By Published On: 29. April 2021Categories: Gesundheit, Psychologie

Es gibt den bekannten Spruch „was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Doch diese Aussage ist schlichtweg falsch, denn niemand ist zu alt um Neues zu lernen. Auch das Gehirn eines Erwachsenen ist erstaunlich formbar. Zwar scheint der Erwerb neuer Fähigkeiten im Vergleich zu Kindern oft mühevoller, doch selbst im Alter ist es möglich neue Kenntnisse zu erwerben bzw. eine kognitive oder körperliche Leistungssteigerung zu erreichen (Pinter, Weiss, Papousek & Fink, 2014, S. 237). Es ist sogar gut das Gehirn regelmäßig zu fordern. Schon ein moderates kognitives Training kann das Demenzrisiko reduzieren (Kempermann, 2007, S. 47). Menschen bilden durch die geistige Beschäftigung eine neuronale Reserve, wodurch natürliche Verluste im Alter kompensiert werden können (Korte, 2012, Kapitel 4, 45. Absatz). Es stellt sich daher die Frage mit welchen Methoden die kognitive Leistungsfähigkeit unterstützt werden kann?

Die Plastizität des Gehirns

Bevor auf verschiedenste Methoden eingegangen wird, ist es wichtig die Grundlage des Lernprozesses, die Neuronale Plastizität, zu verstehen (Pinter et al., 2014, S. 238). „Neuronale Plastizität beschreibt Veränderungen der Gehirnstruktur und/oder Funktion in Abhängigkeit von Veränderungen im Verhalten, der Umwelt und von neuronalen Prozessen“ (Pinter et al., 2014, S. 238). Diese Veränderungen werden in „restorative“ (z.B. als Folge eines Schlaganfalls) oder „adaptive“ (z.B. durch Lernen) unterteilt. Bedeutsam ist, dass diese ein Leben lang stattfinden (Pinter et al., 2014, S. 238).
Das Gehirn setzt sich aus Milliarden von Nervenzellen (Neuronen) zusammen, welche über ihre Fortsätze komplexe Netzwerke herstellen. Die Nervenzellen können aufgrund hochspezialisierter Kontaktstellen (Synapsen) miteinander kommunizieren (Prang, 2015, S. 1; Kempermann, 2007, S. 41). Dabei hängt die Größe des neuronalen Netzwerks vom Input ab. Denken trägt zur Aufrechterhaltung und Förderung der Neubildung von Neuronen und Synapsen bei (Prang, 2015, S. 1). Bei der Leistungsfähigkeit kommt es nicht nur auf die Zahl der Neuronen an, sondern vor allem auf die gegenseitige Vernetzung der Synapsen. (Herschkowitz, 2008, S. 11). Vor allem neue emotionale oder interessante Themen und Gedanken lösen speziell im Hippocampus eine Entwicklung von Nervenzellen und Synapsen aus. Dieser Vorgang wird als Neurogenese bezeichnet (Prang, 2015, S. 1-2). Es hat sich gezeigt, dass neu gebildete Neuronen wirksamer sind als ältere. Wer also zur Neubildung von Nervenzellen beiträgt, weist auch noch im Alter eine bessere Gedächtnisfunktion auf. So kann der natürliche Abbau von Nervenzellen im Alter kompensiert werden (Korte, 2012, 4. Kapitel, 44.-45. Absatz). Zudem lässt sich durch geistige Beschäftigung die Stabilität der Nervenzellen und Synapsen erzielen. Bei Nichtgebrauch kommt es jedoch zum Abbau. Die Nervenzellen bilden sich zurück und auch die Fortsätze (Dendriten) entwickeln weniger Verzweigungen. Die Dendriten sind für die Signalaufnahme von anderen Zellen verantwortlich. Das Gehirn verhält sich nahezu wie ein Muskel: „Trainiere es oder verliere es“ (Prang, 2015, S. 2).

Methoden, die das Gehirn zum Wachsen bringen

Es gibt Methoden, die zur Stimulierung des Gehirnwachstums, zur Bildung neuer Netzwerke und Verknüpfungen zwischen den Zellen und zur Verbesserung des Informationsaustausches beitragen (Yesil, 2019, S. 62). Einige dieser Methoden sind:

