischer Stress ist dabei als langanhaltender Stress zu verstehen, der nicht selten zu gesundheitlichen Folgen führt. Deutlich häufiger weisen Menschen, die an chronischem Stress leiden, depressive Symptomatiken, ein Burnout-Syndrom oder Schlafstörungen auf (Hapke, Maske, Scheidt-Naye, et.al., 2013, S.751). Auch das Risiko an einer koronaren Herzerkrankung zu erkranken sowie das kardiovaskuläre Risiko und die Sterblichkeit allgemein sind bei Menschen, die an chronischem Stress leiden erhöht (Waller, 2013, S.79). Immerhin 11% der Deutschen leiden an chronischem Stress (rki, 2013; Statista Research Department, 2013). Man könnte an diesem Punkt also feststellen, dass Stress eine Art Notlösung des Körpers auf ein feindliches Umfeld ist und langanhaltend schwere Konsequenzen für ihn bedeutet.

Das transaktionale Stressmodell erklärt die Entstehung

Eine Möglichkeit zu erklären, wie es zu Stress kommt und an welchen Punkten interveniert werden kann, liefert das transaktionale Stressmodell oder auch transaktionale Stresstheorie (Kaluza, 2013, S.260-261). Bei diesem Modell wird postuliert, dass Stress und die dabei erlebten Emotionen das Ergebnis eines zweistufigen Bewertungsprozesses sind. Am Anfang des Prozesses steht ein Stressor, also ein Reiz, der potenziell Stress auslösen kann. Bei diesem kann es sich um einen physikalischen oder körperlichen Stressor wie Kälte, Lärm, Schmerzen oder beispielsweise Gefahr für Leib und Leben handeln, um einen sozialen Stressor wie Konflikte und Trennungen oder um einen Stressor, der sich durch zu hohe Anforderungen wie beispielsweise Leistungsanforderungen auszeichnet (Renneberg & Hammelstein, 2006, S.218). Welche Reize dabei zu einem Stressor werden ist abhängig vom Individuum (Schüler-Lubienetzki & Lubienetzki, 2020, S.83). Nach der transaktionalen Stresstheorie folgt auf den Stressor sogleich die erste Bewertung oder auch „primary appraisal“ genannt, bei welcher bewertet wird, ob der Stressor eine positive, neutrale oder negative Auswirkung auf die eigene Person hat (Lazarus, 1990, S.198-232). Angenommen Sie gießen sich wie in der Beispielgeschichte oben Kaffee über Ihre Kleidung, dann bewerten Sie nun, ob die Situation sich negativ auswirkt. Da Sie beim Bewerbungsgespräch keinen schlechten Eindruck machen wollen, besteht durch die unsaubere Kleidung nun eine Bedrohung. Im nächsten Schritt folgt eine weitere Bewertung mit dem Ziel einzuschätzen, ob die Situationsanforderungen bewältigt werden können (Lazarus, 1990, S.198-232). Dafür fragt sich die Person nun inwieweit ausreichend Ressourcen zur erfolgreichen Bewältigung zur Verfügung stehen (Schüler-Lubienetzki & Lubienetzki, 2020, S.84). Wenn Ihre Kleidung also dreckig ist, fragen Sie sich danach, ob Sie Wechselkleidung besitzen. Besitzen Sie keine Ersatzkleidung so kommt es zu Stress, andernfalls beruhigen Sie sich wieder. Wenn Stress entsteht, dann kommen zumeist zwei verschiedene Bewältigungsmechanismen zum Einsatz. Einerseits ist dabei die problemorientierte Bewältigung zu nennen, bei welcher versucht wird geeignete Möglichkeiten oder Ressourcen zu finden, um das „Problem“ zu lösen und andererseits die emotionsorientierte Stressbewältigung, die nicht die Anforderung unmittelbar bewältigt, sondern die eigenen Emotionen und Einstellungen in Bezug auf die Anforderung, um dadurch den Stress aufzulösen. Im Anschluss an die Anwendung von Bewältigungsmechanismen wird die Situation neubewertet, wodurch sich entscheidet, ob der Stressprozess endet, oder erneut in die Bewältigungsstufe eingestiegen werden muss (Schüler-Lubienetzki & Lubienetzki, 2020, S.84-85). Mithilfe des Modells lassen sich nun Handlungsempfehlungen für den Alltag ableiten.

