By Published On: 7. April 2021Categories: Gesundheit, Psychologie

Coworking Spaces: Was für die einen nach einer Übergangslösung für Start-Ups ohne eigene Bürofläche klingt, ist für die anderen ein beliebtes Arbeitsmodell der neuen Arbeitswelt. Die Digitalisierung in der Arbeitswelt und technische Fortschritte, die flexibles und ortsunabhängiges Arbeiten ermöglichen, aber auch ein zunehmendes Bedürfnis der Work-Life-Balance führen zu einem steigenden Bedarf an Flexibilität. So führt diese Entwicklung in der Arbeitswelt zu einem seit Jahren anhaltenden Trend, weg vom Büro und zum Home-Office bzw. Remote-Tätigkeit. Die ersehnte Flexibilität bieten Coworking Spaces, weltweit. Im Jahr 2020 haben rund 1,5 Mrd. Beschäftigte, insbesondere Selbstständige und Freiberufler in der IT und im Dienstleistungsbereich, mindestens einen Tag pro Woche außerhalb des Büros gearbeitet. Welchen Stellenwert nimmt das mobile Arbeiten in Coworking Spaces ein und welche gesundheitsrelevanten Auswirkungen sind damit verbunden?

Coworking Space – eine Definition

Nach Pauls und Lütke Lanfer (Pauls & Lütke Lanfer, 2017) wird das traditionelle Eckbüro mit eigenem Schreibtisch ein Auslaufmodell werden und durch die steigende Flexibilisierung durch offene Büroformen mit weniger oder nicht mehr personalisierten Arbeitsplätzen, dem sogenannten „Desk-Sharing“-Konzept, abgelöst (Martin & Rundnagel, 2004). Wie kann man sich nun den Arbeitsalltag im Coworking Space vorstellen? In die Arbeit vertiefte Coworker, die mit Kopfhörern auf stilvollen Kunststoffschalenstühlen über ihre schlanken Laptops gebeugt, dicht an dicht am massiven Holztisch sitzen. Nicht zu vergessen die modernen Sitzstehtische, denn Coworker sitzen nicht volle acht Stunden am Stück auf einem Holzstuhl. Jedoch ist es schwer, eine Definition oder Konkretisierung des Begriffs Coworking Space zu finden, da eine Vielfalt von Coworking-Varietät existiert und kaum ein Coworking Space dem anderen gleicht. In der Literatur wird die Entwicklung der neuen Arbeitswelt „Coworking Space“ häufig auf die Gründung der „Spiral Muse“ im Jahr 2005 durch den Programmierer Brad Neuberg aus San Francisco zurückgeführt (vgl. Rief, Stiefel & Weiß, 2014, S. 13). Als das erste Coworking-Konzept sich über die USA und von da aus weiter in die ganze Welt verbreitet, eröffnete im Jahr 2009 mit dem „betahaus“ Berlin der erste deutschlandweite Coworking Space. Im Blog von Coworking.com werden fünf Grundelemente beschrieben, auf denen das Coworking-Konzept basiert und eine Differenzierung zu anderen Arbeitsmodellen ermöglicht: Collaboration, Community, Sustainability, Openness und Accessibility (vgl. „About – The Global Coworking Blog“, o. J.; vgl. „Core Values – The Global Coworking Blog“, o. J.). 

Mehr als ein Arbeitsort

Was bedeuten die im letzten Abschnitt erwähnten fünf Grundelemente? Collaboration beschreibt den Willen mit anderen zu kooperieren und gemeinsame Werte zu schaffen. Community beschreibt eine Gruppe von Gleichgesinnten, die etwas zur Gemeinschaft beiträgt und im Gegenzug davon profitiert (vgl. Schürmann, 2013, S. 51). Eine Studie von Deskmag aus dem Jahr 2017 bestätigt diese Annahme. 55 Prozent der Befragten gaben „Community“ als Grund an, warum sie in einem Coworking Space arbeiten. Untermauert wird die Wichtigkeit der Gemeinschaft durch weitere Gründe wie „social and enjoyable atmosphere“ und „interacting with others“ mit knapp 60 Prozent (vgl. Deskmag, 2018). Somit ist es keine Seltenheit, dass Coworker den sozialen Austausch – u.a. beim gemeinsamen Mittagessen – schätzen. Aber nicht nur das kommunikative Umfeld wird geschätzt. Die arbeitssame Stimmung ist genauso wichtig. Von motivierten, hart arbeitenden Coworkern umgeben zu sein wirkt sich positiv auf die eigene Motivation und Leistungsbereitschaft aus. 

Gesundheitsförderliches Arbeitsumfeld?

