Die gemeinnützige Organisation Smarter Start ab 14 setzt sich weltweit für eine spätere Handynutzung, einhergehend mit Handyverboten an Schulen und der Förderung von Medienkompetenz ein. Ihr Ziel ist es, Kinder vor den Nachteilen, die eine zu frühe Smartphonenutzung mit sich bringt zu schützen und besser auf den Umgang mit dem eigenen Smartphone vorzubereiten. Ein Ort, um die Initiative wachsen zu lassen und Eltern die Möglichkeit zu geben, sich auszutauschen ist die Schule. Die Schule würde als Lernort ebenfalls von einem späteren Smartphonestart profitieren.
Was will die Initiative?
Die Initiator*innen der Organisation sind überzeugt: eigentlich machen sich viele Eltern Sorgen um die Auswirkungen von Smartphones und Social Media auf ihre Kinder. Viele Familien können allein dem großen Gruppendruck nicht standhalten und wollen ihre Kinder nicht zu Außenseiter*innen werden lassen. Der Netzwerkeffekt der Apps überwiegt und die Eltern finden sich in einer Zwangslage: Smartphone kaufen oder soziale Isolation riskieren. Die Initiative Smarter Start sieht die größte Chance aktiv zu werden bei den Eltern und Familien selbst. Wenn viele Familien sich austauschen, abstimmen und solidarisieren, können sich in Dörfern und Städten, an Schulen, in Kitas und Nachbarschaften Gruppen an Familien bilden, die sich für eine spätere Smartphonenutzung entscheiden. Wenn möglichst viele Familie an Bord sind, verschwindet so Stück für Stück der Zwang zur frühen Smartphonenutzung. Die Initiative sieht sich als Teil der weltweiten Bewegung Smartphone Free Childhood. Die Organisation bietet die Plattform, um Elterngruppen zu gründen und sich zu vernetzen und eine Vortragsreihe zum Thema „Elternsein im digitalen Zeitalter“ (Smarter Start ab14 e.V., 2025).
Entwicklungspsychologische und pädagogische Aspekte
Aktuelle Befunde aus der Entwicklungspsychologie unterstützen das Anliegen der Initiative. Ein Argument, das für die spätere Nutzung von Smartphones und Bildschirmen im Allgemeinen spricht ist, dass der Bildschirmzeit für jüngere Kinder als verlorene Lern- und Lebenszeit zu verstehen ist, also als Gegenteil von Prävention und Gesundheitsförderung. Darüber hinaus sprechen Expert*innen aus der Entwicklungspsychologie, Gesundheitspädagogik, Suchtprävention, Neuropsychologie und Public Health überwiegend von negativen Auswirkungen ausufernden Bildschirmmedienkonsums wie Empathie-Verlust, Übergewicht, Schlafstörungen, mangelnder Konzentration, Kurzsichtigkeit, Verzögerungen der Sprach- und Bewegungsentwicklung und suchtartige Digitalmediennutzung. (Bleckmann, XX). Von Erziehungswissenschaftler*innen und Suchtexpert*innen wird die sog. „Early High Touch-High Tech Later”-Strategie propagiert, dass Kinder und Jugendliche drei wichtige Entwicklungsstufen durchlaufen müssen, die die Voraussetzung für eine spätere Medienmündigkeit darstellen und dass Medienbildung auch analog stattfinden kann, ganz nach dem Motto: „Bilder malen und Daumenkino basteln kommt vor Filme drehen und Websites erstellen“.
1. High Touch Phase (frühe Kindheit): In den ersten Lebensmonaten und Jahren eines Kindes liegt die Basis für Medienmündigkeit in der unmittelbaren Begegnung mit der Welt und mit anderen Menschen. Sensomotorische Integration steht auf dem untersten Stockwerk, gemeint ist ein Lernen mit allen Sinnen, und die Verknüpfung von Sinneswahrnehmung (Sensorik) mit Bewegung (Motorik). Für die frühe Begegnung mit neuen Medien gibt es keine wissenschaftliche Evidenz, vielmehr konnte ein hohes Schadenspotenzial nachgewiesen werden.
