By Published On: 4. Januar 2020Categories: Gesundheit, Psychologie, Wirtschaft

Die Zufriedenheit der deutschen Arbeitnehmer wurde 2018 von der ManpowerGroup anhand von 1.004 Studienteilnehmern, darunter 753 Berufstätigen erhoben. Die Ergebnisse belegen, dass ca. 50% der Arbeitnehmer mit ihrer aktuellen Arbeit zufrieden sind. Jedoch würden ebenso ca. 50% ihren Job wechseln, wenn sich dadurch die Arbeitsbedingungen, etwa das Gehalt, verbessern würden. Für die Unzufriedenheit von immerhin knapp der Hälfte der Teilnehmer ist das Gehalt mit 22% verantwortlich, gefolgt von fehlender Anerkennung mit 15% sowie 12% der Teilnehmer, die über ein schlechtes Arbeitsklima im Job klagen. Schlusslichter bilden die unflexiblen Arbeitszeiten sowie die fehlende Lust auf die Tätigkeit mit jeweils 11% der Angaben.[1] Die Ergebnisse decken sich zum Teil mit der Studie zur Digitalisierung und Arbeitszufriedenheit der ADVANTGARDE Experts (2018). Hier gaben ebenfalls 51% an, dass ihre Zufriedenheit am ehesten über das Gehalt beeinflusst wird. Wird dieser Faktor ausgeklammert, dominieren hingegen formale Gegebenheiten wie nette Kollegen, eine ausreichende Work-Life-Balance oder flexible Arbeitszeiten vor den inhaltlichen Aspekten der eigentlichen Arbeitstätigkeit, vgl. Abbildung 1.[2]

 

Abbildung 1: Einflussfaktoren der Arbeitszufriedenheit[3]

 

Anhand der Ergebnisse lässt sich die Frage stellen welchen Einfluss die Zufriedenheit bzw. die Unzufriedenheit der Hälfte aller deutschen Arbeitnehmer auf die Arbeitsleistung hat? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Arbeitspsychologie und untersucht das Konstrukt der Arbeitszufriedenheit unter verschiedenen Blickwinkeln und Fragestellungen.[4] Nach Nerdinger (2006) wird die Meinung und die emotionale Reaktion zur Arbeit maßgeblich von der Arbeitszufriedenheit bestimmt. Zusätzlich entscheidet sie über die Bereitschaft sich in einer geforderten Art und Weise zu verhalten. Ob die Zufriedenheit von Individuen positiv oder negativ ausfällt, hängt von verschiedensten Faktoren ab. Zusätzlich  muss ein Mitarbeiter nicht zwingend in allen Bereichen die gleiche Zufriedenheit aufweisen und kann etwa mit den Kollegen zufrieden, jedoch mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden sein. In der psychologischen Forschung werden diesen Aspekte durch die separate Erfassung der sogenannten „globalen Zufriedenheit“ und den verschiedenen Facetten Rechnung getragen. Die globale Zufriedenheit wird in wissenschaftlichen Studien überwiegend mit einer einzigen Frage erfasst, die sich der Kritik mangelnder Reliabilität stellen muss.[5] Die Zufriedenheit der einzelnen Arbeitsfacetten erfolgt mit anerkannten reliablen und validen Messinstrumenten. In Deutschland hat sich dafür der „Arbeits-Beschreibungs-Bogen“ (ABB) von Neuberger und Allerbeck (1978) etabliert.[6]

 

Welche Faktoren beeinflussen die Mitarbeiterzufriedenheit?

 

Zu den Einflussfaktoren der Mitarbeiterzufriedenheit liegen eine Vielzahl an unterschiedlichen Konzepten vor. Die „Zwei-Faktoren-Theorie“ von Herzberg und Kollegen unterteilt die Einflussbedingungen in die sogenannten „Kontext- und Kontentfaktoren“, auch Hygienefaktoren und Motivatoren genannt, die in Tabelle 1 im Detail dargestellt sind.[7]

Hygienefaktoren Motivatoren
Entlohnung und Gehalt Leistung und Erfolg
Personalpolitik, Führungsstil Anerkennung
Arbeitsbedingungen einschl. Autonomie und Unterstützung Arbeitsinhalte
Zwischenmenschliche Beziehungen zu Mitarbeitern und Vorgesetzten Verantwortung
Sicherheit der Arbeitsstelle Aufstieg und Beförderung
Einfluss auf das Privatleben Wachstum

Tabelle 1: Zwei-Faktoren-Theorie – Hygienefaktoren und Motivatoren[8]

 

