Alles wird schneller, komplexer, unübersichtlicher. Ständige Erreichbarkeit, wachsender Leistungsdruck und gesellschaftliche Krisen fordern uns -psychisch, emotional, sozial. Während einige Menschen an diesen Belastungen zerbrechen, scheinen andere gerade daran zu wachsen. Sie bleiben widerstandsfähig, finden Wege, mit Stress umzugehen und bewahren sich dabei ihre innere Stabilität. Was unterscheidet sie von anderen? Es ist nicht bloss Talent oder Glück, es ist Resilienz. Doch wie entsteht diese innere Stärke, und wie kann sie in einer Welt, die uns täglich mehr abverlangt, gefördert werden?
Was ist Resilienz?
Resilienz bezeichnet die psychische Widerstandsfähigkeit eines Menschen gegenüber belastenden Lebensumständen. Dabei geht es nicht darum, Stress oder Krisen spurlos zu überstehen, sondern vielmehr darum, sich nach Rückschlägen wieder aufzurichten, manchmal sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Werkstoffkunde und beschreibt dort die Fähigkeit eines Materials, nach Verformung in seine ursprüngliche Form zurückzukehren (Lohse, 2021, S. 17-18).
In der Psychologie wurde der Resilienzbegriff in den 1950er-Jahren durch die Forschung von Emmy Werner geprägt. In ihrer Langzeitstudie auf der hawaiianischen Insel Kauai begleitete sie Kinder, die unter schwierigen sozialen Bedingungen aufwuchsen. Bemerkenswert war, dass rund ein Drittel dieser Kinder trotz widriger Umstände psychisch gesund blieb. Diese „resilienten Kinder“ zeigten eine hohe Anpassungsfähigkeit, soziale Kompetenz und eine positive Grundhaltung und dies auch ohne ideale äussere Rahmenbedingungen (Kruse, 2015, S. 2).
Seitdem hat sich das Verständnis von Resilienz weiterentwickelt. Heute wird Resilienz als ein dynamischer Prozess betrachtet, der im Zusammenspiel von individuellen, sozialen und gesellschaftlichen Faktoren entsteht. Sie ist also nicht angeboren, sondern kann im Laufe des Lebens aufgebaut und gestärkt werden, dies durch Erfahrungen, Unterstützung und gezielte Strategien (Lohse, 2021, S. 18).
Welche Faktoren beeinflussen Resilienz?
Resilienz ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels individueller, sozialer und gesellschaftlicher Einflussfaktoren. Diese können als Schutzfaktoren die psychische Widerstandskraft stärken oder als Risikofaktoren diese untergraben (Heller, 2019, S. 39).
Individuelle Einflussfaktoren:
Psychologische Merkmale wie realistische Zuversicht, Selbstwirksamkeit, emotionale Regulation und die Fähigkeit zur Selbstreflexion gelten als besonders bedeutsam. Auch frühere Erfahrungen mit der erfolgreichen Bewältigung von Krisen tragen zur Entwicklung innerer Stärke bei (Heller, 2019, S. 103).
Soziale Einflussfaktoren:
Ein stabiles, unterstützendes soziales Umfeld, sei es in der Familie, im Freundeskreis oder im beruflichen Kontext, stellt eine wichtige Ressource dar. Soziale Anerkennung, Vertrauen und Zugehörigkeit können als Schutzmechanismen gegenüber psychischer Belastung wirken (Unkrig, 2021, S. 214).
Gesellschaftliche Einflussfaktoren:
Strukturelle Bedingungen wie Bildungschancen, soziale Sicherheit oder politische Stabilität beeinflussen ebenfalls, wie gut Menschen mit Belastungen umgehen können. Diskriminierung, Unsicherheit oder fehlender Zugang zu Unterstützung können dagegen Resilienz erheblich erschweren (Keller, 2021).
Diese Ebenen wirken nicht isoliert, sondern greifen ineinander. Resilienz ist somit nicht nur eine persönliche Eigenschaft, sondern auch Ausdruck der Umstände, in denen Menschen leben und handeln (Wittpahl, 2023, S. 12-14).
Resilienz stärken und fördern
Resilienz ist keine feste Eigenschaft, sondern eine Fähigkeit, die sich im Laufe des Lebens entwickeln und gezielt stärken lässt (Keller, 2021). Voraussetzung dafür ist ein mehrdimensionaler Ansatz, der sowohl persönliche Kompetenzen als auch soziale und gesellschaftliche Bedingungen berücksichtigt. Auf individueller Ebene helfen insbesondere Achtsamkeit, Selbstreflexion und eine bewusste emotionale Selbstregulation, um innere Stabilität aufzubauen (Kruse, 2015, S. 4). Wer lernt, mit belastenden Gedanken und Gefühlen konstruktiv umzugehen und schwierige Situationen in einem anderen Licht zu betrachten, schafft eine wichtige Grundlage für psychische Widerstandskraft. Auch alltägliche Faktoren wie ausreichend Schlaf, regelmässige Bewegung und verlässliche soziale Kontakte tragen wesentlich zur Stabilisierung bei (Heller, 2019, S. 27).
