By Published On: 1. April 2019Categories: Gesundheit, Psychologie

Die schwerwiegenden Auswirkungen durch den fehlerhaften Einsatz bewusstseinserweiternder Stimulantien zeigen die drei in Teil 1 beschrieben dramatischen Fälle der Opfer Marcel K. (†, 25), Joachim K. (†, 59) und Sabine B. (59). Besonders problematisch ist die große Anzahl der verwendeten Wirkstoffe und ihre willkürliche Kombination. Die daraus resultierenden fatalen Nebenwirkungen sind somit kaum zu Überblicken. Trotzdem soll die nachfolgende Abbildung etwas Aufschluss hinsichtlich der drei hauptsächlich zum Einsatz kommenden Substanzen MDMA, LSD und Psilocybin geben.

Auffällig sind neben den sehr unterschiedlichen Dosierungen und daraus resultierenden Wirkdauern, besonders die zahlreichen vor allem negativen Auswirkungen auf Psyche und Körper. Nimmt man den zuvor beschriebenen sogenannten „Candyflip“, also eine Kombination des Entaktogens MDMA mit dem Halluzinogen LSD, möglicherweise ergänzt durch Psilocybin zu sich, soll dies den Geist hinsichtlich Kommunikationsbereitschaft und Fähigkeit zur Introspektion fördern (MDMA vermittelt) und gleichzeitig unbewusste Konflikte aktivieren (LSD bzw. Psilocybin vermittelt). Die potentiellen Nebenwirkungen, angefangen mit erhöhtem Blutdruck, Schwindel sowie Übelkeit bis hin zu schweren Panikattacken und Herzinfarkt bleiben hier jedoch gänzlich außer Acht.[3] Fraglich ist daher, ob die sogenannte „Seelenlösung“, als ultimatives Ziel einer psycholytischen Sitzung rechtfertigt, die eigene Gesundheit einem solch enormen Risiko auszusetzen. Diese angeblich freiwillige Entscheidung treffen die Teilnehmer in der Regel von außen unbeeinflusst und eigenständig innerhalb eines Wochenend-Workshops. Dieser umfasst laut ehemaliger Besucher, am ersten Tag lediglich harmlose Meditationen, Atemübungen und Katathym Imaginative Psychotherapie (KIP/ Symboldrama) nach Leuner. Hierbei werden über emotional gestaltete Imagination, ähnlich einem Tagtraum, alle Sinnesmodalitäten aktiviert und vermitteln durch die zentrale Komponente (Gegen-) Übertragung, der Zugang zum dynamischen Unbewussten, sowie zu Widerständen ermöglicht.[4] Erst am zweiten Tag eines solchen Seminars, kommt es in einem abgedunkelten Raum zum zeitversetzten Substanzkonsum über mehrere Stunden hinweg. Unterstützt wird dieses „bewusstseinserweiterndes Erlebnis“ durch musikalische Untermalung, sowie Lesungen aus den Büchern von Samuel Widmer. Über den gesamten Seminarzeitraum werden die Teilnehmer zu einer verschwiegenen und eingeschworenen Gemeinschaft verschmolzen, die ähnlich einer Sekte agiert. Darüber hinaus wurde speziell in Zusammenhang mit Angeboten der Kirschblütengesellschaft von Intimitäten mit sexueller Komponente bis hin zu medikamentös gestützten Orgien mit Gruppensex zwischen wechselnden Partnern berichtet. Das eine solche Vorgehensweise in keinem Maße, dem einer Psychotherapie entspricht und auch dem beruflichen Ethos von fachlich qualifizierten Therapeuten widerspricht, sollte nicht weitergehend beleuchtet werden müssen.

Auf Basis solcher Augenzeugenberichte kombiniert mit den veröffentlichten Presseberichten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, zeichnet sich ein düsteres Bild. Darüber hinaus kritisieren ebenso wissenschaftlich fundierte Quellen und namhafte Wissenschaftler die obskuren Praktiken der Psycholyse nachdrücklich.