Die Hygienefaktoren beschreiben jene Gegebenheiten, die für die Zufriedenheit von Individuen eine entscheidende Rolle spielen, etwa die Arbeitsplatzsicherheit, das Gehalt, die Beziehungen zu den Kollegen und Vorgesetzten oder die Arbeitsbedingungen. Betont werden muss jedoch, dass trotz Erfüllung aller Kontextfaktoren noch keine Mitarbeiterzufriedenheit eintreten muss. Vielmehr sprechen Herzberg und Kollegen von einer neutralen „Nicht-Zufriedenheit“, die erst durch die Existenz von intrinsischen Kontentfaktoren, den Motivatoren, zu einer individuellen Zufriedenheit ausgeweitet werden kann. Dazu zählen Anerkennung, Arbeitsergebnisse, die Möglichkeiten zur Verantwortungsübernahme, die beruflichen Karrieremöglichkeiten, das Gefühl sich bei der Arbeit entfalten zu können sowie der eigentliche Arbeitsinhalt.

Zu den Erkenntnissen kamen die Wissenschaftler aufgrund ihrer „Pittsburgh-Studie“, bei der insgesamt 203 Probanden in halbstandardisierten Interviews zu ihren vergangenen positiven und negativen Arbeitserlebnissen befragten wurden. Aus den Antworten leiteten die Wissenschaftler insgesamt 16 meistgenannte Kategorien ab. Kritiker bemängeln die Doppeldeutig einiger der Zwei-Faktoren-Kategorien und die damit einhergehenden Probleme bei der Reproduzierbarkeit der Studienergebnisse. Zusätzlich können durch die retrospektive Befragungsmethode fehlerhafte Selbsteinschätzungen zu Stande gekommen sein, da Individuen im Sinne der Selbstbildaufwertung zufriedenstellende Erlebnisse internal attribuieren und Unzufriedenheit vornehmlich auf externale Gegebenheiten zurückführen. Trotz der Kritikpunkte hat das Modell bis heute seine Gültigkeit bewahrt und dazu geführt, dass neben harten ökonomischen Faktoren auch die intrinsische Motivation eines Mitarbeiters wichtig geworden ist.[9]

Wie die eigentliche Arbeitstätigkeit zufriedenheitsfördernd gestaltet werden sollte, wird durch das „Job-Characteristics Model“ von Hackman und Oldham (1980) genauer beschrieben.[10] Die Wissenschaftler nennen als Hauptfaktoren für eine zufriedenstellende Arbeit die empfundene Bedeutsamkeit, Verantwortlichkeit sowie das Wissen über die eigenen Arbeitsergebnisse und dessen Qualität. Erreicht werden die drei Grundbedingungen, wenn die Arbeit möglichst viele Fähigkeiten des Mitarbeiters beanspruchen und ein möglichst hoher Grad vom Arbeitsergebniss selbst beeinflusst werden kann. Sobald Mitarbeiter nur kleine Teilaufgaben übernehmen dürfen, sinkt die empfundene Sinnhaftigkeit. Mitarbeiter sind zudem zufriedener, wenn sie erkennen welchen Anteil ihre Arbeit zum Unternehmenserfolg, für die Kunden oder anderen Abteilungen liefern kann. Mit der Bedeutsamkeit gehen die Aspekte der Autonomie einher. Zufriedene Arbeitnehmer haben das Gefühl ihre Arbeit selbst gestalten sowie Entscheidungen zumindest in Teilen selbst treffen zu können. Als weiterer Faktor dienen positive Rückmeldungen, die sich aus der Arbeit heraus ergeben und dem Mitarbeiter befähigen seine Leistungen eigenständig anzupassen.[11] Nerdinger, Blicke und Schaper (2011) merken an, dass nicht alle Menschen gleichermaßen auf die beschriebenen Faktoren reagieren. Die Stärke hängt von dem individuellen Bedürfnis nach persönlicher Entfaltung zusammen. Je stärke dieses Bedürfnis ist, desto eher korrelieren die Merkmale mit der Arbeitszufriedenheit des Mitarbeiters.[12]

In der empirischen Datenlage lassen sich zudem, insbesondere seit den 2000er Jahren, eine große Anzahl an Studien zu dem Einfluss von persönlichen Merkmalen auf die Arbeitnehmerzufriedenheit finden. Judge, Thoresen, Bono und Pattron (2001) untersuchten zeitlich überdauernde Persönlichkeitsmerkmale in Bezug zur Arbeitszufriedenheit und stellten fest, dass vor allem ein hohes Energielevel, Enthusiasmus und Engagement zu positiven Affektstärken führt.[13] Stress oder Nervosität einer Person führen hingegen eher zu negativen Angaben in Bezug auf die subjektive Arbeitszufriedenheit.[14]

 

Konsequenzen für die Praxis

 