Resilienzförderung findet jedoch nicht nur im privaten Raum statt. Auch in Schulen, Hochschulen und Unternehmen wächst das Bewusstsein dafür, dass Menschen Unterstützung benötigen, um langfristig gesund und leistungsfähig zu bleiben. Angebote wie Resilienztrainings, Programme zur Stressbewältigung oder eine Kultur des offenen Austauschs können dabei helfen, persönliche Ressourcen zu stärken und Belastungen frühzeitig aufzufangen (ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V., Institut für Arbeitswissenschaft, Technische Universität Darmstadt (IAD), Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V. (IW) & Hochschule Fresenius Düsseldorf, 2018, S. 9-10). Führungskräfte haben dabei eine besondere Verantwortung: Indem sie Vertrauen schaffen, transparent kommunizieren und Fehler als Lerngelegenheiten betrachten, fördern sie ein Arbeitsklima, in dem Menschen sich sicher fühlen, eine zentrale Voraussetzung für resilientes Verhalten (Unkrig, 2021, S. 147).
Darüber hinaus ist die Förderung von Resilienz auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Strukturelle Rahmenbedingungen wie der Zugang zu Bildung, gesundheitlicher Versorgung und sozialer Sicherheit beeinflussen massgeblich, wie gut Menschen mit Belastungen umgehen können. Gerade in einer Zeit wachsender Unsicherheiten ist es entscheidend, nicht nur auf individuelle Strategien zu setzen, sondern auch auf solidarische und faire Systeme, die psychische Gesundheit schützen und soziale Teilhabe ermöglichen (Wittpahl, 2023, S. 11-13).
Fazit
Für mich bedeutet Resilienz nicht, immer stark sein zu müssen oder jede Herausforderung mühelos zu bewältigen. Vielmehr verstehe ich sie als eine innere Haltung, das eigene Leben als einen fortlaufenden Lernweg zu betrachten. Wer offen bleibt für neue Impulse, sich auf Erfahrungen einlässt und auch den offenen Austausch mit anderen sucht, entwickelt mit der Zeit eine gesunde innere Stabilität. Es braucht Mut, nicht nur Erfolge zu teilen, sondern auch schwierige Gefühle und belastende Situationen anzusprechen. Gerade darin liegt viel Stärke. Ebenso wichtig ist es, sich nicht zu überfordern, sondern bewusst zu leben und sich regelmässig die Auszeiten zu nehmen, die der Körper und Geist benötigen. Für mich ist Resilienz deshalb nicht nur eine Frage der Anpassungsfähigkeit, sondern auch der bewussten Beteiligung am eigenen Leben. Wer sich aktiv einbringt, den Kontakt zu sich selbst und zu anderen pflegt und sich immer wieder kleine Inseln der Ruhe schafft, stärkt seine innere Kraft für das, was noch kommt.
Literaturverzeichnis:
Heller, J. (2019). Resilienz für die VUCA-Welt. Wiesbaden: Springer.
ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V., Institut für Arbeitswissenschaft, Technische Universität Darmstadt (IAD), Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V. (IW) & Hochschule Fresenius Düsseldorf (Hrsg.). (2018). Resilienzkompass. Zugriff am 9.4.2025. Verfügbar unter: https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Gutachten/PDF/2018/Gutachten_Resilienzkompass.pdf?
Keller, A.-S. (2021). So stärken Sie Ihre Resilienz. Sanitas Magazin. Zugriff am 3.4.2025. Verfügbar unter: https://www.sanitas.com/de/magazin/psyche/psyche-staerken/resilienz.html
Kruse, A. (2015). Resilienz bis ins hohe Alter- was wir von Johann Sebastian Bach lernen können. Wiesbaden: Springer.
Lohse, K. (2021). Resilienz im Wandel. Wiesbaden: Springer.
Unkrig, E. R. (2021). Resilienz im Unternehmen – den Faktor Mensch fördern. Wiesbaden: Springer.
Wittpahl, V. (2023). Resilienz. Berlin: Springer.
Titelbildquelle:
Titelbild von Karim Manjra veröffentlicht am 21. Januar 2019
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