Für die meisten von uns steht außer Frage, dass der Klimawandel eines der wichtigsten, drängendsten Themen unserer Generation ist. Damit auch unsere Kinder und deren Kinder danach in intakter Natur, mit ausreichend Ressourcen und Artenvielfalt leben können, müssen wir umweltschädliche Gewohnheiten, die häufig von den Generationen vor uns etabliert wurden, ablegen – jeder von uns. Deshalb ist der Begriff Nachhaltigkeit auch allgegenwärtig. Die meisten verstehen darunter Mülltrennung, Ressourcenschonung und Umweltschutz. Was jedoch kaum einer weiß: Nachhaltigkeit hat auch eine soziale Komponente.

Abbildung 1: Soziale Nachhaltigkeit in einer vielfältigen Gesellschaft (Quelle: Freepik)
Nachhaltigkeit – was ist das eigentlich?
Es vergeht kein Tag, an dem nicht von Nachhaltigkeit die Rede ist. Nachhaltiger Konsum, nachhaltige Kleidung, nachhaltige ETFs, nachhaltige Entwicklung – aber was genau versteht man unter diesem Begriff eigentlich, der mittlerweile so inflationär gebraucht wird? Die Umweltschutzorganisation Greenpeace bezeichnet Nachhaltigkeit als eine Lebensweise, bei der mit Ressourcen so umgegangen wird, dass zukünftigen Generationen kein Nachteil dadurch entsteht (Greenpeace, o. D.). Im Wesentlichen sind drei gesellschaftliche Bereiche besonders von nachhaltigem Denken und Handeln betroffen: die Ökologie, die Ökonomie und das Sozialwesen.
Soziale Nachhaltigkeit ist hingegen kaum bekannt
Wenn von sozialer Nachhaltigkeit die Rede ist, geht es darum, dass alle Menschen innerhalb einer Gesellschaft dieselben Möglichkeiten und Chancen bekommen. Das umfasst viele Aspekte. Weitere Beispiele für soziale Nachhaltigkeit ist der komplette Bildungssektor, das Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft für alle Menschen sowie Inklusion (Sustainability Success, 2023).
Soziale Nachhaltigkeit als theoretischer Rahmen
Soziale Nachhaltigkeit umfasst nach Dempsey et al. (2011) Aspekte wie soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Teilhabe und gesellschaftliche Stabilität. Diese Dimension steht im Zusammenhang mit strukturellen Rahmenbedingungen, die lebenslange Entwicklung und gesellschaftliche Integration fördern. Das deutsche Sozialrecht, insbesondere das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), definiert in diesem Zusammenhang die Förderung der „Teilhabe am Arbeitsleben“ (§ 49 SGB IX) als zentrales politisches Ziel.
Werkstätten für Menschen mit Behinderung
Gerade im Bereich Inklusion stellen Werkstätten für Menschen mit Behinderung einen wichtigen Beitrag zur Förderung sozialer Nachhaltigkeit dar. Dort können Menschen arbeiten, die aufgrund ihrer Behinderung noch nicht, derzeit nicht oder allgemein nicht ein allgemeines Arbeitsverhältnis aufnehmen können, sofern sie einige Kriterien erfüllen, beispielsweise darf es zu keiner Eigen- oder Fremdgefährdung durch die Tätigkeit kommen. Die Arbeitsfelder in solchen Werkstätten sind vielfältig: Es gibt unter anderem holzverarbeitende Betriebe, in denen zum Beispiel Möbel oder Spielzeug hergestellt wird, textilverarbeitende Betriebe, in denen genäht oder bedruckt wird oder landwirtschaftliche Betriebe, in denen Lebensmittel angebaut oder Tiere gehalten werden (entia, o. D.a). Dadurch können Menschen mit Behinderung einer Aufgabe nachgehen, die ihren persönlichen Interessen entspricht.
Wie tragen Werkstätten für Menschen mit Behinderung zu sozialer Nachhaltigkeit bei?