Die Ergebnisse belegen die dringende Notwendigkeit die Arbeitszufriedenheit von Mitarbeitern regelmäßig zu erfassen und bei Bedarf Maßnahmen zur Motivierung bzw. Zufriedenheitssteigerung einzusetzen, um negative Auswirkungen auf das Arbeitsklima und die Arbeitsproduktivität zu verhindern. Nerdinger (2006) nennt exemplarisch sechs Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber. Zunächst sollten Unternehmen die Arbeitszufriedenheit ihrer Mitarbeiter erfassen. Dies kann entweder schriftlich, etwa durch eine Befragung, jedoch auch über ein persönliches Gespräch oder Verhaltensbeobachtungen geschehen. Weiterhin ist es ratsam die Führungskräfte angemessen zu schulen, sodass diese in der Lage sind in gesundheitsförderlicher Weise auf ihre Mitarbeiter einzugehen und mit ihnen zu kommunizieren. Da finanzielle Anreize nur kurzzeitig motivieren, sollte der Hauptaugenmerkt von Arbeitgebern auf den oben beschriebenen intrinsischen Motivatoren liegen, die die Tätigkeit interessant und sinnstiftend gestalten können. Aus den bereitgestellten Erkenntnissen ergibt sich zudem die Notwendigkeit die Autonomie der Mitarbeiter zu stärken. Nerdinger empfiehlt daher Mitarbeitern nicht nur Teilbereiche einer Arbeit zu übergeben, sondern sie in die gesamte Aufgabe mit voller Verantwortung einzubeziehen. Die Empfehlungen nach ausreichend sozialen Kontakten sowie regelmäßiger Wertschätzung runden die Praxisempfehlungen ab. Ein „Nichts gesagt, ist gelobt genug“ wird Mitarbeiter langfristig nicht zufriedenstellen.[15]

 

Fußnoten

 

[1] ManpowerGroup Deutschland (2019, S. 3)

[2] ADVANTGARDE Experts (2018, S. 5)

[3] ADVANTGARDE Experts (2018, S. 5)

[4] Judge, Parker, Colbert, Heller und Ilies (2001, S. 25)

[5] Nerdinger (2006, S. 729)

[6] Neuberger und Allerbeck (1978)

[7] Herzberg (2017, S. 60)

[8] Herzberg (2017, S. 60)

[9] Nerdinger (2011, S. 396-398)

[10] Hackman und Oldham (1980)

[11] Nerdinger (2011, S. 399)

[12] Nerdinger, Blickle und Schaper (2011, S. 425)

[13] Judge, Thoresen, Bono und Patton (2001, S. 390)

[14] Thoresen, Kaplan, Barsky, Warren und de Chermont (2003, S. 915)

[15] Nerdinger (2006, S. 758-759)

 

Literatur

 

ADVANTGARDE Experts. (2018). Quo Vadis „Arbeiten in Deutschland?“ – Eine Studie von AVANTGARDE Experts zur Arbeitszufriedenheit und Digitalisierung in Deutschland. München.

Hackman, J. R. & Oldham, G. R. (1980). Work redesign. Addison-Wesley: Reading.

Herzberg, F. (2017). Motivation to Work: Taylor & Francis.

Judge, T. A., Parker, S., Colbert, A. E., Heller, D. & Ilies, R. (2001). Job satisfaction: A cross-cultural review. Handbook of industrial, work and organizational psychology, 2, 25-52.

Judge, T. A., Thoresen, C. J., Bono, J. E. & Patton, G. K. (2001). The job satisfaction–job performance relationship: A qualitative and quantitative review. Psychological bulletin, 127(3), 376.

ManpowerGroup Deutschland. (2019). Bevölkerungsbefragung Jobzufriedenheit 2019. Frankfurt am Main.

Nerdinger, F. (2011). Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit. In F. Nerdinger, G. Blickle & N. Schaper (Hrsg.), Arbeits- und Organisationspsychologie. Berlin Heidelberg: Springer.

Nerdinger, F., Blickle, G. & Schaper, N. (2011). Arbeits- und Organisationspsychologie (Lehrbuch mit Online-Materialien). Berlin Heidelberg: Springer.

Nerdinger, F. W. (2006). Motivierung. In H. Schuler (Hrsg.), Handbuch Personalpsychologie. Göttingen: Hogrefe.

Neuberger, O. & Allerbeck, M. (1978). Messung und Analyse von Arbeitszufriedenheit. Bern: Huber.

Thoresen, C. J., Kaplan, S. A., Barsky, A. P., Warren, C. R. & de Chermont, K. (2003). The affective underpinnings of job perceptions and attitudes: a meta-analytic review and integration.

 

Bildquelle Titelbild:

Bild von Mohamed Hassan auf Pixabay (https://pixabay.com/de/illustrations/rückmeldung-zufriedenheit-3240007/)

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