2. Soziale Bindungsphase: Das Kind lernt in dieser Phase echte zwischenmenschliche Kommunikation und entwickelt Empathie durch direkte menschliche Interaktion – so lernt das Kind, was authentische Beziehungen sind, im Gegensatz zu Online-Freundschaften. Dies schafft die Grundlage für den späteren kritischen Umgang mit sozialen Medien.
3. High Tech Later Phase (Produktionsfähigkeiten): In dieser Phase entwickelt das Kind Kreativität und erlebt sich selbst als wirksam. Es kann vom passiven Konsumenten zum aktiven Gestalter werden, was eine Basis für spätere aktive statt passive Mediennutzung schafft.
Kinder sollen durch diese Phasen hindurch von Eltern, Erzieher*innen und Lehrer*innen auf ihrem Weg zum gemeinschaftsfähigen, selbstständig denkenden Erwachsenen begleitet werden. Ein solcher Erwachsener soll selbst einschätzen können, welchen Anteil seiner Lebenszeit er überhaupt vor einem Bildschirm verbringen und damit anderen Tätigkeiten entziehen möchte. Für den Zeitanteil, in dem er sich für den Bildschirm entscheidet, sollen die Heranwachsenden Fähigkeiten zur aktiven, kreativen, dosierten, technisch versierten Nutzung und Fähigkeiten zur Vermeidung von Nutzungsrisiken erwerben (Bleckmann, 2022).
Smarter Start in der Schule
Der beste Ort, um dem Anliegen der Initiative Raum zu geben, ist die Schule. Der Druck, wie die gleichaltrigen Freund*innen über ein Smartphone zu verfügen, entsteht hauptsächlich im Klassen- oder Jahrgangsverband. Niemand möchte nicht über die Gespräche im Klassengruppenchat informiert und Außenseiter*in sein. Gleichzeitig ist die Schule ein Begegnungsort für Familien: an Elternabenden und Klassenfesten kommen viele Familien zusammen und es können Verbündete für einen späteren Smartphonestart gefunden werden. Die Initiative an die Schulen zu holen, liegt auch im Interesse der Lehrer*innen und Sozialarbeiter*innen. Die Nutzung der privaten Geräte unterliegt an nahezu allen Schulen strengen Regelungen, deren Einhaltung aber vor allem in (Mittags-)Pausen kaum durch die Lehrer*innen kontrolliert werden kann. Gleichzeitig finden in den Klassenchats und über verschiedene Apps Kommunikationsvorgänge statt, die nicht nur die Kinder und ihre Familien, sondern auch den Ort Schule direkt betreffen: Aufforderungen zur Teilnahme an Challenges, Cybermobbing und Cybergrooming und Apps, die Aufmerksamkeit der Schüler*innen so stark binden, dass Konzentrationsfähigkeit und Aufnahme von Unterrichtsinhalten erschwert werden (Rüdiger, 2024). Private Smartphones von Schüler*innen entziehen sich der Zuständigkeit und der Berechtigung von Lehrkräften. Lehrer*innen stehen in Bezug auf alles, was am Smartphone stattfindet auf der Zuschauertribüne und sind durch ihre pädagogische Verantwortung der Klasse gegenüber doch Teil des Spiels. Schule als smartphonefreie Orte zu etablieren, würde Cybermobbing, Mediensucht und die anderen genannten Probleme zwar nicht automatisch lösen. Weil Schüler*innen aber einen beträchtlichen Teil ihres Tages dort verbringen, würde zumindest eine zeitliche und räumliche Schutzzone geschaffen.