Manche Menschen kritisieren, dass Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) das Gegenteil von Inklusion seien, weil sie beeinträchtigte Menschen in speziell für sie gegründeten Einrichtungen beschäftigen. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall.
Ökonomische Relevanz und regionale Wertschöpfung
Neben ihrer sozialen Funktion leisten WfbM einen erheblichen Beitrag zu regionaler Wirtschaftskraft. Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM, 2023) arbeiten rund 320.000 Menschen in Werkstätten. Die Betriebe agieren nicht isoliert, sondern sind in regionale Lieferketten eingebunden und übernehmen Dienstleistungen sowie Produktionsaufträge für Wirtschaft, Kommunen oder öffentliche Einrichtungen. Forschungen zeigen, dass WfbM besonders im Bereich nachhaltiger und regionaler Wertschöpfung – etwa durch soziale Dienstleistungen, Recycling, Montagearbeiten oder ökologische Projekte – eine zunehmende wirtschaftliche Bedeutung haben (Kruse, 2021).
Gesellschaftliche Wirkung und Sensibilisierung
Neben ökonomischen und pädagogischen Aspekten leisten WfbM einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Inklusion. Der World Report on Disability (World Health Organization, 2011) betont, dass gesellschaftliche Teilhabe wesentlich von strukturellen Rahmenbedingungen und Begegnungsmöglichkeiten abhängt. Werkstätten schaffen solche Räume durch Kooperationen, Praktika, öffentliche Veranstaltungen oder Beteiligungsprojekte. Dadurch fördern sie Bewusstseinsbildung, Abbau von Barrieren und gesellschaftliche Solidarität.
Fazit
Werkstätten für Menschen mit Behinderung stellen einen integrativen Baustein sozialer Nachhaltigkeit dar. Sie verbinden soziale, ökonomische und gesellschaftliche Ziele und tragen zur Teilhabe von Menschen bei, die im regulären Arbeitsmarkt oftmals nur begrenzte Zugangschancen haben. Vor dem Hintergrund nachhaltiger Entwicklungskonzepte kommt ihnen eine stabilisierende und inklusionsfördernde Rolle zu, die auch in Zukunft relevant bleibt.
Quellen:
BAG WfbM. (2023). Daten und Fakten zu Werkstätten für behinderte Menschen. Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e. V.
Bundesregierung. (o. D.). Die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele. https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/nachhaltigkeitsziele-erklaert-232174.
Dempsey, N., Bramley, G., Power, S., & Brown, C. (2011). The social dimension of sustainable development: Defining urban social sustainability. Sustainable Development, 19(5), 289–300. https://doi.org/10.1002/sd.417
Entia. (o. D.a). Was sind Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)? https://entia.de/wfbm-wissen/Was-sind-Werkstaetten-fuer-behinderte-Menschen-WfbM.
Greenpeace. (o. D.). Was ist Nachhaltigkeit? Eine Definition. https://www.greenpeace.de/engagieren/nachhaltiger-leben/was-ist-nachhaltigkeit-eine-definition.
Kruse, L. (2021). Ökonomische Bedeutung von Werkstätten für behinderte Menschen im regionalen Kontext. Zeitschrift für Arbeitsmarktforschung, 54(3), 215–230.
SGB IX – Neuntes Buch Sozialgesetzbuch: Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, §§ 49, 57–59.
World Health Organization. (2011). World report on disability. WHO Press.
Quelle Beitragsbild: https://unsplash.com/de/fotos/ein-mann-sitzt-in-einem-rollstuhl-in-einem-raum-FauvKjQSybk
Quelle Abbildung 1: https://de.freepik.com/fotos-kostenlos/vielfaeltige-gemeinschaft-mit-haenden-im-kreis_15669889.htm#fromView=search&page=1&position=4&uuid=fc19613e-3d32-4fc5-a0a4-2124a3a84de3&query=soziale+nachhaltigkeit






