Digitale Kommunikation ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken – ob privat oder beruflich. Doch gerade in Chats fehlen oft Zwischentöne und Emotionen, was leicht zu Missverständnissen führt. Dieser Beitrag zeigt, wie wir durch bewusstes Kommunizieren Missverständnisse vermeiden können.
Grundlagen der Kommunikation
Eines der bekanntesten Kommunikationsmodelle wurde in den 1980er Jahren von Friedemann Schulz von Thun entwickelt. Es unterscheidet vier Ebenen jeder Nachricht: Sachinhalt, Beziehung, Selbstoffenbarung und Appell. Auf der Sachebene steht der reine Informationsgehalt im Vordergrund – vorausgesetzt, beide Gesprächspartner verwenden denselben Zeichensatz. Ist dies der Fall, kann die sachliche Botschaft klar verstanden werden (Lubienetzki & Schüler-Lubienetzki, 2020, S. 30). Jede Nachricht vermittelt aber auch, wie Sender und Empfänger zueinanderstehen: Wortwahl, Ton und Ausdruck beeinflussen, wie sie aufgenommen wird. Über die Selbstoffenbarung teilt der Sender zudem etwas Persönliches mit, etwa seine Haltung oder Stimmung. Und schließlich enthält jede Botschaft meist einen Appell – offen oder versteckt – mit dem Ziel, beim Gegenüber eine Reaktion auszulösen (Lubienetzki & Schüler-Lubienetzki, 2020, S. 31).
In zahlreichen Quellen findet sich die Aussage, dass Kommunikation zu 55 % durch nonverbale Signale (z. B. Körpersprache, räumliches Verhalten, Mimik, Aussehen), zu 38 % durch paraverbale Aspekte (z. B. Lautstärke, Stimmlage) wie Stimmlage oder Lautstärke und lediglich zu 7 % durch den tatsächlichen Inhalt der Worte bestimmt wird. Stimmen sprachliche und nichtsprachliche Signale überein, spricht man von einer kongruenten, stimmigen Nachricht. Weichen sie voneinander ab, liegt eine inkongruente Botschaft vor, die zu Missverständnissen führen kann (Lubienetzki & Schüler-Lubienetzki, 2020, S. 32). Die Studien machen deutlich, dass nonverbale und paraverbale Signale einen größeren Einfluss auf die Wirkung einer Botschaft haben als der eigentliche Wortlaut – insbesondere bei inkongruenten Nachrichten (Röhner & Schütz, 2020, S. 90).
Gerade im Zusammenhang mit digitaler Kommunikation ist auch das erste Axiom von Paul Watzlawick von Bedeutung: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Dieses Axiom beruht auf der Tatsache, dass jedes Verhalten in einer zwischenmenschlichen Situation automatisch eine Botschaft vermittelt (Röhner & Schütz, 2020, S. 40).
Wie entstehen nun Missverständnisse
Missverständnisse können beim Vier-Seiten-Modell auf allen Ebenen entstehen. Auf der Sachebene kommt es schnell zu Missverständnissen, wenn Sender und Empfänger nicht dieselbe Sprache oder Symbolik verwenden. Bereits einzelne unbekannte Begriffe oder Fremdwörter reichen aus, damit die eigentliche Botschaft unklar bleibt oder gar nicht verstanden wird (Lubienetzki & Schüler-Lubienetzki, 2020, S. 30). Auch die Beziehungsebene birgt Konfliktpotenzial, wenn die Beteiligten unterschiedliche Vorstellungen von ihrem Verhältnis zueinander haben. Eine lockere Nachricht mit Emojis wirkt unter Freunden vertraut, kann in beruflichen oder formellen Chats aber schnell unpassend wirken. Emojis versuchen zwar die fehlenden nonverbalen und paraverbalen Anteile der Kommunikation zu ersetzen, ihre Bedeutung jedoch nicht für alle gleich verständlich ist – das führt häufig zu Missverständnissen oder Verwirrung (Bauer & Müßle, 2020, S. 13). Zugleich hat der Wegfall nonverbaler Signale direkten Einfluss auf die Selbstoffenbarungsebene: Ohne nonverbale und paraverbale Hinweise fällt es deutlich schwerer, die Stimmung oder Haltung unseres Gegenübers einzuschätzen. Besonders bei Ironie, doppeldeutigen Nachrichten oder fehlenden emotionalen Untertönen steigt dadurch das Risiko, falsch verstanden zu werden.
