Seit dem 4. November können sich Institutionen, Vereine, Arbeitgeber*innen oder auch Privatpersonen, die ein Inklusionsprojekt leiten, für die Verleihung des Bundesteilhabepreises 2026 bewerben. Das Motto des diesjährigen Wettbewerbs lautet dabei „BERUFSEINSTIEG INKLUSIV – Übergang von der beruflichen Bildung in den Arbeitsmarkt für junge Menschen mit Behinderungen“. Gesucht werden demnach Modellprojekte, bewährte Best-Practice-Strategien und Lösungsansätze, die dazu beitragen, dass junge Menschen mit Behinderungen erfolgreich am Arbeitsmarkt integriert werden. Doch müssen solche Ansätze tatsächlich immer noch ausgezeichnet werden oder sollte Inklusion mittlerweile nicht zur Selbstverständlichkeit geworden sein?

Der Bundesteilhabepreis – Ziele und Hintergründe

Bereits seit 2019 wird der Bundesteilhabepreis jährlich vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) verliehen. Er wurde ins Leben gerufen, um „Vorbilder der gelungenen inklusiven Sozialraumgestaltung aus[zu]zeichnen“ (Bundesteilhabepreis, o. D.). Dafür wird jedes Jahr ein anderer Schwerpunktbereich gewählt, aus dem die Projekte stammen sollen. Für den letztjährigen Wettbewerb lautete das Thema beispielsweise „DIGITALISIERUNG INKLUSIV – digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Bildung und Arbeit“.

Dabei wurden Programme, Apps oder auch Kommunikationstools gesucht, die die inklusive Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Bildungsangeboten oder am Arbeitsmarkt unterstützen. Der erste Platz wurde an das Projekt PIKSL Labor Düsseldorf verliehen. Das ist ein inklusiver und öffentlicher Begegnungsort, an dem verschiedene technische Geräte wie Tablets, PCs, aber auch Spielekonsolen zur Benutzung zur Verfügung stehen. Ergänzt wird das Angebot durch Workshops und regelmäßige Veranstaltungen. Neben dem PIKSL Labor in Düsseldorf gibt es mittlerweile auch einige weitere Standorte, an denen Menschen mit Behinderungen auf diese Weise Zugriff auf digitale Geräte erhalten (PIKSL Labor Düsseldorf, 2025).

Inklusion auf dem Arbeitsmarkt – sinnvoll oder überflüssig?

Nach der Auszeichnung von Projekten zu Wohnen, Gesundheit und Digitalisierung (Bundesteilhabepreis, o. D.) soll es jetzt also um den Arbeitsmarkt gehen. Auf den ersten Blick ist das eine gute Sache, schließlich sollten Menschen, die sich für Inklusion einsetzen und ihr Herzblut in Projekte stecken, die zu einer besseren Inklusion beitragen, auch entsprechend gewürdigt werden – oder? Andererseits stellt sich die Frage, ob gelungene Inklusion am Arbeitsplatz tatsächlich so einen Seltenheitswert hat, dass erfolgreiche Umsetzungen besonders prämiert werden müssen.

Erst 2025 wurde das Gesetz zur Förderung des inklusiven Arbeitsmarktes verabschiedet, das Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am Arbeitsmarkt vereinfachen soll. Es umfasst vier wesentliche Eckpunkte:

– Finanzielle Anreize für Arbeitgeber in Form von zusätzlichen Förderungen oder Steuererleichterungen

– Vereinfachung der Anträge zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen

– Professionelle Begleitung von Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben durch Coaches oder Assistenzkräfte, um Herausforderungen besser bewältigen zu können

– Verbindliche Beschäftigungsquoten und Strafzahlungen bei Nichteinhaltung (Bender, 2025)

Demnach ist Inklusion auf dem Arbeitsmarkt eigentlich keine Frage des Wollens, sondern eine Selbstverständlichkeit – und demnach auch nichts, was prämiert werden müsste, schließlich sieht die rechtliche Lage eindeutig eine Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen entsprechend einer festgelegten Quote vor. Die Realität sieht allerdings leider anders aus.

