Die Wahrscheinlichkeit einmal in seinem Leben an einer Angsterkrankung oder Panikstörung zu erkranken, liegt bei 25% ( Focus,2011). 

Klara Hanstein, die Autorin des Buches „Liebe ANGST, halt doch mal die Klappe“ hat selbst jahrelang an einer Angst- und Panikstörung gelitten. Als klinische Psychologin und Psychotherapeutin bietet sie nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch ihre eigenen Erfahrungen als ehemalige Betroffene an. Ihre jahrelange Reise, die geprägt war von Kämpfen gegen die Angst, hat sie dazu geführt, neue und andere Wege zu finden, mit ihrer Angst umzugehen, die sie in ihrem Werk teilt. Das Buch besteht aus drei Hauptkapiteln, die sich jeweils mit dem Körper, den Gefühlen und den Gedanken befassen. In jedem Kapitel stellt sie acht praktische Tools vor, die den Lesern dabei helfen können, sich  ihren eigenen Ängsten zu stellen.

Einleitung

„Wenn Angst dein Leben bestimmt, bist du hier richtig“ (Hanstein,2023, S.4). Das ist der erste Satz, mit dem Klara Hanstein ihr Buch beginnt. Sie erzählt ihre persönliche Geschichte mit ihrer Angst- und Panikstörung und reflektiert über die Herausforderungen, die sie dadurch in ihrem Leben erlebt hat. Sie selbst als klinische Psychologin und Psychotherapeutin, erlebte nach ihrer ersten heftigen Panikattacke eine signifikante Veränderung in ihrem Leben, die ihren Körper in ständige Alarmbereitschaft versetzte. Das führte dazu, dass sich die Angst und Panik auf verschiedenste Lebensbereiche ausbreitete und sie irgendwann so stark eingeschränkt war, dass sie ihren Alltag nicht mehr bewältigen konnte. 

Hanstein musste daraufhin erkennen, dass der Kampf gegen die Angst keinen Erfolg bringt und das Gefühl der „Lebensgefahr“ (Hanstein,2023,S.6) eine Fehlzündung ihres Gehirns ist. Sie beschließt alles auf Anfang zu stellen und beginnt sich intensiv mit den Mechanismen von Angst und Panik auseinander zu setzen. Daraus entwickelte sie Strategien, um die Kontrolle über ihre Gedanken, Gefühle und ihren Körper zurückzugewinnen.

Hanstein spricht den Leser direkt an und vermittelt eine hoffnungsvolle und ermutigende Botschaft, sich den eigenen Ängsten zu stellen und den Weg der Heilung gemeinsam zu gehen „Wir schaffen das“ (Hanstein, 2023, S.9).

Hauptteil

1. Kapitel „Lieber Körper, komm zur Ruhe“

Im ersten Kapitel thematisiert Hanstein die Rolle des Körpers bei Angst- und Panikreaktionen. Sie betont, dass bei einer Angstbewältigung oft der Fokus auf die Gedanken und Gefühle gelegt wird, ohne körperliche Reaktionen zu berücksichtigen. Körperliche Reaktionen wie eine erhöhte Herzfrequenz, ein flacher Atem oder die Anspannung der Muskeln sind Überlebensmechanismen, die unseren Körper auf einen Kampf oder Flucht vorbereitet. Die Autorin betont dabei, dass diese körperlichen Reaktionen wichtig und normal sind, um unser Überleben als Menschen zu sichern. Bei einem Fehlalarm, wie es bei einer Angst- oder Panikattacke der Fall ist, versuchen viele Menschen sich dagegen zu wehren, die körperlichen Reaktionen bestenfalls zu unterdrücken, was diese nur noch mehr verstärkt ( Hanstein, 2023,  S.25). Hanstein gibt 8 Tools zur Hand, in welchen sie  Betroffenen aufzeigt, wie sie auf der Körperebene wieder Ruhe in ihr System bringen können. Für einen besseren Einblick werde ich bei jedem Kapitel zwei Tools beschreiben. 

Tool #1: Gezielt Entspannen: 

Hanstein beschreibt  eine Situation, in der man vor einem Schaufenster steht und plötzlich einen lauten Knall hört. In diesem Moment entstehen körperliche Reaktionen, das Herz schlägt schneller und die Muskeln spannen sich an. Beim Umdrehen zu dem lauten Knall, stellt man fest, dass nur ein Luftballon geplatzt ist. Die Angstzentrale stuft die Situation als ungefährlich ein und sendet eine Entwarnung an das Nervensystem, der Körper entspannt sich. Hanstein betont, dass diese Anspannung im Falle einer Gefahr lebensnotwendig ist, weil unser Körper für uns ist und uns schützen möchte. Indem man bewusste Lockerheit und Entspannung in den Körper zurückbringt, kann die Angstreaktionen umkehren und zur Ruhe zurückfinden. Bewusstes Atmen und ein Entspannen der Muskeln können dabei hilfreich sein. 