Die Psycholyse zieht Therapeuten an, die sich nicht damit abfinden können, dass eine therapeutische Behandlung ein Lernvorgang ist, der Zeit und Mühe kostet. Es ist für viele Helfer schwierig, in die psychotherapeutische Welt der Lernprozesse hineinzufinden, die nicht durch Medikament oder Operation ersetzt werden können.[5]

Prof. Dr. Andres Heinz, Direktor der Berliner Charité-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, kommt zu dem Schluss, dass seit mindestens 20 Jahren kein Grund mehr dafür besteht, bei psycholytischer Therapie von einem wissenschaftlich anerkannten Verfahren zu sprechen. Seiner Meinung zufolge sollte Psychotherapie Menschen dazu befähigen selbstbestimmt zu handeln, daher steht die Verabreichung von Drogen hierzu im krassen Gegensatz.[6] Der deutsche Psychologe Prof. Dr. Michael Utsch geht in seiner Kritik der Psycholyse sogar noch weiter, neben den grundlegend fehlenden Qualitäts- und Genehmigungskriterien für alternative Therapieformen mit bewusstseinserweiternden Substanzen, sieht er mit Erschrecken die zunehmende Zahl an Scharlatanen und Gurus, die die Grenzen von Sekten und psychologischer Methodik verwischen, um hauptsächlich in den eigenen Geldbeutel zu wirtschaften.[7]

Eine gänzlich andere Position nimmt die MIND – European Foundation for Psychedelic Science ein, sie verfolgt das Ziel die psychedelische Wissenschaft und ihre praktische Anwendung zu fördern. Dies soll zur Entwicklung der Gesundheit unter Verwendung psychedelischer Substanzen und darüber zum Wohlbefinden des Menschen beitragen, jedoch fußend auf qualitativ hochwertiger Forschung, evidenzbasierte Interventionen, strikten Richtlinien und partizipativen Praktiken.[8] Die Gründer und Mitglieder dieser Organisation gehören nicht offenkundig zur obskuren Psycholyse-Szene, sondern es handelt sich bei ihnen um Wissenschaftler, wie Prof. Dr. Rolf Verres oder Dr. Hendrik Jungaberle. Beiden genannten Psychologen waren federführend bei der DFG-finanzierten Langzeitstudie zur Ritualdynamik und Salutogenese beim Gebrauch und Missbrauch psychoaktiver Substanzen (RISA-Studie) der Universität Heidelberg und darüber hinaus auch Teil der FINDER-Akademie, die sich neben der Präventions- und Gesundheitsförderung, ebenfalls dem Ausbau der Praxis und Grundlagenforschung in diesem Bereich verschrieben hat.[9] Trotz ihres Bestrebens die psychedelische Wissenschaft voranzutreiben und ihr einen neuen Geltungsbereich zu eröffnen, grenzt sich die MIND Foundation deutlich von der zuvor dargestellten Psycholyse-Bewegung ab. Jungaberle kritisiert diese als verhinderte und verletzte soziale Bewegung, welche gelähmt von inneren Widersprüchen, ihres Großteiles illegalen Vorgehensweise nachgeht und währenddessen trotzdem noch versucht ihre Opferrolle gegenüber der international vertretenen Drogengesetzgebung aufrechtzuerhalten.[10]

Obwohl also in der Fachwelt kein Konsens bezüglich der Verwendung von psychoaktiven Substanzen besteht, konnte die Forschung unter strengen Auflagen und hohen wissenschaftlichen Ambitionen im Hinblick auf den Einsatz von MDMA bei posttraumatischer Belastungsstörung erste Erfolge nachweisen.[11] Allerdings können solche einzelnen Erfolge nicht dazu führen eine allumfassende Billigung für die forschungsorientierte Nutzung zu bewirken, hinsichtlich der Nebenwirkung und Risiken für Probanden. Darüber hinaus muss die Einhaltung strikter Richtlinien garantiert werden, speziell auch durch übergeordnete Kontrollinstanzen. Einem solchen Anspruch kann die sektenartige Psycholyse-Bewegung mit Fokus auf der Kirschblütengesellschaft in keiner Weise genügen, weder im Hinblick auf einer wissenschaftlichen Ausrichtung noch auf eine fundierte psychotherapeutische Basis. Daher ist und bleibt die zuvor dargestellte psycholytische Therapie in größtem Maße gefährlich und illegal.


