Der Wunsch nach Liebe, Nähe und einer verlässlichen Partnerschaft gehört unabhängig von Alter, Herkunft oder Behinderung zu den grundlegendsten menschlichen Bedürfnissen. Für viele Menschen bedeutet eine Beziehung nicht nur emotionale Erfüllung, sondern auch soziale Teilhabe und Selbstbestätigung.

Im digitalen Zeitalter verlagert sich die Partnersuche zunehmend ins Internet. Dating-Apps und Online-Plattformen ermöglichen es, bequem von zu Hause aus Menschen kennenzulernen und oft bestehende soziale Barrieren zu überwinden. Für Menschen mit Behinderung eröffnen sich so neue Chancen, Freundschaften und Liebe zu finden. Spezielle Plattformen wie Capido, Handicap-Love oder Herzenssache.net bieten barrierefreie Angebote, die auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Beeinträchtigungen eingehen und einen geschützten Rahmen schaffen, in dem Offenheit und Respekt im Mittelpunkt stehen. (Herzenssache 2025; Capido 2025; Handicap Love 2025)

Digitale Dating-Plattformen – Barrierefreiheit als Schlüssel zur Teilhabe

Digitale Dating-Apps können nur dann wirklich inklusiv sein, wenn sie barrierefrei gestaltet sind. Das kommende Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das 2025 in Kraft tritt, verpflichtet Anbieter digitaler Dienste dazu, ihre Angebote zugänglich zu machen. (Bundesministerium des Innern 19.02.2025, S. 38) Das ist ein wichtiger Schritt, um digitale Teilhabe für alle zu ermöglichen.

Doch wie eine Studie von Aktion Mensch und dem SINUS-Institut zeigt, reicht technische Barrierefreiheit allein nicht aus. Für viele NutzerInnen mit Behinderung bestehen auch emotionale, soziale und strukturelle Hürden. Unsicherheit beim Anlegen eines Profils, Angst vor Zurückweisung oder das Gefühl, in der Welt des Datings nicht willkommen zu sein. Zwar gibt es spezielle Plattformen wie „HandiCapMatch“ oder „Glück kennt keine Behinderung“, die sich an Menschen mit Einschränkungen richten, doch auch sie stehen vor der Herausforderung, nicht in soziale Nischen abzudriften. (Vgl. Aktion Mensch 2023; Borgstedt 2020)

Barrierefreiheit ist daher zwar eine notwendige Grundlage, aber kein alleiniges Ziel. Wirkliche Teilhabe braucht Räume, die Vielfalt sichtbar machen und Begegnungen auf Augenhöhe fördern.

Soziale Teilhabe durch digitale Beziehungen

Partnerschaft und zwischenmenschliche Bindungen sind zentrale Elemente sozialer Teilhabe. Gerade für Menschen mit Behinderung sind diese Bereiche jedoch oft von gesellschaftlichen Vorurteilen über Unsicherheiten bis hin zu alltäglichen Barrieren mit besonderen Herausforderungen verbunden.

Digitale Dating-Plattformen eröffnen hier neue Möglichkeiten. Online-Dating bietet einen geschützten Raum, in dem Menschen ihre Identität frei und kontrolliert präsentieren können. Der sogenannte „Online Disinhibition Effect“ nach John Suler (2004) beschreibt, wie Faktoren wie Anonymität, Unsichtbarkeit und zeitversetzte Kommunikation Menschen dazu ermutigen, offener und authentischer zu sein. (Suhler 2025)

Diese Faktoren können helfen, Hemmungen abzubauen und Kontakte aufzubauen. Plattformen wie „Glück kennt keine Behinderung“ oder barrierefreie Funktionen in Mainstream-Apps wie OkCupid und Bumble schaffen Räume für Kommunikation auf Augenhöhe. Dennoch zeigen Studien, dass viele Betroffene neben technischer Barrierefreiheit vor allem emotionalen Schutz und soziale Akzeptanz benötigen. (Vgl. Aktion Mensch 2023)

Ein inklusives Online-Dating muss daher auch sichere Räume, sensible Moderation und vielfältige Repräsentation bieten. Digitale Beziehungen stärken so nicht nur romantische Nähe, sondern auch das Gefühl, als begehrenswerte und vollständige Menschen gesehen zu werden – ein wichtiger Schritt zu mehr sozialer Teilhabe.

