Was als Ausgleich für Einschränkungen begann, bietet heute allen NutzerInnen mehr Komfort und Teilhabe. Inklusion wirkt innovationsfördernd und erweitert den Horizont technischer Lösungen.
„Die innovativen Entwicklungen im Bereich assistiver Technik machen deutlich, wie wichtig diese Errungenschaften für Menschen mit Behinderungen sind – und wie die Gesamtgesellschaft davon profitieren kann.“ (Grote in Uszkoreit 2018, S. 160)
Doch was passiert, wenn Sprache selbst zur Barriere wird? Sprachsteuerungssysteme wie Alexa, Siri oder Google Assistant sind zwar allgegenwärtig, aber besonders für Menschen ohne Lautsprache nicht immer zugänglich. Genau hier setzt dieser Beitrag an. Bei der Suche nach zugänglichen Alternativen zur Sprachsteuerung.
Sprache als Barriere – nicht alle können mit Worten reden
Sprachgesteuerte Assistenzsysteme wie Alexa, Siri oder Google Assistant versprechen mehr Komfort, Barrierefreiheit und Selbstständigkeit im Alltag. (Gerlach 2024) Doch was passiert, wenn Menschen keine oder nur eingeschränkte Lautsprache nutzen können. Sei es zu Hause, in Pflegeeinrichtungen oder Bildungseinrichtungen. Sie steuern Musik, Licht oder Haushaltsgeräte und versprechen mehr Selbstständigkeit durch sprachliche Interaktion.
Doch was geschieht, wenn Sprache keine Option ist? Für Menschen mit Aphasien, Autismus-Spektrum-Störungen, Mutismus oder motorischen Einschränkungen kann gesprochene Sprache eine erhebliche Hürde darstellen. Auch bei undeutlicher Artikulation scheitern viele Systeme an der Erkennung. (Ngueajio und Washington 2022) In solchen Fällen bleibt die Nutzung sprachgesteuerter Technologien ausgeschlossen, obwohl gerade diese Personen von mehr digitaler Teilhabe profitieren könnten.
Die verbreitete Annahme, Sprache sei der „natürliche“ Weg der Mensch-Maschine-Kommunikation, ignoriert die Vielfalt menschlicher Ausdrucksformen. Barrierefreiheit beginnt dort, wo Alternativen zur Sprache mitgedacht werden. Sei es über visuelle, taktile oder symbolgestützte Interfaces.
Zugängliche Alternativen zur Sprachsteuerung
Sprachgesteuerte Assistenzsysteme setzen eine klare und verständliche Artikulation voraus. Um diese Hürde abzubauen, gilt es alternative, zugängliche Bedienmöglichkeiten zu schaffen, welche den Komfort und die Selbstständigkeit erhalten.
App-basierte Steuerung
Alle großen Anbieter bieten Apps, um Geräte auch per Touch oder Screenreader zu bedienen. Alexa, Google Home und Apple Home ermöglichen manuelle Steuerung ohne Sprache.(Google.com; Tuohy 2024)
Taster und physische Auslöser
Bluetooth-Buttons wie Flic oder Echo Buttons lösen Routinen mit einem Tastendruck aus. (Flic 2024; Amazon 2025b) Diese physische Alternative ist besonders für Menschen mit motorischen Einschränkungen sinnvoll, da sie Aktionen wie das Einschalten des Lichts oder das Starten eines Lieblingslieds mit einem Tastendruck auslösen können.
Visuelle Interfaces über Smart Displays
Smart Displays wie Google Nest Hub oder Echo Show kombinieren Touchscreen mit visueller Rückmeldung. (Google; Amazon 2025a) Die visuelle Rückmeldung unterstützt Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Höreinschränkungen.
Unterstützte Kommunikation als Brücke
Symbol- und Talker-Apps (z. B. MetaTalkDE, LetMeTalk, Predictable) ersetzen gesprochene Sprache und lassen sich mit Assistenzsystemen koppeln. (Kitzinger 2025; Schmidt; Therapy Box)
Open-Source-Lösungen für individuelle Anpassung
Home Assistant ermöglicht barrierefreie Steuerung mit Eyetracking, alternativen Eingabegeräten oder individuell konfigurierbaren Dashboards. (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik 2024)
Diese Alternativen zeigen, dass auch ohne Sprache Menschen digitale Assistenzsysteme selbstbestimmt nutzen können. Die Vielfalt der Zugänge stärkt die Teilhabe und ist damit ein zentraler Schritt hin zu echter digitaler Inklusion.
Fazit: Sprachsteuerung ist nur dann barrierefrei, wenn sie auch ohne Sprache funktioniert
Sprachassistenten wie Alexa oder Siri gelten als Fortschritt für Barrierefreiheit. Doch wer nicht (deutlich) sprechen kann, etwa Menschen mit Aphasien, Mutismus oder motorischen Einschränkungen bleibt oft ausgeschlossen. Gerade für diese Gruppen ist inklusive Technik aber essenziell.
