By Published On: 5. Januar 2021Categories: Gesundheit

Nutzen Sie auch Gesundheitsportale im Internet? Ein neues evidenzbasiertes Portal geht ins Netz

 „Wer Gesundheit googelt, soll künftig auf dem Nationalen Gesundheitsportal landen.“[1] Die Tatsache, dass zum Thema „Corona“ im Jahr 2020 viele falsche und verunsichernde Inhalte im Internet zu finden waren, und das Thema Infektionsschutz bei dieser Viruserkrankung viel zu hoch ist, um auf seriöse Informationen zu verzichten, war Grundlage für die Überlegungen des Bundesministeriums für Gesundheit, ein wissenschaftlich fundiertes Portal mit studienbasierten Informationen zum Thema Gesundheit zu einzurichten.[2]

Neues Portal

Der derzeitige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat ein neues Internetportal zum Thema Gesundheit angekündigt, das zum September 2020 umgesetzt wurde und barrierefrei nach BITV 2.0 und technisch auf dem aktuellsten Stand online gegangen ist:  Unter www.gesund.bund.de sollen alle Bürgerinnen und Bürger schnell, sicher, gut verständlich, inhaltlich kompetent und werbefrei wissenschaftlich fundierte Informationen zu allen Themen rund um Gesundheit und Pflege, zu Therapiemöglichkeiten und zu weiteren ausgesuchten Gesundheitsthemen erhalten können.[3]  Betreiber des Portals ist das Bundesgesundheitsministerium gemeinsam mit wissenschaftlichen Partnern wie das Robert-Koch-Institut (RKI), das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Die weiße Liste unterstützt die Nutzer/innen bei der Arzt- bzw. Krankenhaussuche. Ausgewiesene Fachleute bestehend aus Redakteurinnen und Redakteuren mit medizinischem und gesundheitswissenschaftlichem Hintergrund und aus Redakteuren mit Erfahrung bei der Erstellung von anschaulich gestalteten Medien unterstützen mit Informationen zu speziellen Gesundheitsthemen. Alle Prozesse und Quellen zur Erstellung der Inhalte sind geprüft und im Portal ausgewiesen.[4] Die Inhalte bei gesund.bund.de umfassen zurzeit etwa 200 der häufigsten Erkrankungen und sie sollen fortlaufend erweitert werden, um das Portal zu einer zentralen Anlaufstelle für verlässliche Gesundheitsinformationen zu machen.[5]

Nutzen und Schaden der Internetrecherche

 

Da in Europa immer häufiger im Internet zum Thema „Gesundheit“/“Krankheit“ gegoogelt wird,[6]  in Deutschland etwas mehr als die Hälfte der Befragten sich zumindest einmal im Monat im Netz informiert (53 %), jeder Sechste sogar einmal oder öfter pro Woche, ist das Ziel, ein Gesundheitsportal mit wissenschaftlich seriösen Inhalten zu schaffen, von großer Bedeutung.[7]

Abbildung 1: Häufigkeit der Internetnutzung bei Gesundheitsfragen

Quelle: Bertelsmann Stiftung (2018): Das Internet: Auch Ihr Ratgeber für Gesundheitsfragen? Bevölkerungsumfrage zur Suche von Gesundheitsinformationen im Internet und zur Reaktion der Ärzte, Gütersloh, S. 12

Was bietet das Internet zurzeit zum Thema Gesundheit?

Dies sind zum einen Informationen aus fachlich – wissenschaftlich fundierten Quellen, aber auch Unmengen an unseriösen und spekulativen Informationen.  Dazu kommen zahlreiche persönliche, höchst individuelle Krankheitsberichte und Kommentare sowie Empfehlungen aus Chatforen und unseriösen Blogs.

Das Internet und die Internetrecherche zum Thema Krankheit kann hilfreich sein zur Einordnung und zur ersten Auseinandersetzung mit Krankheitssymptomen. Außerdem macht es möglich, konkrete Fragen zu medizinischen Begriffen oder inhaltlichen Unklarheiten vor bzw. nach einer Arztkonsultation unkompliziert und schnell zu klären. Viele Nutzer/innen möchten eine Diagnose besser verstehen oder einfach nur wissen, wie sie ihr Gesundheitsverhalten verbessern können.[8]

Aber die Wirkung dieser Angebote im Netz ist dagegen bei Personen mit einer erhöhten Krankheitsangst, die nach aktueller Definition als Kernsymptom einer Hypochondriediagnose gilt,[9] meist eher bedenklich: Die Recherche im World Wide Web verstärkt bei diesen Personen die starke Krankheitsangst oder löst diese sogar erst aus. Das betrifft sowohl Personen mit somatoformer Komponente: mit einem  Leiden an medizinisch nicht erklärbaren Symptomen, als auch Personen mit einer Angstkomponente, die überzeugt sind, an einer bestimmten, schweren Krankheit zu leiden.[10]