Das Axiom von Watzlawick „Man kann nicht nicht kommunizieren“ kann genauso auf die digitale Kommunikation bezogen werden. Selbst wenn auf eine Nachricht keine direkte Antwort folgt, löst das beim Empfänger Interpretationen aus, die von harmlosen Missverständnissen bis hin zu negativen Annahmen reichen (Bauer & Müßle, 2020, S. 11).
Hinweise für gelungene digitale Kommunikation
Im Folgenden werden praxisnahe Empfehlungen vorgestellt, die sich gezielt auf die Besonderheiten der Chat-Kommunikation beziehen. Dabei ist es ein klarer Vorteil, dass sich Chatdienste kontinuierlich weiterentwickeln und regelmäßig neue Funktionen bereitstellen, die die digitale Kommunikation vereinfachen und vielfältiger gestalten.
- Abkürzungen bewusst und gezielt einsetzen
Auch wenn Chat-Kommunikation zeitintensiv sein kann und sich daher zahlreiche Abkürzungen etabliert haben, empfiehlt es sich, diese mit Bedacht zu verwenden. Ratsam ist, nur solche Kürzel einzusetzen, von denen sicher ausgegangen werden kann, dass der:die Gesprächspartner:in diese auch versteht.
- Alternative Kommunikationsformen nutzen
Zahlreiche Applikationen bieten inzwischen die Möglichkeit, Sprachnachrichten zu versenden. Diese ergänzen die schriftliche Kommunikation um paraverbale Elemente wie Tonfall, Betonung oder Sprechtempo. Auch Videochats sind sinnvoll, wenn es um Themen geht, die Missverständnisse durch fehlende nonverbale Signale begünstigen. Sie ermöglichen zumindest teilweise die Übermittlung von Mimik und Gestik.
- Chat-Kommunikation auf das Wesentliche reduzieren
In Alltagssituationen besteht oft der Impuls, Erlebnisse oder wichtige Informationen sofort per Chat zu teilen. Bei komplexen oder sensiblen Themen empfiehlt es sich jedoch, das persönliche Gespräch abzuwarten oder zumindest auf die oben beschriebenen ergänzenden Kommunikationsfunktionen wie Sprachnachrichten oder Videotelefonie zurückzugreifen.
- Statusanzeigen sinnvoll einsetzen
Viele Anwendungen bieten die Möglichkeit, einen persönlichen Status zu hinterlegen – beispielsweise um mitzuteilen, dass man gerade beschäftigt ist oder nicht erreichbar sein möchte. Diese Funktion kann helfen, unrealistische Erwartungen an eine schnelle Antwort zu vermeiden und emotionale Missverständnisse, etwa durch verspätetes Reagieren, zu reduzieren.
- Die Vorteile der Chat-Kommunikation gezielt nutzen
Chats bieten die Chance, Nachrichten in Ruhe und mit Bedacht zu verfassen – ein klarer Vorteil inmitten eines hektischen Alltags. Viele Anwendungen ermöglichen zudem, Nachrichten im Nachhinein zu bearbeiten oder zu löschen – selbst wenn das Gegenüber die Nachricht bereits gelesen hat. In solchen Fällen empfiehlt es sich jedoch, nicht stillschweigend Inhalte zu verändern, sondern Missverständnisse offen anzusprechen oder die Nachricht in einer zusätzlichen Mitteilung zu korrigieren. Das schafft Transparenz und stärkt die vertrauensvolle Kommunikation (Bauer & Müßle, 2020, S. 55).
Fazit
Missverständnisse in der Chat-Kommunikation sind keine Seltenheit und können schnell zu unnötigen Konflikten führen. Umso wichtiger ist es, bewusst und klar zu schreiben, Emojis gezielt einzusetzen und missverständliche Formulierungen möglichst zu vermeiden. Gerade in einer Welt, in der digitale Kommunikation unseren Alltag prägt, wird es entscheidend, die Besonderheiten schriftlicher Gespräche zu verstehen und Missverständnissen aktiv vorzubeugen.
Literaturverzeichnis
Bauer, M. J. & Müßle, T. (2020). Psychologie der digitalen Kommunikation. München: utzverlag
Lubienetzki, U. & Schüler-Lubienetzki, H. (2020). Was wir uns wie sagen und zeigen: Psychologie der menschlichen Kommunikation. Berlin: Springer
Röhner, J. & Schütz, A. (2020). Psychologie der Kommunikation (3. Aufl.). Berlin: Springer
Titelbildquelle
Titelbild von Adem AY, veröffentlicht am 27. Januar 2021, Zugriff am 08.07.2025, verfügbar unter
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