Tool #5: Ein Schritt auf die Angst zugehen:

In diesem Tool erklärt Hanstein, dass das unangenehme Gefühl, welches durch die Angst entsteht, häufig zu einer Vermeidung führt, sich bestimmten unangenehmen Situationen nicht mehr zu stellen. Durch das Vermeiden breitet sich die Angst immer weiter auf die verschiedensten Situationen und Lebensbereiche aus. Hanstein ermutigt Betroffene, sich Schritt für Schritt den Ängsten zu stellen. Durch Beruhigungsmethoden und Gedanken „Ich bin viel stärker als das“ (Hanstein, 2023, S.47) und durch klare Zielsetzungen  vor der Konfrontation, die individuell festgelegt werden können,   gibt Hanstein die Motivation, aus der Vermeidung herauszugehen und sich den Angstsituationen zu stellen.

2. Kapitel: „Liebe Gefühle ihr könnt mir nichts tun!“

Im zweiten Kapitel beschreibt die Autorin wie die Emotion Angst sich auf die Gefühle auswirkt. Sie bezeichnet das Gefühl der Angst als „überlebenswichtig“(Hanstein,2023, S.68) und beschreibt, dass die Angst ein sehr „schnelles Gefühl“ ist. Das schnelle Gefühl ist überlebenswichtig in einer Kampf- oder Fluchtsituation. Unsere Vorfahren hatten keine Zeit für rationale Überlegungen, da in Gefahrensituation sofortige Entscheidungen erforderlich waren, um ihr Überleben zu sichern. 

Wie kann es also Betroffenen gelingen, dieses schnelle und überlebenswichtige Gefühl, bei einer Angstsituation zu beruhigen?

Tool #9: Wundermittel Geborgenheit & Sicherheit

Die Arbeit mit dem inneren Kind ist durch die Bestsellerautorin und Psychotherapeutin Stefanie Stahl in aller Munde. Klara Hanstein betont bei dem erfolgreichen Umgang mit der Angst etwas ähnliches, was  sie als „Nehm dich selbst an die Hand“ bezeichnet

(Hanstein, 2023, S.75). Die Autorin ermutigt in Angst- und Paniksituationen mit sich selbst so umzugehen und zu sprechen, wie man mit einem ängstlichen Kind sprechen würde. Die Geborgenheit und Sicherheit, die man sich selbst dadurch geben kann, wirkt sich beruhigend auf die Angst und das Nervensystem aus. Durch eine Angsterkrankung besteht häufig ein Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, keine Macht mehr zu haben und dem ganzen ausgeliefert zu sein. In solchen Momenten kann es sehr unterstützend sein, sich selbst zu ermutigen und für sich selbst da zu sein. Diese innere Stärkung kann entscheidend zur Bewältigung von Ängsten beitragen.

Tool #14: Schluss mit der Fiesen Angst vor der Angst

Die Erwartungsangst ist für viele Angstbetroffene schlimmer als die Angstsituation selbst. Die Gedanken kreisen ständig um das Ereignis X, in welchem zu befürchten ist, dass die Angst kommt. Dadurch ist das Nervensystem in ständiger Alarmbereitschaft und der Cortisol-Spiegel steigt immer mehr an. Die negative  Gedankenspirale, was alles im Worst-Case-Szenario passieren könnte, kann sogar in einer Panikattacke enden, obwohl die Situation noch gar nicht da ist. Der Körper reagiert dann so, als sei die Angstsituation schon da, obwohl man auf dem Sofa zuhause sitzt. 

Als ein weiteres Beispiel, das die Autorin anführt, ist die Erfahrung im Kino während eines Horrorfilms. Man schaudert sich und hat Angstreaktionen, obwohl es nur ein Film ist. Dies geschieht, weil das Gehirn sowie die körperliche Reaktion nicht zwischen einer echten Bedrohung und einer filmischen Darstellung unterscheiden können. Es ist erst das rationale Denken, das sich einschaltet und diese körperlichen Reaktionen allmählich abschwächt. Das 14. Tool von Hanstein beschreibt die Notwendigkeit, sich immer wieder in das Hier und Jetzt zurückzuholen und einen Realitätscheck zu machen. Denn nur so kann man wieder in die eigene Handlungsfähigkeit  gelangen.