Herausforderungen gezielt angehen – Was jetzt passieren muss

Trotz technischer Fortschritte und wachsender Sensibilität bleiben viele Hürden bestehen. Technische Barrieren verhindern oft noch den Zugang: Viele Plattformen erfüllen nicht die Anforderungen der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1), die internationaler Standard für barrierefreies Webdesign sind (World Wide Web Consortium (W3C), 2018). Diese Richtlinien sind auch die Basis der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) in Deutschland. (World Wide Web Consortium (W3C), Web Accessibility Initiative (WAI) 2018; Vgl. Bundesministerium der Justiz)

Entwickler und Unternehmen sollten daher:

  • Barrierefreie Benutzeroberflächen nach WCAG umsetzen (z. B. Tastaturnavigation, Farbkontraste, alternative Texte).
  • Inklusive Funktionen anbieten, wie freiwillige Angaben zur Behinderung, diskriminierungssensible Matching-Algorithmen und diverse Repräsentation im Marketing.
  • Ein professionelles Community-Management mit klaren Regeln gegen Diskriminierung und effektiver Moderation sicherstellen. (Vgl. Dindas 2017)

Auch NutzerInnen können gestärkt werden durch:

  • Offenheit und authentische Selbstdarstellung zur Klärung von Erwartungen.
  • Nutzung inklusiver Plattformen und Communitys, die Unterstützung bieten.
  • Einsatz barrierefreier Tools wie Sprachsteuerung oder alternativer Eingabemethoden (Der-Querschnitt.de; Rehacare; Capido). (Vgl. Dindas 2017)

Echte soziale Teilhabe im Online-Dating entsteht erst dann, wenn Barrierefreiheit nicht als Zusatz gedacht wird, sondern als selbstverständlicher Bestandteil jeder Plattform und für alle NutzerInnen.

Literatur

Aktion Mensch (Hg.) (2023): Trendstudie zur digitalen Teilhabe. Online verfügbar unter https://aktion-mensch.stylelabs.cloud/api/public/content/AktionMensch_Studie-Digitale-Teilhabe.pdf?v=16179909, zuletzt geprüft am 22.05.2025.

Bundesministerium des Innern (19.02.2025): BFSG. Online verfügbar unter https://www.barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de/Webs/PB/DE/gesetze-und-richtlinien/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz-node.html, zuletzt geprüft am 18.05.2025.

Bundesministerium der Justiz (Hg.): BITV 2.0. Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz. Online verfügbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/bitv_2_0/BJNR184300011.html, zuletzt geprüft am 22.05.2025.

Borgstedt, S. (2020): Digitale Teilhabe von  Menschen mit Behinderung. Unter Mitarbeit von SINUS. Hg. v. Aktion Mensch. Online verfügbar unter https://aktion-mensch.stylelabs.cloud/api/public/content/AktionMensch_Studie-Digitale-Teilhabe.pdf?v=16179909, zuletzt geprüft am 18.05.2025.

Capido (2025): Dating mit Behinderung oder Autismus. Online verfügbar unter https://www.capido.eu/de, zuletzt aktualisiert am 12.03.2025, zuletzt geprüft am 23.05.2025.

Dindas, L. (2017): Liebe auf den ersten Klick. Welche Angebote gibt es für Menschen mit Behinderung? Hg. v. REHACARE. Online verfügbar unter https://www.rehacare.de/de/Media_News/Archiv/Themen_des_Monats/Themen_des_Monats_2017/Januar_2017_Liebe_und_Partnerschaft/Liebe_auf_den_ersten_Klick_Welche_Angebote_gibt_es_f%C3%BCr_Menschen_mit_Behinderung, zuletzt geprüft am 22.05.2025.

Handicap Love (2025): Die Singlebörse für Menschen mit Behinderungen – seriös und kostenlos. Online verfügbar unter https://www.handicap-love.de, zuletzt aktualisiert am 23.05.2025, zuletzt geprüft am 23.05.2025.

Herzenssache (2025): Kontakt- und Partnervermittlung für Menschen mit Beeinträchtigung. Online verfügbar unter www.Herzenssache.net, zuletzt geprüft am 23.05.2025.

Suhler, J. (2025): The Disinhibition Effect in Online Therapy • Counselling Tutor. Hg. v. Counselling Tutor. Online verfügbar unter https://counsellingtutor.com/disinhibition-effect-in-online-therapy/?, zuletzt aktualisiert am 12.05.2025, zuletzt geprüft am 22.05.2025.

World Wide Web Consortium (W3C), Web Accessibility Initiative (WAI) (2018): Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1. Online verfügbar unter https://www.w3.org/TR/WCAG21/, zuletzt geprüft am 22.05.2025.

Bildquelle

online-dating-5213415_1280 von Gerald über Pixabay online verfügbar unter: https://pixabay.com/de/illustrations/online-dating-herz-herzen-5213415/ Aufruf am 19.06.2025

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