By Published On: 4. Dezember 2020Categories: Gesundheit, Management, Pädagogik, Psychologie

Kennen Sie Gedanken die einen starken „muss“-Charakter aufweisen, z.B.: „Ich muss ständig gute Leistungen erbringen“ (sonst bin ich weniger wert), oder „Du musst mich rücksichtsvoll behandeln!“ (sonst wäre das furchtbar)? Vom Prinzip geht es dabei immer um bestimmte Erwartungen, die wir an uns selbst, an andere oder an Ereignisse richten. Damit einhergehend machen wir unser Wohlbefinden mehr oder weniger abhängig von der Erfüllung unserer Vorstellungen, wie etwas sein „sollte“. Tatsächlich fühlen sich 43% der Bevölkerung durch die eigenen Ansprüche an sich selbst gestresst.[1] Je 30% der Arbeitnehmer belasten ein schlechtes Betriebsklima, sowie der emotionale Stress.[2] Wir Menschen besitzen die Tendenz uns psychisch belastet zu fühlen: 1) Wenn etwas „schief“ läuft, oder wir von uns wichtigen Menschen abgelehnt werden; 2) Wenn andere Menschen uns (gewollt oder ungewollt) unfair behandeln; 3) Wenn wir mit Dingen konfrontiert werden, die unangenehm oder schmerzvoll sind.[3] Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie stellt eine Möglichkeit dar, die eigene Sensitivität zu erhöhen und gleichzeitig die Sensibilität zu reduzieren.

Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie

Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) wurde 1955 von dem amerikanischen Psychologen Albert Ellis entwickelt[4] und kann den kognitiven Verhaltenstheorien zugeordnet werden. Die REVT betont den interaktiven Charakter zwischen wahrgenommenen Ereignissen, kognitiven Bewertungen, Emotionen und Verhaltensweisen. Insbesondere wird auf die besondere Rolle, der kognitiven Bewertungen in Bezug auf die psychische Gesundheit bzw. Störung hingewiesen.[5] Die Basis der Theorie bildet das sogenannte ABC-Modell. In Folge eines auslösenden, äußeren und innerpsychischen Ereignisses A (activating event), z.B. dem Tod eines Familienangehörigen, findet auf Grundlage bestimmter bewusster und unbewusster Überzeugungen, Bewertungsmustern, Einstellungen oder Lebensregeln B (belief oder belief systems) eine Bewertung des Ereignisses statt. Diese Bewertung löst als Konsequenz C (consequences), die emotionale Reaktion aus (z.B. Trauer, Wut, Angst, Stress). Es wird angenommen, dass nicht die Situation (A) bestimmt wie wir uns fühlen und verhalten (C), sondern die Bewertung (B) der Situation. Alle bewussten und unbewussten Gedanken zum Zeitpunkt A bestimmen B. Zum einen begrenzen biologische und psychologische Vorgaben die Wahrnehmungsfähigkeit der Situation A, zum anderen unterliegt die Wahrnehmung vielfältigen individuellen Verzerrungen bei der Speicherung, Erinnerung und Verarbeitung von Informationen.[6] In der Theorie spricht man von sogenannten „irrationalen Gedanken“. „Irrational“ wird hier im Sinne von „inappropriate“ als unangemessen, nicht zielführend verstanden.[7] Überzeugungen, die eine auf (Selbst-)Akzeptanz hinführende Lebenshaltung erschweren, lassen sich in drei grundlegende Grundüberzeugungen zusammenfassen:[8]

  • „Ich muss perfekt sein!“
  • „Andere müssen mich zuvorkommend behandeln!“
  • „Die Umstände müssen solcher Art sein, wie ich das will!“

Intervention und Wirkung

Die Essenz der Rational-Emotiven Verhaltenstheorie bildet das ABCDE-Modell. Es wird angenommen, dass neben den äußeren Umständen und Anforderungen, es vor allem unsere Gedanken, Gedankenmuster und Wertvorstellungen sind, die zu dem Erleben von Leistungsstress führen. In einer Intervention geht es zunächst um die Vermittlung des Grundschemas des Modells. Das Ziel besteht darin irrationale, dysfunktionale Denkmuster aufzudecken und innerhalb einer rationalen Diskussion D (disputation) dem Betroffenen bewusst zu machen. In einem weiteren Schritt geht es darum neue Kognitionen, sowie konstruktivere Bewältigungsstrategien aufzubauen. Somit sollen angemessene Verhaltenskonsequenzen entsprechend eines funktionalen Gefühlserleben ermöglicht werden E (effect).[9] Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie als Gruppentraining zählt zu den wissenschaftlich gut fundierten und evaluierten Stressbewältigungstrainings.[10] In unterschiedlichen Studien konnten unterschiedliche Effekte beobachtet werden. Innerhalb einer Studie wurde beispielsweise ein positiver Einfluss auf die Wahrnehmung der Mitarbeiter auf das Organisationsklima, als auch signifikante Verbesserungen in Bezug auf Aktivitäten des beruflichen Risikomanagements beobachtet.[11] In verschiedenen Meta-Analyse konnten signifikante Effekte bezüglich der Reduktion von arbeitsbezogenen Stress herausgestellt werden.[12]