3. Kapitel: „Liebe Gedanken, ich glaube euch nicht alles“

„Gedanken sind keine Tatsachen“ (Hanstein,2023, S.118) mit dieser Aussage, beginnt Hanstein ihr letztes Kapitel in ihrem Buch. Wenn wir daran denken, in eine Zitrone zu beißen, kann das körperliche Reaktionen auslösen. Das passiert auch, wenn wir auf jemanden wütend sind, und uns über die Person Gedanken machen. Bei Angstgedanken ist es jedoch wichtig, die Macht der Gedanken für sich und den Umgang mit Ängsten und Panik zu nutzen. Dabei geht es nicht darum „einfach nur positiv zu denken“ ( Hanstein,2023, S.120), sondern vielmehr sich dabei zu ertappen, wenn man in alte Gedankenspiralen einsteigt und sich daran zu erinnern, dass es auch andere Gedankennetzwerke gibt, in welche man einsteigen kann. 

Tool #17:Angstgedanken auf dem Prüfstand

In diesem Tool beschreibt Hanstein, dass „wir nicht alles glauben dürfen, was wir denken“ (Hanstein,2023,S.129). Der Mensch hat zwischen 60 000 und 80 000 Gedanken täglich. Viele davon nicht mal bewusst. Hanstein fordert, die Angstgedanken auf den Prüfstand zu stellen und sich dabei zu fragen, wieviel Wahrheit tatsächlich darin steckt. Gedanken sind nur Vorschläge, welche man annehmen oder ablehnen kann. Sie betont dabei, dass es nötig ist, sich zurückzuholen, der eigene Chef in seinem eigenen Kopf zu sein und selbst zu bestimmen, welche Gedanken geglaubt werden dürfen und welche nicht.

Tool #18:Neutraler Beobachter sein 

„Beobachten statt Kämpfen- das ist ein neuer Weg, mit Angstgedanken umzugehen“ (Hanstein,2023, S.132). Die Autorin beschreibt, dass eine Außenperspektive der eigenen Gedanken, es möglich machen, die Bewertung zu verändern. Sie betont dabei auch, dass ein Gedanke nur dann so mächtig wird, weil er bewusst ausgewählt wird und versucht gegen ihn anzukämpfen. Die bewusste Frage „was wäre dieser Gedanke ohne meine eigene Bewertung ?“ kann dabei hilfreich sein, die Angst nicht zu groß werden zu lassen. Bei einer Meditation, die darauf abzielt, Gedanken zu erkennen und sie loszulassen, übt man die Rolle des „neutralen Beobachters“. In diesem Prozess geht es darum, die eigenen Gedanken wahrzunehmen, ohne sich mit ihnen zu identifizieren oder ihnen zu viel Bedeutung beizumessen.

Fazit 

In „Liebe Angst, halt doch mal die Klappe“ kombiniert Klara Hanstein als klinische Psychologin und Psychotherapeutin  ihre fachlichen Erkenntnisse mit ihren persönlichen Erfahrungen als ehemalige Betroffene von einer Angst- und Panikstörung. Diese einzigartige Perspektive verleiht dem Buch Authentizität und Tiefe, da Klara Hanstein nicht nur theoretisches Wissen vermittelt, sondern auch ihre eigene Geschichte mit allen Höhen und Tiefen in der  Angstbewältigung teilt.

Hanstein bietet 24 praktische Tools an, die Lesern helfen, ihre Ängste zu verstehen und aktiv zu bearbeiten. Ihre persönlichen Erzählungen motivieren, sich den eigenen Ängsten zu stellen und ihre direkte Schreibweise gibt ein Gefühl von tiefem Verständnis und Nahbarkeit. 

Mit ihrem ganzheitlichen Ansatz, der Körper, Emotionen und Gedanken einbezieht, ermutigt Hanstein Leser dazu, sich ihrer Angst zu stellen und Vertrauen in sich selbst wieder zu erhalten. „Liebe Angst, halt doch mal die Klappe“ ist somit ein inspirierendes und aufbauendes Werk, das Hoffnung und praktische Unterstützung für alle bietet, die sich ihrer Angst- und Panikstörung stellen möchten. Im September 2025 erscheint ihr zweites Buch „Hey Panik, komm mal wieder runter!“, in dem sie erneut Erfahrungen und bewährte Strategien zur Bewältigung von Panikattacken teilt.  Ihr erstes Buch hat mir persönlich sehr gut gefallen und ich kann es definitiv weiterempfehlen, sowohl für Betroffene als auch für Angehörige und für Menschen mit Interesse an psychologischen Themen.

Literaturverzeichnis

Focus (2011). Bevölkerungsanteil mit Angststörungen ( Lebenszeitprävalenz) in Statista. Zugriff am 14.Juli 2025, über https://de.statista.com/statistik/daten/studie/182616/umfrage/haeufigkeit-von-angststoerungen/

 Hanstein K.(2023), Liebe ANGST halt doch mal die Klappe! , 13. Auflage, München.

Titelbildquelle

Titelbild von Geralt, veröffentlicht am 30. August 2017, Zugriff am 07.08.2025, verfügbar unter

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