By Published On: 28. September 2021Categories: Meine Hochschule und mein Studium

Wieder einen Tag verschwendet, wieder nicht produktiv genug gewesen und nein für die Geburtstagsfeier meines Bruders habe ich schon gar keine Zeit. – Wir alle kennen das Gefühl des gehetzten Lebens, das Gefühl uns ständig beeilen zu müssen, um das „Meiste“ aus unserer Zeit rauszuholen. Unsere Gesellschaft hat ein feines Gespür für den Wert von Geld, doch den Zeitwert zu bestimmen scheint unmöglich. Die Gründe für jene kognitive Verzerrung und wie man Zeitfallen verhindern kann wird in diesem Beitrag thematisiert.

Sie haben zu viele Dinge zu tun und zu wenig Zeit, um sie zu tun? Dieses Gefühl der Zeitarmut trifft alle Kulturen sowie alle gesellschaftlichen Schichten. 2012 behaupteten 50% der befragten Berufstätigen aus der USA, dass sie sich ständig gehetzt fühlen. 2015 waren es schon 80%, die meinten ihnen würde die verfügbare Zeit nicht ausreichen und dieser Wert steigt von Jahr zu Jahr immer weiter an. Man könnte meinen dies sei eine der Erste-Welt-Sorgen, wenn man sonst keine Probleme hat, doch Zeitarmut sollte aufgrund ihrer gesellschaftlichen Kosten ernstgenommen werden. Sie löst nicht nur Trauer aus, sondern verringert auch die Produktivität und Entspannung, wodurch Themen wie gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung von Betroffenen vernachlässigt werden, was in weiterer Folge zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. (Whillans, 2021)

Früher hatten wir mehr Freizeit“

Tatsächlich gibt es einige Indizien, die auf eine Beschleunigung alltäglicher Handlungen in den letzten drei Jahrzehnten deuten: wir sprechen schneller, wir gehen schneller und die Länge einer als „medientauglich“ einsetzbaren Aussage schrumpft. So schmolz eine Äußerung im Fernsehen von 42,3 Sekunden im Jahr 1986 keine zwanzig Jahre später auf durchschnittlich 9 Sekunden zusammen. (Immerfall, 2020) Zurückblickend ist die Aussage auch sehr naheliegend, dass früher einfach weniger gearbeitet wurde als heute, was jedoch nicht der Wahrheit entspricht, da die OECD-Daten für 1950 zeigen, dass die durchschnittliche Arbeitswoche 37,8 Stunden hatten, während der Durschnitt im Jahr 2017 34,2 betrug.

„Technik, die Zeit spart“

Alles wird schneller. Alles beschleunigt sich. Alles wird komplexer. Und doch – vieles wird einfacher. Es kommt immer darauf an, aus welcher Perspektive man darauf schaut. (Bölzing, 2018) Aufgrund der Entwicklung neuer Technik wie Mikrowellen, Staubsaugern und digitaler Kommunikation Zeit wird Zeit gespart, weshalb wir uns eigentlich über all die gewonnenen Stunden freuen sollten. Doch wo die Technik Zeit spart, nimmt sie sie uns auch wieder weg. Durch Smartphones sind wir ständig erreichbar, was der Auslöser dafür ist, dass wir zwar in Summe auf die Stundenanzahl bezogen, weniger als früher arbeiten, dafür jedoch jederzeit, da wir ununterbrochen erreichbar sind. Wir nutzen also Mobilgeräte, um steuern zu können, wann und wie lange wir arbeiten, was ironischerweise mit der Konsequenz verbunden ist, dass wir nicht mehr aufhören zu arbeiten. Die ständige Verbindung gilt somit als die Nummer eins der Zeitfallen. (Whillans, 2021)