Fazit

Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie bietet sich an, um die eigenen Glaubenssätze zu reflektieren und diese bewusst in eine konstruktive, zielführende Richtung zu lenken. Das Verständnis für die eigenen Denkweisen und Emotionen kann zudem das Verständnis für die Emotionen und Glaubenssätze der Mitmenschen stärken. Insbesondere, da sich ein großer Teil der Bevölkerung durch die hohen Ansprüche an sich selbst, den emotionalen Stress, als auch durch das Arbeitsklima belastet fühlt, könnte sich dieser Ansatz zur Stressbewältigung im Beruflichen, wie auch im Privaten anbieten. Interessant ist zudem der Einsatz dieses Ansatzes im Bereich der Führungskräfteentwicklung. Nach Daniel Goleman besitzen gute Führungskräfte die Fähigkeit die Emotionen der Mitarbeiter in eine positive Richtung zu lenken.[13] Den Führungskräften wird ihm nach, ein erheblicher Einfluss beigemessen. Die Steuerung der eigenen Stimmung bildet die Basis.[14]

[1] Vgl. pronova BKK (2018), S. 6.

[2] Vgl. pronova BKK (2018), S. 6.

[3] Vgl. Vorwort von Dieter Schwartz zu Ellis (2006), S. 15.

[4] Vgl. Ellis/Dryden (2007), S. 1.

[5] Vgl. Ellis/Dryden (2007), S. 5.

[6] Vgl. Rusch (2019), 69, 70.

[7] Vgl. Ellis/Hoellen (1997), S. 14.

[8] Vgl. Jong-Meyer (2009), S. 612.

[9] Vgl. Winiarski (2004); Rusch (2019), S. 72.

[10] Vgl. Rusch (2019), S. 74.

[11] Vgl. Ogbuanya et al. (2017), S. 1.

[12] Vgl. van der Klink et al. (2001), S. 270; Richardson/Rothstein (2008), S. 69.

[13] Vgl. Goleman et al. (2002), S. 19, 20, 21.

[14] Vgl. Goleman et al. (2002), S. 38.

 

Literatur

Ellis, A. (2006), Training der Gefühle. Wie Sie sich hartnäckig weigern, unglücklich zu sein, München.

Ellis, A./Dryden, W. (2007), The practice of rational emotive behavior therapy, 2. Aufl., New York.

Ellis, A./Hoellen, B. (1997), Die rational-emotive Verhaltenstherapie. Reflexionen und Neubestimmungen, München.

Goleman, D./Boyatzis, R. E./McKee, A. (2002), Emotionale Führung, München.

Jong-Meyer, R. de (2009), Kognitive Verfahren nach Beck und Ellis. In: Margraf, J./Schneider, S. (Hrsg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie. Band 1: Grundlagen, Diagnostik, Verfahren, Rahmenbedingungen, 3. Aufl., Berlin, Heidelberg, S. 611–627.

Ogbuanya, T. C./Eseadi, C./Orji, C. T./Ede, M. O./Ohanu, I. B./Bakare, J. (2017), Effects of rational emotive occupational health therapy intervention on the perceptions of organizational climate and occupational risk management practices among electronics technology employees in Nigeria, Medicine, 96. Jg., Nr. 18, e6765.

pronova BKK (2018), Betriebliches Gesundheitsmanagement 2018. Ergebnisse der Arbeitnehmerbefragung Februar 2018.

Richardson, K. M./Rothstein, H. R. (2008), Effects of occupational stress management intervention programs: a meta-analysis, Journal of occupational health psychology, 13. Jg., Nr. 1, S. 69–93.

Rusch, S. (2019), Stressmanagement. Ein Arbeitsbuch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung, 2. Aufl., Berlin.

van der Klink, J. J./Blonk, R. W./Schene, A. H./van Dijk, F. J. (2001), The benefits of interventions for work-related stress, American journal of public health, 91. Jg., Nr. 2, S. 270–276.

Winiarski, R. (2004), Beratung und Kurztherapie. Mit kognitiver Verhaltenstherapie, Weinheim.

 

Bildquelle:

Mädchen Traurig Porträt – Kostenloses Foto auf Pixabay

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