Ein Blick in viele Coworking Spaces lässt jedoch vermuten, dass die funktionalen und ergonomischen Voraussetzungen für produktives Arbeiten nicht gegeben sind. Die Packungsdichte ist relativ hoch und das Mobiliar antiquiert. Wobei – Letzteres – durchaus gewollt ist, da Coworker den WG-Küchen-Stil sehr schätzen. Sicherlich, der Coworking Groove und das hippe Design drängen gesundheitliche Aspekte durchaus in den Hintergrund. Dennoch gibt es kaum Coworking Spaces, die mit ergonomischem Mobiliar und einem gesundheitsförderlichen Arbeitsplatz werben. Vielmehr werben sie mit durchdesignten Lounges und geröstetem Kaffee für ein kreatives und inspirierendes Arbeitsumfeld (vgl. Rittiner, 2017).

Einfluss von Coworking auf die Gesundheit

Auch wenn die Rahmenbedingungen aus gesundheitsförderlicher Perspektive in vielen Coworking Spaces nicht optimal gegeben sind, empfindet nur ein kleiner Teil der Mitglieder, dass diese Arbeitsweise negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit hat (vgl. Prümper et al., 2016). Als wesentlicher Grund gilt der größere Gestaltungsspielraum bei der Wahl der Arbeitsorte- und -zeiten, da sich diese Selbstbestimmung positiv auf das Wohlbefinden der „Mobile Worker“ auswirkt. Studien aus Corporate Offices zeigen denselben Effekt (vgl. Tidd et al., 2016.). Die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Arbeitszonen wechseln zu können steigert die Leistungsfähigkeit und senkt das Stressempfinden. Hinzu kommt, dass mit einer geschickten Wahl der Arbeitsorte viele Wegzeigten eingespart werden können, was die Work-Life-Balance direkt beeinflusst. Es bleibt somit mehr Zeit für Freizeit und Familie (vgl. Rittiner, 2017).

Für ein gesundes Miteinander

Für ein gesundheitsförderliches Arbeitsumfeld sind Faktoren wie die richtige Infrastruktur und ein gutes Raumklima eine wichtige Basis. Entscheidend bei Coworking Spaces ist aber die mentale Gesundheitsförderung – das bedeutet, dass die Coworker täglich spüren, dass ihre Arbeit Sinn macht, ihr Einsatz geschätzt wird und sie ihr Potential entfalten können. Wenn das zutrifft, wird dieses Wohlwollen einen positiven Effekt auf die psychische und physische Gesundheit der Coworker haben.  

Literaturverzeichnis

Deskmag (2018). Zugriff am 2.4.2021. Verfügbar unter: https://www.deskmag.com/de/coworking-news/1-7-millionen-mitglieder-werden-2018-in-coworking-spaces-arbeiten-weltweite-umfrage-studie-marktberi

About – The Global Coworking Blog. (o. J.). Zugriff am 1.4.2021. Verfügbar unter: http://blog.coworking.com/about/

Core Values – The Global Coworking Blog. (o. J.). Zugriff am 1.4.2021. Verfügbar unter: http://blog.coworking.com/core-values/

Martin, P. & Rundnagel, R. (2004). Gute Arbeit im Büro. Neue Bürokonzepte gemeinsam gesund gestalten. Frankfurt am Main: Arbeitshilfe 20.

Pauls, N. & Lütke Lanfer, S. (2017). Moderne Büroräume: Eine Untersuchung zu Zufriedenheit und Wohlbefinden bei Beschäftigten. Brugg-Windisch: Kongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft. 

Prümper, J., Becker, M. & Hornung, S. (2016). Zugriff am 2.4.2021. Verfügbar unter: https://people.f3.htwberlin.de/Professoren/Pruemper/publikation/2016/Pruemper_Becker_Hornung_2016_Arbeit4_0_Personalwirtschaft.pdf

Rief, S., Stiefel, K.-P. & Weiß, A. (2014). Faszination Coworking. Potentiale für Unternehmen und ihre Mitarbeiter. Stuttgart: Fraunhofer Verlag.

Rittiner, F. (2017). Betriebliches Gesundheitsmanagement im Coworking Space? Work Smart. Zugriff am 2.4.2021. Verfügbar unter: https://work-smart-initiative.ch/de/blog/betriebliches-gesundheitsmanagement-im-coworking-space/

Schürmann, M. (2013). Coworking Space: Geschäftsmodell für Entrepreneure und Wissensarbeiter.Wiesbaden: Springer Gabler.

Tidd, P. (2016). U.K. Workplace Survey 2016. Gensler. Zugriff am 2.4.2021. Verfügbar unter: https://www.gensler.com/gri/u-k-workplace-survey-2016

Beitragsbild: https://cdn.pixabay.com/photo/2017/03/28/12/11/chairs-2181960__340.jpg

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