Du hast dein Bestes gegeben, doch statt Zufriedenheit zu verspüren fragst du dich: Hätte ich es nicht noch besser machen können? Dieser Gedanke kommt nicht nur gelegentlich, sondern ständig. Der Druck, immer alles richtig zu machen, keine Fehler zuzulassen und Erwartungen zu übertreffen, wird zum ständigen Begleiter.
Perfektionismus klingt nach Ehrgeiz, nach Qualitätsanspruch, nach Kontrolle. Doch unter der glänzenden Oberfläche verbirgt sich oft etwas ganz anderes, Unsicherheit, Angst vor Versagen oder der Zwang, sich beweisen zu müssen, um endlich „gut genug“ zu sein.
Aber woher kommt dieser innere Antreiber? Warum ist für so viele, das eigene Gut nie gut genug? Und was macht es mit uns, wenn wir ständig das Gefühl haben, nicht zu genügen, egal wie sehr wir uns anstrengen?
Was ist Perfektionismus und woher kommt er?
Perfektionismus ist mehr als der Wunsch, gute Arbeit zu leisten. Es ist ein tief verwurzelter innerer Anspruch, keine Fehler machen zu dürfen und das Gefühl, nur dann etwas wert zu sein, wenn man Höchstleistungen bringt. Für Aussenstehende sieht das oft aus wie Disziplin und Ehrgeiz. Doch für Betroffene fühlt es sich häufig wie ein nie endender innerer Druck an (Rödel, Bathen-Gabriel & Rehfeld, 2025, S. 4-5).
Psychologisch gesehen lässt sich Perfektionismus grob in zwei Arten unterteilen. Zum einen der selbstorientierte Perfektionismus, bei dem der Anspruch besteht, an sich selbst alles perfekt machen zu müssen. Zum anderen der fremderwartete Perfektionismus, bei dem angenommen wird, dass Familie, Schule, Freunde oder die Gesellschaft Perfektion von einem erwarten (von Kopp, 2020, S. 65). In beiden Fällen steht nicht die Freude am Tun im Vordergrund, sondern vielmehr die Angst zu versagen oder nicht zu genügen. Genau das macht Perfektionismus so belastend (Perfektionismus und die Balance zwischen Exzellenz und psychischer Belastung, 2024).
Doch woher kommt dieser innere Drang nach Perfektion? Die Ursachen von Perfektionismus sind vielschichtig. Frühkindliche Erfahrungen und die elterliche Erziehung spielen dabei eine zentrale Rolle. Kinder, die vor allem für Leistung gelobt werden oder erleben, dass Fehler mit Kritik statt Verständnis beantwortet werden, entwickeln früh die Überzeugung, nur dann wertvoll zu sein, wenn sie Erwartungen erfüllen (Friess, 2024). Auch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie ein ausgeprägter Leistungsanspruch, hohe Gewissenhaftigkeit oder ein starkes Kontrollbedürfnis begünstigen perfektionistisches Denken. Hinzu kommen gesellschaftliche Einflüsse. In vielen Bereichen wird ein hoher Leistungsstandard erwartet, während soziale Medien ein idealisiertes Bild von Erfolg, Schönheit und Lebensstil vermitteln. Diese Kombination aus innerem Druck und äusserem Vergleich verstärkt das Gefühl, ständig noch besser sein zu müssen, um dazuzugehören oder zu genügen (Rödel et al., 2025, S. 11-14).
Wenn Perfektionismus krank macht
Was auf den ersten Blick nach gesundem Ehrgeiz aussieht, kann auf Dauer erheblich belasten. Wenn der Anspruch, alles richtig machen zu müssen, zum ständigen inneren Antreiber wird, kann das ernsthafte Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben. Menschen mit stark ausgeprägtem Perfektionismus leiden häufig unter chronischem Stress, ständiger Selbstkritik und der Angst, nicht zu genügen. Dieses Denken kann in einen Teufelskreis führen (Friess, 2024). Die Betroffenen strengen sich immer mehr an, erleben trotzdem keine Zufriedenheit und fühlen sich mit der Zeit zunehmend erschöpft.