Teil 1 lesen unter:

https://www.wipub.net/lucy-in-the-sky-with-diamonds-psycholyse-ein-umstrittenes-verfahren-teil-1


 

[1] Entaktogen = das Innere berührende Substanz.

[2] BtMG = Betäubungsmittelgesetz.

[3] Gasser, P. 2015.

[4] Bahrke, U./ Nohr, K.: 2013.

[5] Schmidbauer, W.: 20.

[6] Dassler, S./ Stollowsky, C.: 2009.

[7] Utsch, M.: 2015.

[8] Jungaberle, H.: 2016.

[9] Jungaberle, H.: 2004. S. 53ff.

[10] Jungaberle, H./ Gasser, P./ Weinhold, J./ Verres, R.: 2008 S. 21ff.

[11] Mithoefer, M.: 2006. S.14f.

 

Titelbild zu „Lucy in the sky with diamonds“ – Psycholyse ein umstrittenes Verfahren“ (Teil 2)

Quelle:

https://pixabay.com/de/photos/drogen-apotheke-medizinische-2907982/

 

Literatur zu „Lucy in the sky with diamonds“ – Psycholyse ein umstrittenes Verfahren“ (Teil 2)

Bahrke, U./ Nohr, K.: 2013. Die Katathyme Imaginative Psycotherapie – Vom Erstkontakt zur Initialimagination. In: Bahrke, U./ Nohr, K. (Hrsg.): Lehrbuch der Arbeit mit Imagination in psychodynamischen Psychotherapien. Springer Verlag. Berlin, Heidelberg. 11-30.

Dassler, S./ Stollowsky, C.: Todesfälle während der Psychotherapie. 2009

Online abgerufen über die Zeit online-Homepage: (21.10.2018)

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2009-09/psycholytisch-berlin

Jungaberle, H.: Rituale des Rausches? Soziale Kompetenzen und Inventionen im Umgang mit psychoaktiven Substanzen. Paragrana. Heft 13 (2). 2004. 53-69.

Jungaberle, H./ Gasser, P./ Weinhold, J./ Verres, R. (Hrsg.): Therapie mit psychoaktiven Substanzen. Praxis und Kritik der Psychotherapie mit LSD, Psilocybin und MDMA. Hogrefe Verlag. Bern 2008

Jungaberle, H.: Über die Organisation MIND – European Foundation for Psychedelic Science.

Online abgerufen über die MIND-Homepage: (21.10.2018)

https://mind-foundation.org/de/warum-wir-mind-grunden/

Mithoefer, M.: MDMA-assisted psychotherapy in the treatment of posttraumatic stress disorder (PTSD): Ninth update on study progress. Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies. Bulletin. Heft XVI (3). 2006. 14-15.

Psychedelische Gesellschaft Deutschland. Katalytika: MDMA, LSD & Co.

Online abgerufen über die PGD-Homepage: (21.10.2018)

https://psychedelische-gesellschaft.org/de/informationen/katalytika-mdma-lsd-co/

Schmidbauer, W.: Nes-Zen. Zur Seele. In: Schmidbauer, W (Hrsg.): Die Seele des Psychologen – Ein biografisches Fragment. Orell Füssli Verlag. Zürich. 2016

Utsch, M.: Psycholytische Psychotherapie. In: Materialdienst. Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen. Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen. 78. Jahrgang. Heft 11/ 15. 2015 432-437.

 

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