Im ersten Teil des Textes wurden die vielfältigen Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit der Menschen kurz erläutert, unter anderem anhand des Konzepts der Gesundheitsdeterminanten nach Dahlgreen und Whitehead (1991). Speziell auf die Risikofaktoren Hitze, Infektionskrankheiten, Allgerene und psychische Erkrankungen wurde im Kontext Arbeit näher eingegangen. Das betriebliche Gesundheitsmanagement gilt dabei als geeignetes Handlungsfeld. Im zweiten Teil werden daher die möglichen Ansatzpunkte näher beschrieben.
Planetary Health und BGM
Das wissenschaftliche Konzept Planetary Health beschreibt die Abhängigkeit der Gesundheit der Menschen von der Gesundheit der Ökosysteme. Dies bedeutet, dass Menschen nur gesund sein können, wenn die Erde sich in einem gesunden Zustand befindet. Nicht nur die Klimakrise bedroht die Gesundheit des Menschen, da weitere Umweltkrisen wie die Biodiversitätskrise, die Bedrohung der Meere und Küsten sowie die Luftverschmutzung weiter zunehmen. Die Metadisziplin Planetary Health gibt vor, dass eine größtmögliche Perspektive als Antwort eingenommen wird, sodass es realisierbar ist, auf die komplexen Problematiken reagieren zu können. Unteranderem werden politische, wirtschaftliche und soziale Systeme in den Blick genommen, sodass Umweltbedingungen geschaffen werden, in denen der Mensch leben kann.
Planetary Health ist abgeleitet von dem Konzept der „Planetaren Grenzen“ (Rockström, 2009), also dem Leben innerhalb den Belastungsgrenzen der Umwelt, sodass eine Stabilität der Ökosysteme der Erde gegeben ist, sodass Energie, Wasser und Nahrungsmittel als gesichert gelten. Die Planetaren Grenzen umfassen insgesamt 9 Schlüsselfaktoren für die Erdgesundheit. Dazu zählen Verlust der Artenvielfalt, Klimawandel, biogeochemische Kreisläufe, Abbau der Ozonschicht, Abholzung und Änderung der Landnutzung, Ozeanversauerung, Süßwassernutzung, Belastung der Atmosphäre mit Aerosolen und Freisetzung von neuartigen Stoffen. Insbesondere der Klimawandel und der Verlust der Biodiversität stellen die zwei bedeutendsten Schlüsselfaktoren der Erdgesundheit dar und sich in einem kritischen Zustand.
Die Planetary Health Perspektive lässt sich anhand bestehender Prozesse und Strukturen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements unabhängig von Branche auf allen Ebenen von Unternehmen umsetzen. Eine Reduktion gesundheitlicher Belastungen am Arbeitsplatz sowie eine Stärkung physischer uns psychischer Resilienz der Arbeitnehmenden wird hierbei angestrebt.
Klimasensibler Arbeitsschutz
Aufgrund der gesetzlichen Verankerung von Arbeitsschutz kann großes Potential für Transformation dort angesiedelt werden. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung in Betrieben sollte die Klimakrise mit ihren Auswirkungen Beachtung finden und in vorhandene Prozesse zur Beurteilung und Planung von Maßnahmen miteingebunden werden. Um Gesundheitsgefahren durch Hitze am Arbeitsplatz nicht zu unterschätzen, wird empfohlen, Hitzeaktionspläne in das betriebliche Gesundheitsmanagement zu implementieren. Indem Aufgaben und Veranwortlichkeiten in Unternehmen bei Hitzewarnungen klar definiert werden, kann ein breites Grundverständnis für Hitze im Betrieb geschaffen werden.
Klimagesunde Settingprävention und Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz
Die Planetary Health Ansatz kann in bestehende Strukturen, Prozesse und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung umgesetzt werden. Klimafreundliche und gleichzeitig gesundheitsfördernde Lebensstilveränderungen können miteinander kombiniert werden, wie es beispielsweise bei aktiver Mobilität durch das Fahren mit dem Rad zur Arbeit der Fall ist. Betriebliche Rahmenbedingungen können durch Angebote für Jobrad, Abstellmöglichkeiten für Räder oder Förderung des ÖPNV durch Jobtickets gewährleitet werden.
