Selbstoptimierung ist längst mehr als ein Schlagwort. Ob in Podcasts, Apps oder Social Media Feeds, überall begegnet uns die Idee, dass der Schlüssel zu einem besseren Leben in uns selbst liegt. Besser schlafen, gesünder essen, produktiver arbeiten, entspannter leben, am besten alles gleichzeitig. Der Druck, sich ständig weiterzuentwickeln, kann motivieren, aber auch überfordern. Zwischen Selbstverwirklichung und Selbstüberforderung rückt dabei ein Thema immer mehr in den Mittelpunkt: die Rolle von Gewohnheiten.
Denn wer sich langfristig verändern möchte, braucht mehr als blosse Motivation. Es sind die alltäglichen, oft unscheinbaren Routinen, die darüber entscheiden, ob wir Ziele wirklich erreichen oder immer wieder daran scheitern. Doch was macht eine Gewohnheit eigentlich positiv? Und wie gelingt es, solche Routinen nachhaltig im Alltag zu verankern, ohne sich dabei selbst zu verlieren?
Was ist eine positive Gewohnheit?
Gewohnheiten sind feste Verhaltensmuster, die wir durch Wiederholung erlernen und meist automatisch ausführen. Sie entlasten unser Gehirn im Alltag, weil sie wenig bewusste Entscheidung erfordern. Ob wir morgens nach dem Aufstehen zuerst das Fenster öffnen oder direkt zum Handy greifen, geschieht oft ohne viel Nachdenken. Genau darin liegt ihre Kraft, aber auch ihr Risiko. Denn Gewohnheiten prägen unseren Alltag stärker, als uns oft bewusst ist (Vliek, 2023, S. 72).
Eine positive Gewohnheit zeichnet sich dadurch aus, dass sie unser Wohlbefinden langfristig stärkt. Sie muss nicht spektakulär sein, sondern zum Leben der jeweiligen Person passen. Wichtig ist, dass sie realistisch umsetzbar ist, sich stimmig anfühlt und einen spürbaren Mehrwert bringt. Eine gute Gewohnheit unterstützt uns dabei, unsere Ziele zu erreichen, ohne uns dabei zu überfordern. Sie wirkt stabilisierend, fördert die Selbstwirksamkeit und trägt dazu bei, dass wir uns mit uns selbst wohler fühlen (Lemper-Pychlau, 2015, S. 21-23).
Psychologisch betrachtet entstehen Gewohnheiten durch ein wiederkehrendes Muster aus Auslöser, Handlung und Belohnung. Dieses sogenannte Gewohnheitsloop verankert sich im Gehirn durch Wiederholung. Wenn wir zum Beispiel nach dem Zähneputzen bewusst ein Glas Wasser trinken und uns dadurch frischer fühlen, verknüpft unser Gehirn diese einfache Handlung mit einem positiven Effekt. Über die Zeit kann daraus eine feste Routine werden, die uns ohne grosse Anstrengung begleitet (Gierlinger, 2024).
Besonders nachhaltig wirken Gewohnheiten, wenn sie nicht nur auf ein Ziel ausgerichtet sind, sondern mit unserem Selbstbild in Einklang stehen. Wer sich selbst als aktiven Menschen sieht, wird eher konsequent joggen gehen, als jemand, der darin nur ein Mittel zum Zweck sieht. Eine gute Gewohnheit ist also mehr als eine Technik zur Leistungssteigerung. Sie ist ein Ausdruck dessen, wie wir leben und wer wir sein wollen (Becker, 2024, S. 262-263).
Zwischen Motivation und Überforderung – Warum gute Vorsätze scheitern
Der Wunsch, sich zu verändern, entsteht oft aus echter Motivation. Ein neues Jahr, ein bestimmter Anlass oder ein inspirierender Impuls reichen oft aus, um sich neue Ziele zu setzen. Anfangs ist die Energie hoch, doch viele Vorhaben verlieren schnell an Kraft. Das liegt häufig daran, dass die Erwartungen zu hoch oder unklar sind. Wer plötzlich alles ändern will wie beispielsweise früher aufstehen, gesünder essen und mehr Sport treiben, überfordert sich selbst. Aus dem guten Vorsatz wird schnell Enttäuschung (Lemper-Pychlau, 2015, S. 23-24).
Auch der Vergleich mit anderen kann demotivierend wirken. In sozialen Medien begegnen wir scheinbar perfekten Routinen und Menschen, die alles im Griff zu haben scheinen. Diese Bilder setzen unter Druck und lassen die eigene Realität ungenügend erscheinen. Dabei wirkt Veränderung selten so glatt, wie sie online dargestellt wird (Yesil, 2019, S. 15).
Ein weiterer Irrtum ist die Annahme, dass reine Willenskraft reicht. Doch sie ist begrenzt und nicht immer zuverlässig. Ohne klare Strukturen und alltagstaugliche Schritte, bleibt der gute Vorsatz oft nur eine kurze Phase der Begeisterung. Wer sich dabei selbst zu viel abverlangt, riskiert Frust statt Fortschritt. Veränderung braucht Zeit, Geduld und realistische Ziele. Nur wenn neue Routinen in den eigenen Alltag passen und kleine Rückschritte erlaubt sind, entsteht langfristige Entwicklung. So können aus Vorsätzen echte Gewohnheiten werden (Göke, 2023, S. 189-193).
