By Published On: 2. April 2021Categories: Gesundheit, Psychologie

Als Triathlet frage ich mich manchmal, weshalb ich mir diese Schinderei antue. Wöchentlich trainiere über 12h und das nur in der Hoffnung, dass ich im nächsten Wettkampf unter die besten Fünf komme und mich somit für die Amateur Weltmeisterschaft in der Ironman Mitteldistanz qualifiziere. Dafür müsste ich die 1,9km Schwimmen, 90km Radfahren und die 21.1km Laufen in etwa 4h 25min schaffen. Und dies ist nur die Halbdistanz. Viele Triathleten absolvieren auch Wettkämpfe in der Langdistanz. Das sind dann 4,8km Schwimmen, 180km Radfahren und 42,2km Laufen. 

In meinem Umfeld löst diese Begeisterung zum einen Bewunderung aber auch Skepsis aus. Auch in der Partnerschaft wird viel Toleranz benötigt, damit mein Trainingsumfang insbesondere an den Wochenenden akzeptiert wird. Für mich heisst das meistens, früh aufstehen damit ich am Mittag nach 5h Training noch Zeit für anderes habe. Ganz nebenbei muss dann natürlich auch noch das Fernstudium und der 100% Job erledigt werden. 

Trotzdem könnte ich mir ein Leben ohne diese sportliche Herausforderung nicht mehr vorstellen. Ein Ziel vor Augen zu haben, mit aller Härte und Leidenschaft dafür zu trainieren und dann am Wettkampf Tag neben hunderten gleichgesinnten zu stehen, die selbst die gleichen Opfer gebracht haben, den Startschuss zu hören und ins Wasser zu springen, diese Erlebnisse sind unbeschreiblich und waren alle Stunden des harten Trainings wert. 

Doch was ist es am Ende, das uns als Triathleten motiviert dieses Trainingsvolumen auf uns zu nehmen, nur um im Amateurbereich gute Ergebnisse zu erzielen oder einfach nur ein Rennen zu beenden? 

Selbstwert und persönliche Zielerreichung als Hauptmotivatoren

Die Universität Regensburg stellt sich die Frage, welche Motivatoren für Triathleten von Bedeutung sind. Dafür befragten sie 349 TriathletInnen des Ironmans Regensburg bezüglich ihrer Motivatoren. Als wichtigste Motivatoren stellten sich die persönliche Zielerreichung sowie der Selbstwert heraus. Als drittwichtigster Motivator zeigte sich die allgemeine Gesundheitsorientierung gefolgt von der psychischen Gesundheitsorientierung (Lehmann, 2008). 

Dieses Ergebnis wird gestützt durch eine weitere Untersuchung der Universität Leipzig. Auch in dieser Studie zeigte sich, dass der Selbstwert und die persönliche Zielerreichung die wichtigsten Motivatoren für Triathleten sind. Auch in dieser Studie zeigen sich die Motivatoren der allgemeinen Gesundheitsorientierung und die psychische Gesundheitsorientierung als weitere wichtige Motivatoren (Hagenah, 1999).

Kritisch zu beachten in beiden Studien ist jedoch, dass es sich dabei um gestützte Befragungen mit vorgegeben Auswahlmöglichkeiten handelte. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass noch weitere Motivationsfaktoren bestehen.  


Selbstwert als zentrales Element psychischer Gesundheit

Beim Selbstwert handelt es sich um das Wissen um die eigene Person, dem «self as known». Dieses Wissen um die eigene Person reflektiert sich aus dem «Spiegel-Selbst», das Wissen über sich selbst ist also das Wissen der Reaktionen der sozialen Umgebung auf die eigene Person. Das Individuum und der Selbstwert entwickeln sich somit in einer komplexen Wechselwirkung zwischen dem Individuum und seiner Umwelt. 

Um diese Reaktionen richtig einschätzen zu können, benötigt das Individuum die Fähigkeit der Selbstaufmerksamkeit, also die Fähigkeit, sich selbst und seine Handlung zu beobachten und die Konsequenzen einordnen zu können. Eine weitere wichtige Funktion bildet dabei das Selbst als Exekutivfunktion. Diese macht uns zu handelnden Wesen, die im besten Falle eine gute Kontrollüberzeugung besitzen, also dass man selbst als handelndes Wesen die Umwelt mitbestimmen kann (Potreck-Rose & Jacob, 2003). 

Betrachtet man diese Funktionen des Selbstwertes, erscheint es mit äusserst plausibel, dass Triathlon ein sehr gutes Instrument ist, um zu einem guten Selbstwert beizutragen. Nicht ohne Grund setzt demzufolge die Ironman Rennserie ihren Markenfokus auf die Austragung der «härtesten Ausdauerrennen der Welt». Wer bereits im Freundeskreis ankündigt, dass er oder sie für einen Ironman trainiert, kann sich der Reaktionen im persönlichen Umfeld bewusst sein, geschweige denn der Reaktionen der Freunde und Familie, wenn man erfolgreich die Ziellinie überquert. 

Weiter kann auch der Effekt der Exekutivfunktionen des Selbst sowie die Kontrollüberzeugung in Zusammenhang mit dem Triathlon gebracht werden. Das Training zeigt einem täglich, dass man selbst für die Ergebnisse verantwortlich ist und diese aktiv beeinflussen kann. Niemand anderes ist dafür verantwortlich, ob ich erfolgreich die Ziellinie überquere. Die Sportart zwingt einem quasi dazu, sich mit sich selbst und den eigenen Fähigkeiten auseinander zu setzen, die eigenen Grenzen zu kennen, diese zu akzeptieren, aber sich auch bewusst zu sein, dass durch harte Arbeit die eigenen Grenzen verschoben werden können. 

Dieser Text ist also nicht nur eine Abhandlung über den Selbstwert als Motivationsfaktor im Triathlon. Er ist auch ein Plädoyer dafür, sich vielleicht selbst einen Ruck zu geben, und sich für den nächsten Volkstriathlon anzumelden. Es wird Ihren Selbstwert steigern, und was noch wichtiger ist, Ihnen unvergessliche Momente mit sich selbst, Ihren Freunden und Familien, und mit den SportlerInnen an der Startlinie bescheren.

Quellen:

Bikl, Pixabay https://pixabay.com/de/photos/triathlon-sport-schwimmer-wettkampf-3474444/

Lehmann, J. (2008). Persönlichkeitsstruktur und Motive von Ironman-Teilnehmern im Vergleich zu Marathon-Läufern.Regensburg: Universität Regensburg.

Hagenah, J. (1999). Teilnahmemotivation von Ausdauersportlern. Leipzig: Universität Leipzig.

Potreck-Rose, F., & Jacob, G. (2003). Selbstzuwendung, Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen. Psychotherapeutische Interventionen zum Aufbau von Selbstwertgefühl. Stuttgart: Klett-Cotta.

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