Aber auch die Förderung von pflanzenbasierte Ernährung am Arbeitsplatz kann angeführt werden. Durch Gesundheitstage oder Kochkurse können die Vorteile zur pflanzenbasierten Ernährung vermittelt werden. In der unternehmenseigenen Kantine kann durch entsprechende Kennzeichnung (Nudging) oder die Preisgestaltung Anreize für eine klimafreundliche, gesunde Ernährung geschaffen werden. Ein weiterer großer Aspekt ist die Beratung von Unternehmen in Bezug auf eine klimasensible, gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung. Hierzu zählen beispielsweise das Planen von weiteren Pause bei Hitzewellen oder die Änderung von Schichtdienstplanung.
Klimasensibles Wiedereingliederungsmanagement
Als Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagement ist das betriebliche Eingliederungsmanagement ebenfalls klimasensible einzurichten. Um bei der Wiedereingliederung nach Arbeitsunfähigkeit langfristig die Gesundheit der Mitarbeitenden zu fördern, gilt es vor allem vulnerable Arbeitnehmer:innen zu schützen. Bestehende chronische Erkrankungen können sich durch die Klimakrise verschlechtern, sodass Präventionsmaßnahmen zum Schutz gefordert sind.
Klimasensible Unternehmenskultur und Organisationsentwicklung
Um hinsichtlich aufkommende Krisen besser gewappnet zu sein, wird für Unternehmen empfohlen, eine resiliente und innovationsbereite Unternehmenskultur zu schaffen. Die Integration von Strukturen wie Corporate Social Responsibility, Nachhaltigkeitsmanagement oder die Verpflichtung zur Gemeinwohlökonomie können als Umsetzung in die Praxis angeführt werden. Zusätzlich kann die Gesundheit der Beschäftigten im Unternehmensleitbild verankert werden, wobei Planetary Health genutzt werden kann, Nachhaltigkeit, Gemeinwohl und Gesundheit miteinander zu vereinen. Eine veränderte Unternehmenskultur kann dazu beitragen, Wertvorstellungen, Normen, Denk- und Verhaltensmuster innerhalb des Unternehmens dahingehend anzupassen, dass ein Wirtschaften im Rahmen der planetaren Grenzen statt findet und so die Gesundheit und die Lebengrundlagen geschützt werden.
Möglichkeiten und Grenzen
Aktuell finden sich nur wendige Handlungs- und Anwendungsempfehlungen bezüglich Klimawandel und Arbeitswelt, was auch auf ein lückenhaftes Regelwerk zurückzuführen ist. Damit eine breit angelegte Umsetzung eines klimasensiblen betrieblichen Gesundheitsmanagement in Unternehmen etabliert wird, muss der Reglungsrahmen systematisch bewertet und von Sozialversicherungsträger und Politik mögliche Anreizsysteme diskutiert werden.
Um eine Sensibilisierung und Verbreitung an Wissen bei den Fachkräften voranzutreiben, gilt es Fort- und Weiterbildungsangebote anzubieten. Das Verständnis für den Zusammenhang von menschlicher Gesundheit und intakten Ökosystemen gilt es in allen Bereichen von Unternehmen zu verbreiten, wobei das BGM der Ausgangspunkt sein kann. Nur so können Gefahren der Klimakrise und protektiven Verhaltensmaßnahmen in Betrieben und öffentlichen Einrichtungen sachgemäß erkannt werden.
Fazit
Um die Gesundheit der Beschäftigten im Rahmen der Klimakrise in der Arbeitswelt zu schützen, kann klimasensibles betriebliches Gesundheitsmanagement vielfältige Möglichkeit zum Handeln bieten. Durch die Integration des Konzeptes Planetary Health, welches besagt, dass die menschliche Gesundheit an gesunde Ökosysteme der Erde gebunden ist, kann eine langfristige Ausrichtung von Unternehmen auf Gesundheitsschutz gelingen. In der Praxis kann die Umsetzung in Form von klimagesunden Arbeitsschutz, Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz, klimasensiblen Eingliederungsmanagement und klimasensibler Unternehmenskultur und Organisationsentwicklung gelingen. Notwendig für die Realisierung ist dabei eine Überarbeitung von Regelwerken sowie die Verbreitung der Kenntnisse durch entsprechende Fort- und Weiterbildungsangebote.
Literaturverzeichnis
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Günster, C., Klauber, J., Robra, B.-P., Schmuker, C. & Schneider, A. (Hrsg.). (2021). Versorgungs-Report – Klima und Gesundheit. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Bildnachweis Titelbild: https://pixabay.com/de/photos/arbeitsschutz-schild-blau-1040512/