  • Das Erlernen eines Musikinstruments. Eine Aktivität, die das Potenzial hat, die Kognition zu stimulieren und zu erhalten, ist das Musizieren. Studien konnten überzeugende Beweise für die erhöhte Plastizität des Gehirns nach musikalischem Training liefern (Wan & Schlaug, 2010).
  • Sportliche Aktivitäten, wie Tanzen. Eine Studie von Notger Müller zeigt, dass Tanzen im Vergleich zu Fitnesstraining eine signifikante Steigerung des Neuropeptids Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF) auslöste. BDNF ist ein Nervenwachstumsfaktor, der u. a. für die Neurogenese und das Langzeitgedächtnis essentiell ist (tm, 2015).
  • Reisen in neue Städte oder Länder. Dem Gehirn werden aufgrund neuer Umgebungen und Menschen neue Reize zugeführt, die zur Stimulation führen. Dabei müssen keine großen Urlaubsreisen gemacht werden, auch naheliegende Städte oder neue Stadtteile sind dafür geeignet (Yesil, 2019, S. 63).
  • Eine entsprechende Nahrungsaufnahme. Beobachtungen und Befunde weisen darauf hin, dass sich ebenso bestimmte Ernährungsbestandteile positiv auf die Bildung und Aufrechterhaltung von Synapsen auswirken. Daten aus Studien, bei denen Ernährungsfragebögen zum Einsatz kamen, zeigen, dass eine hohe Aufnahme von Obst, dunklem und grünem Blättergemüse, Kreuzblütlergemüse sowie eine geringe Zufuhr von Fisch, rotem Fleisch, Butter, fettreichen Molkereiprodukten und Transfett einen positiven Effekt auf die kognitive Leistungsfähigkeit haben (von Arnim, 2016, S. 25-26).

Fazit

Das menschliche Gehirn verändert sich ständig. Es ist nicht starr organisiert, sondern ein sehr dynamisches System. Das Nervensystem besitzt die Eigenschaft sich nach Läsionen oder Lernprozessen zu verändern und neue Verknüpfungen herzustellen. Diese Eigenschaft wird Plastizität genannt (Müllbacher, 2011, S. 611- 612). Selbst im Alter besteht die Möglichkeit neue Kenntnisse zu erwerben bzw. eine kognitive oder körperliche Leistungssteigerung zu erreichen (Pinter et al. 2014, S. 237). Wer sich Zeit seines Lebens geistig aktiv hält, baut zudem eine kognitive Reserve auf, die im späteren Alter eine bessere Kompensation der Verluste schafft (Korte, 2012, 4. Kapitel, 44-45. Absatz).
Mit den oben aufgelisteten Methoden lässt sich dies umsetzten. Das erlenen neuer Fertigkeiten, wie bspw. Tanzen, Fußball- oder Klavierspielen macht somit nicht nur Spaß, sondern hält auch geistig fit. Wichtig ist, dass man offen für Neues bleibt, d.h. sich immer wieder neue Aufgaben und Informationen sucht. Also raus aus der Routine und rein ins Abenteuer!

Literatur

Herschkowitz, N. (2008). Das Gehirn. Die wichtigsten Antworten. Freiburg im Breisgau: Herder.

Kempermann, G. (2007). Nicht ausgeliefert an Zeit und Welt. Die Plastizität des alternden Gehirns. In P. Gruss (Hrsg.), Die Zukunft des Alterns. Die Antwort der Wissenschaft (S. 35-50). München: C.H. Beck.

Korte, M. (2012). Jung im Kopf. Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden. München: Deutsche Verlags-Anstalt.

Müllbacher, W. (2011). Neuroplastizität. In J. Lehrner, G. Pusswald, E. Fertl, W. Strubreither & I. Kryspin-Exner (Hrsg.), Klinische Neuropsychologie (S. 611-626). Wien: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-0064-6_44.

Pinter, D., Weiss, E. M., Papousek, I. & Fink, A. (2014). Neuroplastizität und Lernen im Alter, Lernen und Lernstörung, 3, S. 237-248. https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000081.

Prang, E. (2015). Gedächtnistraining 50+ planen, durchführen und evaluieren. Wiesbaden: Springer. DOI 10.1007/978-3-658-08487-5.

tm. (2015). Besser als Fitness-Sport: Tanzen hält das Hirn im Alter fit. Heilberufe 67, 22. https://doi.org/10.1007/s00058-015-1789-5.

von Arnim, C. (2016). Vorbeugung von Demenz durch Ernährung. Was ist möglich? Psychiatrie & Neurologie, (S. 25-28).

Wan, C. Y. & Schlaug, G. (2010). Music Making as a Tool for Promoting Brain Plasticity across the Life Span, Neuroscientist, 16(5), S. 566-577.
doi: 10.1177/1073858410377805. Verfügbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2996135/ [17.03.2021].

Yesil, N. A. (2019). Knack dein Gehirn für deinen Erfolg. Berlin: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-59196-3.

Beitragsbild von Gordon Johnson auf Pixabay:
https://pixabay.com/de/vectors/psychische-gesundheit-abstrakt-3285630/
[28.04.2021].

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