By Published On: 1. Dezember 2025Categories: Digitalisierung, Pädagogik, Soziales, Technologie

Seit einigen Jahren führen Bildungsforscher*innen eine hitzige Diskussion darüber, in welchem Ausmaß Digitalisierung an Deutschlands Schulen erfolgen soll. Die Standpunkte gehen dabei sehr weit auseinander, und aufgrund des Bildungsföderalismus ist bisher auch keine einheitliche Vorgehensweise in den verschiedenen Bundesländern erkennbar. Eine kürzlich veröffentlichte Meldung des Augsburger Bildungsforschers Klaus Zierer heizt die Debatte nun erneut an.

Abbildung 1: Das Klassenzimmer der Zukunft? (Quelle: Freepik)

Künstliche Intelligenz – eines der Streitthemen

Zierer gehört dabei klar zu den konservativen Vertretern der Digitalisierungsdebatte. Er spricht sich deutlich gegen den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Klassenzimmer aus und stützt sich dabei auf eine Studie des amerikanischen Massachusetts Institute of Technology. Dort haben Forscher*innen herausgefunden, dass der übermäßige Einsatz von KI-Technologien nicht nur einen Lernzuwachs verhindert, sondern sogar dazu führen kann, dass das Gehirn verkümmert (dpa Bayern, 2025). Zierer begründet dies damit, dass KI ein selbstständiges Denken der Schüler*innen überflüssig mache. Er fürchtet: Statt sich selbst Lösungswege zu erarbeiten oder sich während des Schreibens eines Aufsatzes intensiv mit einem Thema auseinander zu setzen, präsentiert die KI innerhalb von Sekunden das gewünschte Ergebnis. Ein Denkprozess der Schüler*innen findet dabei allerdings nicht statt (dpa Bayern, 2025).

Eine ähnliche Ansicht vertritt der renommierte Psychiatrieprofessor Manfred Spitzer, der vor allem für seine Erkenntnisse zur Hirnentwicklung von Kindern bekannt ist. Er sieht beim Einsatz digitaler Medien im Unterricht vorwiegend Gefahren wie geistige Inaktivität, Augenprobleme und Einschränkungen bei der Hirnentwicklung. Deshalb steht für ihn außer Frage, dass digitale Geräte sowohl im Kindergarten als auch an der Grundschule nichts verloren hätten (Bayerische Staatszeitung, 2025). Verschiedene Expert*innen aus dem bayerischen Bildungsausschuss sehen das jedoch anders. KI hat sich in unserer Gesellschaft etabliert, deshalb sei es Aufgabe der Schule, die Kinder und Jugendlichen rechtzeitig auf damit verbundene Herausforderungen vorzubereiten (Bayerische Staatszeitung, 2025).

Auf den Einsatz kommt es an

Ein Problem in der Debatte zwischen Digitalisierungsbefürworter*innen und -gegner*innen ist häufig, dass Technologien als Ganzes betrachtet werden, ohne deren konkrete Einsatzzwecke zu erläutern. Übertragen auf das KI-Beispiel bedeutet das: Diejenigen, die vehement gegen den Einsatz von Künstlicher Intelligenz an Schulen sind, begründen ihre Haltung mit einer drohenden Verdummung der Schüler*innen. Sie reduzieren sämtliche Möglichkeiten der KI darauf, dass Kinder und Jugendliche Aufgaben und Hausaufgaben von der Technologie erledigen lassen und sich dabei entspannt zurücklehnen.

Dass es aber auch ganz anders laufen kann, zeigt der Chatbot „Telli“, der speziell für den Einsatz im Unterricht entwickelt wurde. Telli wird bereits in mehreren Bundesländern erprobt, unter anderem in Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein. Lehrkräfte können ihn zur Vorbereitung ihres Unterrichts nutzen, indem sie dem Chatbot potenzielle Fragen von Schüler*innen stellen. Sie können ihn aber auch aktiv in den Unterricht einbinden. So ist es zum Beispiel möglich, dass Telli die Rolle eines fiktiven Gesprächspartners übernimmt, wenn er zuvor entsprechenden Input bekommen hat – eine riesige Chance beispielsweise für den Geschichtsunterricht. Aber auch im Matheunterricht leistet Telli gute Dienste, indem er individuelle Rückfragen zu einzelnen Schritten von Berechnungen beantwortet (Passow, 2025). Gerade in Phasen, in denen die Schüler*innen mit einem neuen Thema noch nicht vertraut sind, kann dies eine unschätzbare Hilfe für die Lehrkraft darstellen, die sich grundsätzlich immer nur einem Hilfesuchenden widmen kann.