Wie lassen sich gute Gewohnheiten aufbauen – und durchhalten?
Damit aus einem Vorsatz eine feste Gewohnheit wird, braucht es mehr als Motivation. Entscheidend ist, wie gut ein neues Verhalten in den Alltag eingebettet werden kann. Die Forschung zeigt, dass Gewohnheiten besonders dann entstehen, wenn sie mit einem konkreten Auslöser beginnen, einfach umzusetzen sind und eine kleine Belohnung nach sich ziehen. Dieses Prinzip, bekannt als Gewohnheitsschleife, lässt sich im Alltag gut nutzen (Göke, 2023, S. 170-171).
Auch das Festlegen fester Zeitpunkte oder Orte kann helfen. Je klarer die Verknüpfung im Alltag ist, desto eher bleibt die neue Gewohnheit bestehen. Belohnung muss dabei nicht gross sein. Oft reicht ein kurzes positives Gefühl oder das innere Wissen, sich etwas Gutes getan zu haben. Manche Menschen führen Tagebuch oder haken ihre Routine sichtbar ab. Solche kleinen Zeichen der Bestätigung können sehr wirkungsvoll sein (Gierlinger, 2024).
Entscheidend ist ausserdem die Wiederholung. Je häufiger ein Verhalten in ähnlichem Kontext stattfindet, desto stärker verankert es sich im Gehirn. Wichtig ist dabei Geduld. Gewohnheiten brauchen Zeit, um sich zu festigen und Rückschläge gehören dazu. Wer zu Beginn ein oder zwei Tage auslässt, sollte nicht gleich alles infrage stellen. Entscheidend ist die Rückkehr zur Routine, nicht das perfekte Durchhalten (AOK Gesundheitsmagazin, 2022).
Gute Gewohnheiten entwickeln sich also nicht durch Druck oder Perfektion, sondern durch Regelmässigkeit, Einfachheit und eine gewisse Leichtigkeit. Sie wachsen mit dem Alltag und passen sich an. Gerade deshalb können sie eine nachhaltige Kraft entfalten.
Persönliches Fazit
Für mich ist das Thema Gewohnheiten eng mit dem Gefühl verbunden, dass sich das Leben ständig verändert. Manchmal gelingt es, positive Routinen aufzubauen und sie in den Alltag zu integrieren, manchmal weniger gut. Es kommt auch vor, dass sich Gewohnheiten einschleichen, die einem nicht guttun. Besonders stark spüre ich den Einfluss des Smartphones. Es ist heute für viele der zentrale Taktgeber des Alltags. Die ständige Erreichbarkeit und das Bedürfnis, immer auf dem Laufenden zu sein, rauben oft unbemerkt Zeit und Konzentration. Eine bewusste Pause von Social Media hat mir gezeigt, wie gut es tut, einfach mal nicht online zu sein. Es entsteht mehr Ruhe, mehr Klarheit und mehr Raum für das, was wirklich zählt. Eine wichtige Erkenntnis war für mich auch, dass es hilft, neue Gewohnheiten nicht allein umzusetzen. Gemeinsam mit anderen fällt es leichter, dranzubleiben, besonders an schwierigen Tagen. Der Austausch und das Wissen, dass jemand Bescheid weiss, schaffen Verbindlichkeit und Motivation. Für mich ist das Leben ein ständiger Lernpfad. Es geht nicht darum, perfekt zu sein, sondern darum, sich mit Offenheit weiterzuentwickeln. Genau dieser Gedanke hilft mir, immer wieder neu anzufangen und den Blick auf das zu richten, was gut tut.
Literaturverzeichnis
AOK Gesundheitsmagazin. (2022). Gewohnheiten ändern: Tipps für neue Handlungsmuster. Zugriff am 18.4.2025. Verfügbar unter: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/motivation/gewohnheiten-aendern-tipps-fuer-neue-handlungsmuster/
Becker, F. (2024). Positive Psychologie – Wege zu Erfolg, Resilienz und Glück. Berlin: Springer.
Gierlinger, M. (2024). Wie Routinen und Rituale unser Verhalten prägen. ARDalpha. Zugriff am 18.4.2025. Verfügbar unter: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/gewohnheit-aendern-definition-psychologie-rituale-routine-selbstoptimierung-100.html
Göke, M. (2023). Selbstständigkeit ohne Selbstaufgabe. Freiburg: Haufe Group.
Lemper-Pychlau, M. (2015). Mehr erreichen. Wiesbaden: Springer Gabler.
Vliek, M. L. W. (2023). Sozialpsychologie: Von der Theorie zur Anwendung. (K. Sassenberg, Hrsg.). Cham: Springer.
Yesil, N. A. (2019). Knack Dein Gehirn für Deinen Erfolg! Berlin: Springer.
Titelbildquelle:
Titelbild von Nubelson Fernandes veröffentlicht am 9. Februar 2022
https://unsplash.com/de/fotos/eine-person-die-an-einem-tisch-sitzt-und-ein-buch-liest-YHFNokH-0G4
Nutzungsbedingungen unter https://unsplash.com/de/lizenz