Das Modewort „Cyberchondrie“ wurde in diesem Zusammenhang geprägt. Zwar gibt es dazu noch nicht sehr viele genaue Untersuchungen und der Begriff ist nicht wissenschaftlich unterlegt,[11] doch vermutet man, dass diese Betroffenen durch die Informationen aus dem Internet noch mehr Ängste und Sorgen bis hin zu schweren Panikzuständen erleben.[12] Sicherheitssuche spielt bei Personen mit ausgeprägten Krankheitsängsten eine wichtige Rolle. Die Sicherheit, dass die jeweils individuell vorhandenen Symptome harmlos sind, soll durch Recherche im Netz erreicht werden- was aber meist durch widersprüchliche– oder sogar falsche- Informationen tatsächlich eine noch größere Verunsicherung verursacht. Den Satz: „Ihre Beschwerden sind vermutlich – wie in den meisten Fällen- völlig unbedenklich“, wird man in Internet eher nicht finden.[13]

Die Informationsflut im Netz beunruhigt gerade diese Betroffenen immer mehr, und treibt sie als Informationssuchende dazu, immer weiter und immer exzessiver zu recherchieren.[14]

Abbildung 2: Beschreibung der Krankheitsangst auf vier Ebenen

Eigene Darstellung in Anlehnung an: Bleichardt, G. / Martin, A. (2017): Krankheitsängste erkennen und bewältigen, Göttingen, S. 11

Die vier dargestellten Bereiche stehen alle in Wechselwirkung zueinander, besonders bedenklich wäre hierbei eine Kombination von Recherche als „Sicherheitssuche“ im Internet mit gleichzeitiger „Vermeidung“ eines Arztbesuches – aus Angst, die konkrete Krankheitsbefürchtung könnte dort bestätigt werden.[15] Das Schaubild zeigt deutlich alle Faktoren, wie negativ sich Internetrecherche bei unseriösen Anbietern, die kein Sicherheitsempfinden auslösen, auf alle beteiligten Faktoren: Körper, Gefühl, Gedanken und Verhalten auswirken kann.

Das neue Portal

Ein ausführlicher Testbericht ist in diesem Artikel nicht möglich, aber ein eigener, kurzer „Schnelltest“ zum neuen Portal ergibt folgendes:  Das Portal hat

  • ein modernes Layout – es enthält verschiedene Medien (Filme), auch mit Gebärdensprache versehen
  • sachliche Einträge, die gut als Grundlage z. B. für Arztbesuche geeignet sind
  • eine Vorlesefunktion für Sehbehinderte
  • eine einfache Bedienung
  • direkte Verlinkung zu weiteren seriösen Beratungsstellen (Bürgertelefon etc.)
  • sprachlich gut verständliche Texte
  • Verweise auf wissenschaftlich gesicherte Quellen
  • Direkte und leicht bedienbare Einstellungsmöglichkeiten für eine verbesserte (größere) Schriftgröße und Farbigkeit/Helligkeit

Testet man den neuen Eintrag „gesund.bund.de“ mit dem von Jens Spahn geäußerten Anspruch, bei dem Googeln des Begriffs „Gesundheit“ direkt darauf zu stoßen, wird man (noch) enttäuscht. Der Suchbegriff ergibt neben dem Wikipediaeintrag „Gesundheit“ überwiegend auch anzeigenfinanzierte Informationsportale.

Der kombinierte Suchbegriff “Information Gesundheit“ ergibt daneben bereits als  Ergebnis einen Eintrag desInstituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), ebenfalls eine seriöse Website mit einem breiten Themenspektrum zu Gesundheit, und zwar: gi- Gesundheitsinformation.de : https://www.gesundheitsinformation.de/ mit 23 unterschiedlichen Themengebieten zu Gesundheit, sowie vom BMG das Portal:  https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/g/gesundheitsinformationen.html mit zahlreichen Informationen , sowie https://www.bgv-info-gesundheit.de/dem Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz. Eine vollständige Liste mit den wichtigsten evidenzbasierten Portalen findet man bei verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen, zum Beispiel unter: IKK classic: Verlässliche Gesundheitsinformationen: https://www.ikk-classic.de/assets/2740_ikkc_web_pdf.pdf[16]

 

Sucht man bei gesund.bund.de testweise nach dem Begriff: „Multiple Sklerose“ – so findet man diesen direkt hier noch nicht. Dafür erscheinen „9 Treffer“, die allesamt nichts mit Multipler Sklerose gemeinsam haben. Das zeigt, dass tatsächlich noch, wie bereits erwähnt, Ergänzungs- und Ausbaubedarf besteht.