Die Herausforderungen der Digitalisierung

Für den Unterricht kann Digitalisierung also durchaus eine Bereicherung sein, und in Anbetracht der Tatsache, dass digitale Medien auch die Zukunft maßgeblich prägen werden, darf eigentlich gar nicht darüber diskutiert werden, ob Digitalisierung auch im Klassenzimmer Einzug halten soll. Vielmehr geht es um die Frage, wie genau dringend notwendige Kompetenzen im Umgang mit Künstlicher Intelligenz, Sozialen Medien und Co vermittelt werden sollen.

Eine Herausforderung stellt dabei der Einbezug aller Lehrkräfte dar, deren digitale Kompetenzen oftmals selbst ausbaufähig sind. Für den Einsatz von Chatbot Telli gibt es beispielsweise eine verpflichtende Schulung (Passow, 2025) – diese umfasst teilweise aber gerade einmal 60 Minuten (Schulportal Hessen, 2025). Auch wenn solche Schulungen speziell für affine Lehrkräfte entwickelt wurden, steht außer Frage, dass diejenigen Lehrpersonen, die mit Digitalisierung und KI bisher keine Berührungspunkte hatten, vor riesigen Herausforderungen stehen. Das könnte wiederum zur Folge haben, dass das Ausmaß der digitalen Bildung von Schüler*innen davon abhängig ist, von welcher Lehrkraft sie unterrichtet werden.

Hinzu kommt, dass zunehmend digitale Schulen auch eine Mehrbelastung für Lehrkräfte darstellen. Während sich die einen mühsam in neue Technologien einarbeiten, werden die anderen häufig ungefragt zu Systembetreuer*innen auserwählt – und sind dann dafür zuständig, bei hunderten von Endgeräten für Updates zu sorgen oder Hardware wieder zum Laufen zu bringen, wenn bei Frau Müller mal wieder das Smartboard nicht funktioniert (dpa Hessen, 2025).

Fazit

Die Digitalisierungsdebatte kann man wohl am besten so zusammenfassen: Man ist sich einig, dass etwas getan werden muss. Nur die Richtung ist völlig unklar. Das zeigt auch das Beispiel des Vorreiters Schweden, wo man nach Studienergebnissen das digitale Klassenzimmer wieder gegen Unterricht mit Schulbüchern getauscht hat (Blenker, 2023). Langfristig sollte es das Ziel sein, ein bundeslandübergreifendes Konzept zu entwickeln, damit digitale Bildung in Deutschland keine Frage des Wohnorts wird.

Quellen:

Bayerische Staatszeitung. (2025). KI an Schulen: „Nur Selberdenken macht schlau“. https://www.bayerische-staatszeitung.de/staatszeitung/landtag/detailansicht-landtag/artikel/ki-an-schulen-nur-selberdenken-macht-schlau.html#topPosition.

Blenker, C. (2023). „Wir haben zu viel digital gemacht“. https://www.tagesschau.de/ausland/europa/schweden-schulen-buecher-100.html.

dpa Bayern. (2025). Schulpädagoge: Im Klassenzimmer ist kein Platz für KI.https://www.zeit.de/news/2025-09/10/schulpaedagoge-im-klassenzimmer-ist-kein-platz-fuer-ki.

dpa Hessen. (2025). Stress durch Digitalisierung – Was Lehrer belastet. https://www.zeit.de/news/2025-05/09/stress-durch-digitalisierung-was-lehrer-belastet.

Passow, A. (2025). KI an Schulen: Wie Chatbot „Telli“ bei Mathe und Co hilft.https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/ki-an-schulen-wie-chatbot-telli-bei-mathe-und-co-hilft,chatbot-100.html.

Schulportal Hessen. (2025). telli-Kompaktschulung: Überblick zu Grundlagen und wichtigen Funktionen. https://schulportal.hessen.de/veranstaltungen/telli-kompaktschulung-ueberblick-zu-grundlagen-und-wichtigen-funktionen-11/.

Quelle Beitragsbild: https://unsplash.com/de/fotos/frau-durchstobert-laptop-neben-tisch-ij8xP91j8jM

Quelle Abbildung 1: https://de.freepik.com/fotos-kostenlos/kinder-die-ein-tablet-und-einen-laptop-verwenden-um-zu-arbeiten-und-musik-zu-hoeren_24852227.htm#fromView=search&page=1&position=17&uuid=2b52783c-be23-480e-83da-a1ba8a76372a&query=ki+im+klassenzimmer

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