Smarte Medienbildung durch schuleigene Geräte
Entgegen der häufig geäußerten Kritik an einer späten Smartphonenutzung bzw. einem Smartphoneverbot an Schulen steht einer umfassenden Medienbildung trotz späterem Smartphonestart und Smartphoneverboten in der Schule nichts im Wege. Der private Besitz eines Smartphones ist für die Medienerziehung nicht unbedingt Voraussetzung. Expert*innen sehen besonders die Schulen als geeigneten Ort für die Anbahnung von Medienkompetenz, weil sich das Engagement der Erziehungsberechtigten, ihre Kinder bei der digitalen Mediennutzung zu begleiten, stark unterscheidet. Besonders in Familien mit niedriger formaler Bildung werden die Kinder weniger in der Mediennutzung unterstützt, sodass betroffene Kinder größeren Risiken ausgesetzt sind (Roth-Ebner, 2023). Schuleigen Tablets bieten hier den optimalen Kompromiss. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, eine kontrollierte Lernumgebung am digitalen Gerät zu schaffen und Ablenkung dennoch zu minimieren. Sie ermöglichen eine pädagogisch sinnvolle Softwareauswahl ohne ablenkende Apps, wobei Lehrer*innen und zuhause die Eltern die Einsatzzeiten bestimmen können. So wird eine sichere Lernumgebung geschaffen, die Schüler*innen vor unangemessenen Inhalten schützt. Bei der Anschaffung und der Nutzung können und sollten Schule und Eltern Hand in Hand arbeiten. Es sollte z.B. überlegt werden, ab welchem Alter die Geräte mit nach Hause genommen werden und wie dann auch zuhause eine kontrollierte Lernumgebung geschaffen werden kann. Schuleigene Tablets schaffen gleichzeitig eine größere Bildungsgerechtigkeit, da einheitliche technische Standards für alle Schüler*innen gelten. Die Nutzung der Schulgeräte kann datenschutzkonform ohne eine private Datenpreisgabe erfolgen. Eine Studie der Universität Augsburg attestiert, dass Smartphone-Verbote das soziale Wohlbefinden von Schüler*innen signifikant verbessert und einen positiven Effekt auf die Lernleistungen hat (Böttger/Zierer, 2024). Statt dem Besitz eigener Smartphones ist vielmehr die Einführung schulartübergreifender Medienbildungskonzepte und umfassender Bildungsangebote für Erziehungsberechtigte Voraussetzung für Medienkompetenz und Sicherheit der Kinder.
Fazit
Als Lehrerin empfinde ich die Initiative Smarter Start ab 14 als absolut unterstützenswert. Die Auswirkungen der privaten Smartphonenutzung im schulischen Umfeld sind massiv und können nur sehr schwer sinnvoll pädagogisch begleitet werden. Meinem Auftrag der Medienbildung kann ich besser nachkommen, wenn ich gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten, Kolleg*innen und Schüler*innen bestimmen kann, welchen Inhalten wir uns widmen und wo wir unsere Schwerpunkte legen, statt Spielball von einflussreichen Influencer*innen, Algorithmen, Challenges und großen Konzernen zu sein. Um dann aber qualitativ hochwertige Medienbildung bieten zu können, braucht es gute Konzepte, ausreichend schuleigene Geräte und nicht zuletzt eine stabile Internetverbindung.
Quellen
Bleckmann, P. et al. (2022): MünDig-Studie Waldorf: Mündigkeit und Digitalisierung an KiTas und Schulen, https://www.alanus.edu/de/forschung-kunst/wissenschaftliche-kuenstlerische-projekte/detail/medienerziehung-an-reformpaedagogischen-bildungseinrichtungen, abgerufen am 14.8.2025.
Böttger, T. & Zierer, K. (2024): To Ban or Not to Ban? A Rapid Review on the Impact of Smartphone Bans in Schools on Social Well-Being and Academic Performance. In: Education Sciences Nr. 14(8)/2024.
Roth-Ebner, C. (2023), Die Mediatisierung von Kindheit und deren Implikationen für die Medienerziehung. In: Pädiatrie & Pädologie Nr. 58/2023, S.114-117.
Rüdiger, T.-G. (2024), Digitale Risiken für Kinder und Jugendliche. In: Monatsschrift Kinderheilkunde Nr. 10/2024, S.872-878.
Smarter Start ab 14 e.V. (2025), https://www.smarterstartab14.de/, abgerufen am 14.8.2025.
Titelbildquelle
Cottonbro Studio (9.12.2020), Urlaub – Hände – Smartphone – Mädchen, abgerufen am 14.8.2025 von Pexels: https://www.pexels.com/de-de/foto/urlaub-hande-smartphone-madchen-6140207/
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