 

Fazit

Sicher ist es in der heutigen, digitalisierten Zeit unsinnig, eine Internetrecherche verhindern zu wollen, denn zum einen kann dies für die meisten Menschen hilfreich und ratsam sein bei der aktiven Auseinandersetzung mit einer Krankheit, zum anderen ist ja auch nicht jeder Nutzer ein „Cyberchonder“.

Seriöse, evidenzbasierte, übersichtliche Internetangebote wie das neue Portal „gesund.bund.de“ sind ein sehr gutes Angebot zur Gesundheitsrecherche, auch wenn das neue Portal aktuell noch ausbaufähig ist. Wichtig wäre, dass die seriösen Informationsdienste noch bekannter werden und stark in die Nutzeranwendung bzw. in die konkrete Suche vordringen. Dies ist zwingend nötig vor allem auch vor dem technischen Hintergrund, dass bei einer Quote von derzeit 2 Mio. Websitebesuchern von „gesund.bund.de“  – bei „NetDoktor“ der Hubert Burda Gruppe sind es aktuell rund 20 Mio Besuche im Monat – die Suchmaschine „Google“ aufgrund der Algorithmen Auswahl den Informationssuchenden noch nicht direkt auf diese wissenschaftlich seriöse Webseite des deutschen Ministeriums führt.[17]

 

[1] Jens Spahn, zitiert in: Bundesgesundheitsministerium : Gesundheitsportal geht online, In: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/3-quartal/gesundheitsportal.html,

[2] Vgl. Zeit online (2020) :  Infos im Netz: Staatliches Gesundheitsportal geht online, In: https://www.zeit.de/news/2020-09/01/staatliches-gesundheitsportal-geht-onlineund https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/3-quartal/gesundheitsportal.html

[3] Vgl. Bundesgesundheitsministerium : Gesundheitsportal geht online, In: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/3-quartal/gesundheitsportal.html, und https://gesund.bund.de/

[4] Vgl. Bundesgesundheitsministerium : Gesundheitsportal geht online, In: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/3-quartal/gesundheitsportal.html

[5] Vgl. gesund.bund.de (2020): Über uns, In:https://gesund.bund.de/ueber-uns/ueber-gesund-bund-de#portalredaktion

[6]Quelle:  Journal of medical internet research (2008):  eHealth Trends in Europe 2005-2007: A Population-Based Survey, 10(4): e42. Published online 2008 Nov 17. doi: 10.2196/jmir.1023, In: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2629359

[7] Quelle: Bertelsmann Stiftung (2018): Das Internet: Auch Ihr Ratgeber für Gesundheitsfragen? Bevölkerungsumfrage zur Suche von Gesundheitsinformationen im Internet und zur Reaktion der Ärzte, Gütersloh, S. 12

[8] Vgl. IKK classic: So finden Sie verlässliche Informationen rund um Ihre Gesundheit im Netz, In: https://www.ikk-classic.de/gesund-machen/tipps/gesundheitsinformationen

9) Bleichardt, G. / Martin, A. (2017): Krankheitsängste erkennen und bewältigen, Göttingen, S.10

[10] Vgl. Signore, S./ Coy, S. (2017): Behandlungen und Medizin/Psychische Erkrankungen Was ist Hypochondrie, In: https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-medizin/psychische-erkrankungen/was-ist-hypochondrie-2016424

[11] Vgl. Bleichardt, G. / Martin, A. (2017): Krankheitsängste erkennen und bewältigen, Göttingen, S. 62

[12] Vgl. Sonnenmoser, M. (2010): Krankheitsangst – Keine Bagatelle, In: Deutsches Ärzteblatt, Heft 12, S. 556

[13] Vgl. Bleichardt, G. / Martin, A. (2017): Krankheitsängste erkennen und bewältigen, Göttingen, S 63

[14] Vgl. Bleichardt, G. / Martin, A. (2017): Krankheitsängste erkennen und bewältigen, Göttingen, S.55

[15] Vgl. Bleichardt, G. / Martin, A. (2017): Krankheitsängste erkennen und bewältigen, Göttingen, S.15

[16] IKK classic: So finden Sie verlässliche Informationen rund um Ihre Gesundheit im Netz, In: https://www.ikk-classic.de/assets/2740_ikkc_web_pdf.pdf

[17] Vgl. Wirag, L.(2020): Neues Gesundheitsportal: Spahn greift NetDoktor und Co. an, In: https://www.oekotest.de/freizeit-technik/Neues-Gesundheitsportal-Spahn-greift-NetDoktor-Co-an-_11460_1.html

Teile diesen Artikel