Multitasking

Bist du multitasking-fähig? Viele würden diese Frage ohne zu zögern mit „Ja“ beantworten. Laut Studien sind es jedoch nur 2% der Weltbevölkerung, die tatsächlich in der Lage sind Tätigkeiten gleichzeitig zu erledigen, ohne, dass die Qualität einer der beiden beeinträchtigt ist. Der Gedanke, dass es mehr Zeit kostet, sich auf eine einzelne Aufgabe zu konzentrieren, anstatt mehrere gleichzeitig zu erledigen ist demnach falsch. (Shetty, 2020) Dieses Phänomen ist außerdem unter dem Begriff „Zeitkonfetti“ bekannt, da es die Schnipsel von Sekunden beschreibt, die wir an den unproduktiven Versuch des Multitaskings verlieren. Ein Schnipsel allein scheint gar nicht sonderlich schlimm, doch in Summe entwickelt es sich zu einer unbemerkten Zeitfalle. (Whillans, 2021)

Stress als Statussymbol

42% der Menschen (zwischen 36 und 55) in Deutschland fühlen sich besonders in der Arbeit oft gehetzt und überfordert. (Statista-Umfrage, 2016) Jedoch muss erwähnt werden, dass viele Menschen in ihrer Arbeit den Sinn ihres Seins sehen und versuchen durch dauernde Beschäftigung, Erreichbarkeit oder Anwesenheit ihre Identität aufzupolieren. Nicht wenige checken ihre E-Mails selbst noch nach 21 Uhr, bleiben absichtlich trotz Unproduktivität länger im Büro, oder wollen nicht die oder der Erste sein, der das Firmengebäude verlässt, da es ja den Eindruck erwecken könnte eine schlechte Arbeitskraft zu sein. Stress wird oft falsch verstanden als eine Art des „gebraucht-werdens“, was wiederum Macht und Status erzeugt. (Whillans, 2021)

Geld > Zeit

Wir glauben fälschlicherweise, dass Geld uns mehr Zufriedenheit beschert als Zeit, was die Zeitfalle der gesellschaftlichen Besessenheit von Arbeit erklärt. Die Forschung zeigt zwar, dass Geld vor Traurigkeit schützt, jedoch nicht automatisch als Erzeuger von Freude gilt. Aus diesem Grund fahren Leute extra weit, um eine günstigere Tankstelle zu finden, oder suchen stundenlang nach Billigflügen, um ja das günstigste Angebot buchen zu können. Handlungen wie diese sparen zwar Geld aber opfern einiges an Zeit, welche man anders investieren hätte können in positive Zeit für uns selbst, unseren Freundeskreis oder die Familie, was die Zeit ist, die am leichtesten zu opfern scheint, obwohl es meist die wertvollste ist. (Whillans, 2021)

Zusammenfassend kann man demnach daraus schließen, dass man sich auf Aufgaben als einzelne konzentrieren sollte, damit einem mehr als nur Schnipseln von Sekunden überbleiben, die man in attraktive Erholung, das Genießen von Mahlzeiten oder in geliebte Menschen investieren kann. Besonders erwähnenswert ist heutzutage der Tipp den Wert von Geld nicht vor den Zeitwert zu setzen und aufwändige Preisvergleiche zu vergessen und stattdessen das Wertschätzen lernen sollte, indem man sich selbst in ständiger Hektik Momente nimmt, in denen man sich die Kostbarkeit der Zeit wieder in Erinnerung ruft, da man sie niemals zurückbekommt. Zeit ist zwar gratis, aber auch unbezahlbar. (Shetty, 2020)

Literatur

Bölzing, D. (2018). Überleben und Wachsen in der Sofortgesellschaft. Kelkheim: Springer.

Immerfall, S. (2020). Zeitdruck als kulturübergreifender Stressor. Springer.

Shetty, J. (2020). Think like a monk. London.

Statista-Umfrage. (November 2016). Statista-Mehrthemenbefragung . https://de.statista.com/statistik/daten/studie/233506/umfrage/zeitdruck-und-arbeitshetze-bei-arbeitnehmern-nach-position-und-arbeitszeit/.

Whillans, A. V. (Oktober 2021). Zeit finden. Psychologie Heute.

Beitragsbild: https://pixabay.com/de/photos/zeit-uhr-wecker-pastell-farben-3435879/

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