By Published On: 11. Februar 2021Categories: Gesundheit, Pädagogik, Psychologie

Das Sterben und der Tod sind wirklich heikle Themen. Mitunter ist dies deshalb so, da es wohl kein andere Thematik gibt, welche die menschliche Kreativität so beflügelt wie das Ableben von diesem Planeten und die Vorstellung über das, was uns danach wohl erwartet. Die Imagenationen sind so weitreichend, dass Weltreiche und Religionen – auf diesen Vorstellungen gleichermaßen das Fundament ihrer Macht begründen. Denken wir doch nur einmal an die Auferstehung des Christus -ohne sein Sterben am Kreuz auf dem Hügel Golgatha und den Tod durch eine römische Lanze, kein Wunder der Auferstehung. Oder Dantes Inferno, in welchem Dante vom Dichter Virgil einmal quer durch die sieben Ringe der Hölle bis hin in die sieben Sphären des Himmels geführt wird. Wir halten fest, der Tod will uns einfach nicht weniger begeistern. Und dies ist der Tatsache geschuldet, dass die Menschen trotz modernster Technologien des Sterbens einfach nicht müde werden. Wo früher der Glauben federführend war, drängen sich heute neue medizinische Zweige auf. Angefangen  bei der Palliativmedizin, die das Ableben so human wie möglich gestalten soll. Es gibt auch parapsychologischen Studien, die sich vereinzelt mit Erscheinungen beschäftigen und nachweisen zu versuchen, dass es tatsächlich ein Leben nach dem Tod gibt. Bis hin zur Thanatopsychologie, die das gesamte Themengebiet unter einem psychologischen Spektrum betrachtet, wozu diese Fachrichtung auf Erkenntnisse der Persönlichkeits-Entwicklungs-Sozial-Klinischen– Gesundheits- und der medizinischen Psychologie zurückgreift.[1] Es ist also festzuhalten, dass diese Thematik nicht aus einer, sondern aus den unterschiedlichsten Perspektiven zu ergründen ist. 

Der Umgang mit dem Tod ist Kulturabhängig

Oft, zugegeben fast immer, übt die Kultur, in welcher ein Mensch heranwächst, einen erheblichen Anteil auf seinen Umgang mit dem Tod aus. Interessanterweise unterscheiden sich Kulturen hier anscheinend je nachdem, ob sie kollektivistisch oder individualistisch geprägt sind. Kollektivistische Kulturen wie Pakistan, Südkorea oder Ecuador, ggf. Nordkorea priorisieren eher die Gemeinschaft der Menschen, was dazu führt, dass es in solchen Systemen eher üblich ist kollektivistisch (sehr umfängliche) geprägte Totenfeiern abzuhalten, welche die Gruppenkohäsion (Zusammenhalt) verbessern. Das Pendant hierzu versteht sich als die individualistischen Kulturen, gemeint sind hiermit alle westlich geprägten Länder, Bsp. Großbritannien, Frankreich und die USA. Zentral ist hier der Selbstwert, welcher auf der individuellen Wahrnehmung eigener Talente und Fähigkeiten beruht. Nicht selten betreiben Menschen in solchen Kulturen neben den Gruppenritualen, einen erhöhten Konsum, um sich von der Thematik des Tods abzulenken. Es besteht also zunehmend eine Art Tabuisierung dieser Thematik, welche, solange vor sich hergeschoben wird, bis das Individuum selbst betroffen ist, was dann meist zu einem unangenehmen Erwachen vor einem sehr langen Schlaf führt.[2]