Studien zeigen, dass Perfektionismus mit einer erhöhten Anfälligkeit für psychische Erkrankungen verbunden ist. Dazu zählen unter anderem Depressionen, Angststörungen, Burnout und Essstörungen. Besonders problematisch ist dabei, dass Perfektionistinnen und Perfektionisten eigene Bedürfnisse oft ignorieren und Warnsignale des Körpers übergehen. Sie erlauben sich keine Schwäche und stellen hohe Anforderungen an sich selbst, die kaum erfüllbar sind. Auf Dauer kann das nicht nur zu psychischer, sondern auch zu körperlicher Erschöpfung führen (Perfektionismus und die Balance zwischen Exzellenz und psychischer Belastung, 2024).
Einen gesunden Umgang finden
Perfektionismus lässt sich nicht von heute auf morgen ablegen, aber man kann lernen, anders damit umzugehen. Ein wichtiger Schritt ist es, negative Glaubenssätze wie „Ich darf keinen Fehler machen“ in positive Erlaubersätze umzuwandeln, zum Beispiel: „Ich darf Fehler machen und bin trotzdem wertvoll“ (Schenk, 2021, S. 32-33).
Hilfreich ist auch, sich realistische Ziele zu setzen und sich mit guten, statt perfekten Lösungen zufrieden zu geben. Wer kleinere Erfolge anerkennt, kann dem inneren Druck leichter entgegenwirken. Auch der ständige Vergleich mit anderen verstärkt oft das Gefühl, nicht zu genügen. Es ist sinnvoll, den Blick mehr auf den eigenen Weg und die eigenen Fortschritte zu richten (von Kopp, 2020, S. 71-72).
Letztlich geht es darum, gesündere Einstellungen und Verhaltensweisen zu entwickeln. Wer lernt, den eigenen Anspruch zu hinterfragen und Belastendes loszulassen, kann Zwänge, Ängste und Druck Schritt für Schritt abbauen und zu mehr innerer Ruhe finden (Rödel et al., 2025, S. 14-15).
Fazit:
Im Laufe dieses Beitrags wurde vor allem über die negativen Seiten des Perfektionismus gesprochen. Und ja, sie sind real. Zu hohe Erwartungen, ständiger Druck und das Gefühl, nie gut genug zu sein, können die Lebensfreude erheblich beeinträchtigen. Trotzdem wäre es einseitig, nur die Schattenseiten zu sehen. Perfektionismus hat auch seine positiven Aspekte. Wer hohe Ansprüche an sich selbst stellt, ist oft gewissenhaft, zuverlässig und engagiert. Der Wunsch, Dinge besonders gut zu machen, kann antreiben, motivieren und zu echten Erfolgen führen. Für mich persönlich liegt der Schlüssel im Mass. Wenn der Anspruch an uns selbst uns stärkt und wachsen lässt, kann er sehr wertvoll sein. Wenn er jedoch dazu führt, dass wir uns selbst aus dem Blick verlieren, wird es kritisch. Deshalb glaube ich, dass es wie bei so vielem im Leben auf die Balance ankommt. Perfektionismus darf da sein, aber er sollte nicht unser Denken und Fühlen bestimmen. Sich zu erlauben, auch einmal unvollkommen zu sein, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbstannahme und innerer Stärke.
Literaturverzeichnis:
Friess, D. (2024). Krankenhafter Perfektionismus – Seid ihr zu perfektionistisch?. München: ARDalpha. Zugriff am 27.3.2025. Verfügbar unter: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/perfektionismus-symptome-ursachen-krankhaft-zwangsstoerung-tipps-ueberwinden-staerke-100.html?
von Kopp, D. (2020). Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten. Berlin: Springer.
Perfektionismus und die Balance zwischen Exzellenz und psychischer Belastung. (2024). . Privatklinik Friedenweiler GmbH. Zugriff am 27.3.2025. Verfügbar unter: https://www.klinik-friedenweiler.de/blog/perfektionismus-die-balance-zwischen-exzellenz-u-psychischer-belastung/?
Rödel, S., Bathen-Gabriel, M. & Rehfeld, K.-M. (2025). Perfektionismus, Imposter-Phänomen und Prokrastination. Wiesbaden: Springer.
Schenk, D. (2021). Der Anti-Stress-Trainer für Working Moms. Wiesbaden: Springer.
Titelbildquelle:
Titelbild von Sebastian Herrmann veröffentlicht am 18.September 2024
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