Handlungsempfehlungen, um Stress zu reduzieren

Zunächst einmal zeigt das Modell, dass Menschen individuell unterschiedlich auf Situationsanforderungen reagieren und Stress empfinden. Das bedeutet, dass es von Vorteil sein kann sich selbst zu fragen und gegebenenfalls eine gedankliche Liste darüber zu führen welche Stressoren in zukünftigen Situationen potenziell zu Problemen führen können. Die Person der Beispielgeschichte könnte dabei am Vortag des Bewerbungsgesprächs also zu dem Schluss kommen, dass Verspätungen bei ihr zu Stress führen werden und deshalb präventiv die Funktionalität des Weckers prüfen und früher aufstehen. Auch bei den Erkenntnissen zu den Bewältigungsmechanismen können Sie ansetzen, um Stress zu reduzieren. Sowohl im Vorfeld als auch in der Situation, in der Stress erlebt wird, können Sie sich fragen, wie Sie damit umgehen werden. Dieses Szenario gedanklich durchzuspielen, kann dazu führen, dass Sie in der Situation eine höhere Handlungskompetenz besitzen. Die Person der Beispielgeschichte kann sich somit also die folgende Frage stellen: Wie gehe ich damit um, wenn ich den Job nicht bekomme? Die Person kann dann realisieren, dass sie mit Blick auf die problemorientierte Ebene weitere Bewerbungen schreiben kann und sich auf emotionsorientierter Ebene dadurch beruhigt, dass sie ihr Bestes gegeben hat und noch weitere Chancen aufwarten. Letztendlich ist Stress ein Phänomen, das gut aus dem Alltag bekannt ist. Zu wissen womit man es konkret zu tun hat und die kognitiven Prozesse zu verstehen, kann dann dabei helfen Stress gänzlich zu vermeiden oder ihn erheblich zu reduzieren.

Literatur

Ewigman, N. (2018). Stress. In: Kreutzer J., DeLuca J., Caplan B. (eds) Encyclopedia of Clinical Neuropsychology. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-319-56782-2_2061-2

Hapke, U., Maske, U. E., Scheidt-Nave, C., Bode, L., Schlack, R., Busch, M.A. (2013). Bundesgesundheitsblatt 56:749-754 DOI 10.1007/s00103-013-1690-9. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg.

Kaluza, G. (2014). Stress und Stressbewältigung. Zeitschrift für Erfahrungsheilkunde, 63, 261-266.

Lazarus, R. S. (1990). Streß und Streßbewältigung. Ein Paradigma. In S.-H. Fillipp (Hrsg.), Kritische Lebensereignisse (2. Erweiterte Auflage, S.198-232). Psychologie Verl.-Union, München.

Renneberg, B. & Hammelstein, P. (2006). Gesundheitspsychologie. Springer, Berlin, Heidelberg.

Schüler-Lubienetzki, H. & Lubienetzki, U. (2020). Durch die berufliche Krise und dann vorwärts- wie Sie in und nach der Krise auf den Beinen bleiben. Springer, Berlin, Heidelberg.

Waller, C. (2013). Stress, Depression und kardiovaskuläres Risiko. Zum Stand der neurobiologischen Forschung. Psychotherapie im Dialog 3.

Internetquellen

Kunst, A. (2019). Zustimmung zu Aussagen über Stress. Verfügbar unter:

https://de.statista.com/prognosen/962204/umfrage-in-deutschland-zu-aussagen-ueber-stress

Zuletzt aufgerufen am: 22.01.2021

Statista Research Department (2013). Prävalenz von chronischem Stress nach sozialem Status und Altersgruppe. Verfügbar unter:

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/260469/umfrage/praevalenz-von-belastungen-durch-chronischen-stress-nach-alter-und-sozialem-status/

Zuletzt aufgerufen am: 22.01.2021

 Rki (2013). Chronischer Stress bei Erwachsenen in Deutschland. Verfügbar unter: https://edoc.rki.de/handle/176904/1503 Zuletzt aufgerufen am: 23.01.2021

Titelbild Quelle

https://pixabay.com/de/photos/stress-burnout-mann-person-termine-3853148/

Von: Geralt

Teile diesen Artikel