Der Unterschied zwischen den Systemen

Ersteres (Kollektivismus) basiert auf der Vorstellung, dass unser Leben einen Sinn hat, dieser besteht darin einer geordneten Struktur zu folgen. Diese Vorstellung ist zumeist mit dem Gedanken verbunden, dass diejenigen, welche sich immer brav regelkonform an die übergeordneten Vorstellungen, Werte und Normen halten, dafür auch eine Art Belohnung bekommen, z. B. das Anrecht auf das Leben nach dem Tod. Der andere Mechanismus (Individualismus), basiert auf unserem individuellen Überzeugungssystem, sprich dem Drang als Person wichtig und bedeutend zu sein. Es wird darauf verwiesen, dass Menschen mit einem hohen Selbstwert, weniger ängstlich auf Ereignisse reagieren, wahrscheinlich liegt das daran, dass diese ihren Selbstwert immer wieder gegenüber anderen behaupten mussten. Denn nicht selten sind eben solche Personen Zielscheiben von Vorurteilen und Ethnozentrismus. Auf der anderen Seite, führt die Furcht vor dem Tod bei denen, welche die erste Strategie avancieren, eher zur Einhaltung der Standards der eigenen Kultur. Auch die Identifikation mit der eigenen Gruppe nimmt zu (Ingroup)- hieraus resultiert ein erhöhtes Zusammengehörigkeitsgefühl und die Verstärkung der gruppeninternen Hilfsbereitschaft (Altruismus). Nicht zuletzt führt dies mitunter dazu, fremde Gruppen (Outgroup) gänzlich abzulehnen. Es bleibt anzumerken, dass es egal ist, für welchen Weg sich ein Mensch nun entscheidet (bzw. in welche Kultur ein Mensch hineingeboren wird), nach Aussagen zahlreicher Forscher, ist es wichtig, eine relativistische Weltsicht zu bewahren, um andere Kulturen nicht als Böse zu klassifizieren, sondern sie als Alternativen zu erachten um Vorurteile und Aggressionen zu minimieren.[3] Schon Gustav Le Bon benannte diesen Umstand als religiöses Gefühl der Masse, welches nach ihm folgende Kennzeichen aufweist: „Anbetung eines vermeintlichen höheren Wesens, Furcht vor der Gewalt, die ihm zugeschrieben wird, blinde Unterwerfung unter seine Befehle, Unfähigkeit, seine Glaubenslehren zu untersuchen, die Bestrebung, sie zu verbreiten, die Neigung, alle als Feinde zu betrachten, die sie nicht annehmen“.[4]

Das Sterben und die Terror-Management- Theorie

Wohlgemerkt gibt es einen Unterschied zwischen dem Vorgang des Sterbens, welcher seit den Beiträgen von Elisabeth Kübler-Ross, einer der Pionierinnen der modernen Sterbeforschung, in einen fünf stufigen Prozess mit folgenden Phasen unterteilt wird: 1. Aktive Verweigerung (Niemals!) 2. Aggressive Phase (warum ich ?) 3. Partiellen Annahme (Oberflächige Annahme des Schicksals, weitere Versuche, mit den Ärzten zu verhandeln) 4. Depressive Annahme (hoffnungslose innere Leere) und 5. Bewusste Zustimmung (Annahme, Abflachung der Emotionen und hinaufsteigen ins Licht).[5] Und dem Tod, welcher nicht als Prozess, sondern als erreichter Zustand nach dem Prozess des Sterbens gilt. Die moderne Medizin meint damit das Versagen neurologischer Funktionen.[6]

Nun möchte natürlich niemand, der das Leben liebt, dass seine neurologischen Funktionen frühzeitig versagen. Allein der Gedanke, irgendwann einmal sterben zu müssen, führt bei den meisten Menschen zur Angst. Wie Menschen das Novum verarbeiten, irgendwann einmal dennoch sterben zu müssen, ist Bestandteil der Terror-Management-Theorie von Solomon et al. aus dem Jahr 2004. Besagte Theorie beschäftigt sich mit den im Angesicht der Todes- oder Angst, welche sich mit dem Einhergehen des Bewusstseins der eigenen Sterblichkeit entwickelt. Die Grundaussage der Theorie besteht in der Annahme, dass das Bewusstwerden der eigenen Sterblichkeit, der sogenannten Moralitätssalienz Angst verursacht, welche im Weiteren durch zwei Bewältigungsmechanismen (Coping) unter Kontrolle gehalten wird, diese sind die Weltanschauung, auch Weltsicht genannt und der Selbstwert.[7] Dies bringt uns wieder zur oben angeführten systematischen Auseinandersetzung des Kollektivismus und Individualismus.

Das sind ja schöne Modelle, und zweifelsohne sind diese auch mehr als berechtigt! Jedoch konnte sich wohl noch niemand die Angst vor dem Tod damit nehmen, sich in eine der beiden Coping Alternativen einzuordnen, anders hingegen war dies zumindest bei mir als ich zum ersten Mal das Werk von Seneca- von der Kürze des Lebens las. 