Alternative Steuerungsmethoden, etwa Apps, Taster, visuelle Interfaces oder Talker-Apps zeigen, Assistenzsysteme lassen sich auch ohne Sprache barrierefrei nutzen. Open-Source-Lösungen wie Home Assistant eröffnen zusätzliche Möglichkeiten individueller Anpassung. Ein Beispiel dafür ist das Projekt SIGNS. Es übersetzt Gebärdensprache in Echtzeit in Steuerbefehle für Sprachassistenten und macht Smart-Home-Technik so auch für gehörlose und nichtsprechende Menschen zugänglich. (SIGNS 2019)
Digitale Inklusion bedeutet Wahlfreiheit. Erst wenn Menschen zwischen Sprach-, Touch- oder symbolgestützter Steuerung wählen können, wird Technik wirklich zugänglich. Barrierefreiheit endet nicht mit Sprache. Sie beginnt dort, wo Vielfalt mitgedacht wird.
Literatur
Amazon (Hg.) (2025a): Bedienungsanleitung Amazon Echo Show 8. Online verfügbar unter https://www.bedienungsanleitu.ng/amazon/echo-show-8/anleitung, zuletzt geprüft am 12.06.2025.
Amazon (Hg.) (2025b): Deinen Echo Button mit deinem Echo-Gerät verbinden. Online verfügbar unter https://www.amazon.de/gp/help/customer/display.html?nodeId=GCF8AZKHDRNN3PUQ, zuletzt geprüft am 12.06.2025.
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (Hg.) (2024): Open Source & Vorabversionen von Betriebssystemen. Online verfügbar unter https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/Verbraucherinnen-und-Verbraucher/Informationen-und-Empfehlungen/Cyber-Sicherheitsempfehlungen/Updates-Browser-Open-Source-Software/Open-Source-Vorabversionen-von-Betriebssystemen/open-source-vorabversionen-von-betriebssystemen_node.html, zuletzt aktualisiert am 04.01.2024, zuletzt geprüft am 12.06.2025.
Flic (Hg.) (2024): Flic | The Smart Button and Dimmer for Lights, Music, Smart Home and more. Online verfügbar unter https://flic.io/, zuletzt aktualisiert am 13.02.2024, zuletzt geprüft am 12.06.2025.
Gerlach, S. (2024): Sprachassistenten: Wie werden sie unseren Alltag verändern? Online verfügbar unter https://gerlach.media/ratgeber/sprachassistent/, zuletzt aktualisiert am Juni 2025, zuletzt geprüft am 04.06.2025.
Google (Hg.): Nest Hub. Online verfügbar unter https://store.google.com/de/product/nest_hub_2nd_gen?hl=de, zuletzt geprüft am 12.06.2025.
Google.com (Hg.): Smart-Home-Geräte steuern, die der Google Home App hinzugefügt wurden. Online verfügbar unter https://support.google.com/googlenest/answer/7073578, zuletzt geprüft am 12.06.2025.
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Ngueajio, M. K.; Washington, G. (2022): Hey ASR System! Why Aren’t You More Inclusive? In: HCI International – Aktuelle Beiträge: Interaktion mit erweiterter Realität und künstlicher Intelligenz. HCII, S. 421–440. DOI: 10.1007/978-3-031-21707-4_30 .
Schmidt, M. App „Let Me Talk“. Online verfügbar unter https://studienseminar.rlp.de/fileadmin/user_upload/studienseminar.rlp.de/fs-kl/DiBi/Karteikarten/DEUTSCH_Let_Me_Talk.pdf, zuletzt geprüft am 12.06.2025.
Therapy Box (Hg.): Predictable Deutsch – Innovative Predictive Text Technology | Therapy Box. Online verfügbar unter https://www.therapybox.co.uk/predictable-deutsch, zuletzt geprüft am 12.06.2025.
Tuohy, J. P. (2024): Apples erstes Smart Display muss das Smart Home einfach funktionieren lassen. Online verfügbar unter https://www.theverge.com/2024/11/22/24302381/apple-smart-display-homepad-smart-home-control, zuletzt aktualisiert am 22.11.2024, zuletzt geprüft am 12.06.2025. Uszkoreit, H. (Hg.) (2018): IT für soziale Inklusion. Digitalisierung – Künstliche Intelligenz – Zukunft für alle. Unter Mitarbeit von K. Grote. Berlin, Germany: De Gruyter. Online verfügbar unter https://library.oapen.org/bitstream/id/08b1ce75-9d44-4393-b0f7-e53bae73429c/9783110561371.pdf.
SIGNS. Der erste Gebärdensprachassistent (2019). Online verfügbar unter https://projectsigns.org/de, zuletzt geprüft am 19.06.2025.
Bildquelle
finger-769300_1280 von Gerald über pixabay online verfügbar unter: https://pixabay.com/de/illustrations/finger-ber%C3%BChren-hand-struktur-769300/ Zugriff am 19.06.2025