Abbildung 1: Inklusion am Arbeitsplatz ist noch keine Selbstverständlichkeit (Quelle: Freepik)

Inklusion am Arbeitsmarkt – Fakten und Zahlen

Die Aktion Mensch und das Handelsblatt Research Institute veröffentlichen jedes Jahr das Inklusionsbarometer Arbeit vor. Mithilfe der Auswertung verschiedener Quoten wird dabei eine Bilanz über die tatsächliche Situation schwerbehinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt gezogen. Insgesamt werden zehn Teilindikatoren untersucht, unter anderem die allgemeine Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen, aber auch die Zahl sowie die Arbeitslosenquote von Schwerbehinderten und der Anteil der Langzeitarbeitslosen unter den arbeitslosen schwerbehinderten Menschen. Jeder ermittelte Teilwert wird dann in Bezug zum 5-Jahres-Durchschnittswert derselben Kategorie gesetzt. Dadurch lassen sich Verbesserungen und Verschlechterungen der Situation schnell ablesen: Ist der Wert höher als 100, hat er sich im Vergleich zu den letzten fünf Jahren verbessert, bei Werten unter 100 liegt hingegen eine Verschlechterung vor (Aktion Mensch e.V., 2024, 12f.).

Das letzte Inklusionsbarometer Arbeit wurde 2024 veröffentlicht und wertet damit Daten aus dem Jahr 2023 aus. Die Auswertung zeigt, dass nahezu alle Teilindikatoren besser ausfallen als der 5-Jahres-Durchschnitt; insgesamt ist also durchaus eine positive Entwicklung zu erkennen (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Teilindikatoren aus dem Inklusionsbarometer Arbeit 2024 (Aktion Mensch e.V., 2024, 13)

Vergleicht man die Daten hingegen mit den Werten des Vorjahres, zeigen sich einige Verschlechterungen. Der Teilindex für die Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten lag im Inklusionsbarometer Arbeit 2023 zum Beispiel noch bei 103,9 Punkten und sank im Folgejahr auf 101,8 Punkte ab. Auch die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten nahm zu, was sich in einem Teilindex von 104,6 Punkten (im Vergleich zu 105,9 Punkten im Vorjahr) zeigt. Werden alle Teilindizes zusammengerechnet, hat sich die Situation von schwerbehinderten Menschen im letzten Jahr von 109,8 Punkten auf 108,3 Punkte verschlechtert (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Gesamtwert Inklusionsbarometer Arbeit 2024 (Aktion Mensch e.V., 2024, 14)

Fazit

Aus ideologischer Sicht wäre es wünschenswert, wenn Wettbewerbe wie der Bundesteilhabepreis zur Auszeichnung besonders gelungener Inklusionsprojekte mittlerweile überflüssig wären. Die Realität zeigt jedoch leider, dass es immer noch dringend notwendig ist, Beispiele gelungener Inklusion in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Nur so kann das Bewusstsein für Chancengleichheit und Gleichberechtigung weiter gefördert werden. Außerdem bieten solche Wettbewerbe die Möglichkeit, gut funktionierende Lösungen zu entdecken und der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Preisverleihung für den diesjährigen Bundesteilhabepreis findet im dritten Quartal 2026 statt. Schon jetzt darf man auf die innovativen Lösungen und Projekte gespannt sein.

Quellen:

Aktion Mensch e.V. (2024). Inklusionsbarometer Arbeit. https://delivery-aktion-mensch.stylelabs.cloud/api/public/content/aktion-mensch-inklusionsbarometer-arbeit-2024.pdf?v=21b7f1e6.

Bender, M. (2025). Bundestag beschließt Gesetz zur Förderung des inklusiven Arbeitsmarktes. openPR.de. https://www.openpr.de/news/1278124/Bundestag-beschliesst-Gesetz-zur-Foerderung-des-inklusiven-Arbeitsmarktes.html.

Bundesteilhabepreis. (o. D.). Bundesfachstelle Barrierefreiheit. https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Initiative-Sozialraum-Inklusiv/Bundesteilhabepreis/Bundesteilhabepreis_node.html.

PIKSL Labor Düsseldorf. (2025). Über uns. https://piksl.net/standorte/duesseldorf/.

Quelle Beitragsbild: https://unsplash.com/de/fotos/personen-mit-gelbem-luftballon-an-der-hand-H8JUYISvI4Y

Quelle Abbildung 1: https://de.freepik.com/fotos-kostenlos/manager-arbeitet-mit-behinderten-mann-zusammen_7388195.htm#fromView=search&page=1&position=2&uuid=84eeaa4e-51a4-4138-800a-805ea0b2d440&query=inklusion+arbeit

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