Das Leben ist nicht kurz- es ist meistens nur schlecht angelegt

Direkt zu Beginn des Werkes stellt Seneca ein grundlegendes Missverständnis mit dem größten Problem, welches es mit dem Leben auf sich hat, fest. Dieses beruht nach Ansicht der meisten Menschen nämlich darauf, dass es zu kurz sei. Seine Korrektur bezog sich somit auf den zeitlichen Aspekt. Folgendes Exzerpt gilt noch heute für mich als Wegweiser. „Aber nein, wir haben keine zu geringe Zeitspanne, sondern wir vergeuden viel davon. Lang genug ist das Leben und reichlich bemessen auch für die allergrößten Unternehmungen – wenn es nur insgesamt gut angelegt würde. Doch sobald es in Verschwendung und Oberflächlichkeit zerrinnt, sobald es für keinen guten Zweck verwendet wird, dann spüren wir erst unter dem Druck der letzten Not „.[8] 

 

2. Abb. Die Witterung überdauernde Flora Quelle: Eigene Darstellung

Fazit

Ich denke nicht, dass Seneca das Zeitmanagement aus heutiger Sicht geläufig war, dient es doch zumeist ökonomischen Gründen. Stellt euch mal bitte eine Zusammenkunft des heutigen Westmenschen (Homo Öconomicus) und Seneca vor, wie das wohl verlaufen wäre? Freilich haben jene unter euch, welche noch Jünger sind, mehr Zeit, sich auf die Weisheiten von Seneca zu besinnen, für mich war es wegweisend. Von daher könnt ihr euch nun einmal selbst fragen, ergibt es wirklich Sinn, wie ihr eure Zeit verwendet? Was sind eure Prioritäten im Leben? Und wenn ihr merkt, dass ihr eine Gewohnheit habt, die euch sehr viel Zeitkosten und mehr schadet als nutzen, dann lasst diese einfach bleiben. Ich weiß, das klingt richtig schwer, aber ich habe trotz Psychologiestudium vier Anläufe benötigt, um mit dem Rauchen aufzuhören. 

Übrigens für alle, die nicht wissen, in welches (Asset) sie am besten investieren sollten. Fangt bei der Gestaltung eurer Zeit an, dann gehören Floskeln wie „keine Zeit haben“ bald der Vergangenheit an. Zeit muss man sich nehmen! Und noch einmal !!!!! Es liegt an euch, wem ihr diese in welchem Maße gewährt. Macht das Beste aus eurer Zeit oder seht dabei zu was diese aus euch macht.

 

[1] Vgl. Wittkowski, J. (2020), 1. Kap. 1. Abs.

[2] Vgl. Frey, D. (2018), 12. Kap. 3.3. Abs.

[3] Vgl. Six, B. (2019), 1. Kap. 1. Abs. 

[4] Eisler, R. Übersetzt Le Bon, G. (2020), S. 72

[5] Vgl. Högemann, A. (2018), 3. Kap. 1. Abs. bis 5. Abs. 

[6] Vgl. Nicolay, N. Antwerpes, F. (2018), 1. Kap. 1. Abs. 

[7] Vgl. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik (2020), 1. Kap. 1. Abs.

[8] Giebel, M. Übersetzt Seneca, A. L. (2020), S. 8

 

Literaturverzeichnis

Frey, D. (2018), Psychologie der Rituale und Bräuche- 30 Riten und Gebräuche wissenschaftlich analysiert und erklärt. (Hrsg.) Springer Verlag. ISBN 978-3-662-56218-5

Giebel, M. Übersetzt Seneca, A. L. (2020), Das Leben ist kurz 2. Aufl. (Hrsg.) Phillip Reclam jun. Verlag. ISBN 978-3-15-011253-3

Högemann, A. (2018), Sterbephasen nach Kübler- Ross (Hrsg.) DocCheck Flexicon. https://flexikon.doccheck.com/de/Sterbephasen_nach_Kübler-Ross   abgerufen am 10.12.2020

Nicolay, N. Antwerpes, F. (2018), Tod (Hrsg.) DocCheck Flexicon. https://flexikon.doccheck.com/de/Tod   abgerufen am 10.12.2020

Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik (2020), Terror-Management-Theorie (Hrsg) Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik enthalten in online- Enzyklopädie aus den Wissenschaften Psychologie und Pädagogik. https://lexikon.stangl.eu/19609/terror-management-theorie/   abgerufen am 10.12.2020

Six, B. (2019), Terror-Management-Theorie (Hrsg.) Dorsch Lexikon der Psychologie. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/terror-management-theorie   abgerufen am 10.12.2020

Wittkowski, J. (2020), Thanatopsychologie (Hrsg.) Lexikon der Psychologie. https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/thanatopsychologie/15519   abgerufen am 10.12.2020


1. Abb. Halb leerer Ast Quelle: Eigene Darstellung

2. Abb. Die Witterung überdauernde Flora Quelle: Eigene Darstellung

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