By Published On: 19. Juni 2023Categories: Pädagogik, Psychologie, Wiki

Underachiever bedeutet im deutschen übersetzt Minderleister. Das sind Personen jeden Alters, die eine geringere Leistung aufweisen, als sie nach ihrem Intellekt eigentlich leisten könnten. Es besteht also eine Diskrepanz zwischen gezeigter und möglicher Leistung. Sind von diesem Phänomen Erwachsene betroffen, handelt es sich meist um spät oder nicht entdeckte Hochbegabte. Da Underachievement in der Regel aber schon im Kindesalter auftritt, liegt der Fokus in diesem Beitrag auf der Zielgruppe der Schulkinder. Wie dieses Verhalten entsteht, woran man einen Minderleister erkennen kann und wie diese Kinder positive Unterstützung erfahren können, um ihre Potentiale zu entfalten, wird im folgenden Beitrag dargestellt.

Underachivement – Definition

Die Bezeichnung Underachiever wird für hochbegabte Schülerinnen und Schüler verwendet, die trotz einer über dem Durchschnitt liegenden Intelligenz und einem hohen Leistungspotenzial nur schwache Schulleistungen aufweisen. Auf Grund des hohen Potentials wird eine andere Leistung erwartet, weshalb man auch von erwartungswidriger Minderleistung spricht (Preckel & Vock, 2021, S. 123–124). Geschulte Lehrkräfte mit einer guten Beobachtungsgabe sind bei eindeutigen Umständen in der Lage, diese Diskrepanz zu erkennen. Da die Identifizierung in den meisten Fällen nicht offensichtlich ist, bleiben diese intelligenten Kinder oft unentdeckt und die gezeigte schwache Leistung wird geringen Fähigkeiten zugeschrieben (Blut, 2020, S. 151–152). Abhängig von der Ausprägung der schlechten Leistung kann diese zum Wiederholen einer Klassenstufe bis hin zu Schulwechsel in eine leistungsniedrigere Schule führen. In Ausnahmefällen kann es bis zur Schulverweigerung des Kindes kommen. Diese schulischen Probleme wirken sich auch auf das soziale Umfeld und die Familie des Kindes aus.  Ebenfalls ist eine Veränderung im sozialverhalten des Kindes ersichtlich, was mit mangelnder Motivation, störendem Verhalten und geringem Wohlbefinden bis hin zu psychosomatischen Beschwerden einhergeht. Gerade hochbegabte Underachiever weisen ein negatives Selbstkonzept in Bezug auf ihre schulische Leistung als auch auf sich persönlich auf, welches sich im schulischen Verlauf sogar noch weiter verstärkt (Blut, 2020).  Das Phänomen des Underachievement betrifft mehr Jungen als Mädchen (Preckel & Vock, 2021, S. 125). Es tritt meist schon im Grundschulalter auf und verfestigt sich in der weiterführenden Schule (Preckel & Vock, 2021, S. 129).

Ursache und Wirkung

Hochbegabte Kinder sind nicht direkt gekoppelt mit Leistungsproblemen, jedoch kann eine dauerhafte Unterforderung zur Entstehung von Underachievement beitragen. Die Diskrepanz zwischen gezeigter Leistung und hohem Potential hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Hierzu zählen neben schulischen und familiären Konstellationen auch die individuellen Eigenschaften des Kindes (Preckel & Vock, 2021, S. 126). Unterforderung und eine ständige Langeweile führen zu sinkendem Interesse als auch zu Lern- und Motivationsproblemen in der Schule. Die Folgen dessen sind schulischer Misserfolg, auftretenden Prüfungsangst und Minderwertigkeitsgefühle (Breuer-Küppers, Hintz & Spies, 2021, S. 11). Auch die Andersartigkeit dieser Kinder kann zur Ablehnung von Klassenkammeraden führen und macht sich in auffälligem Sozialverhalten sichtbar (Blut, 2020, S. 151–152). Familiäre Einflussfaktoren auf die Leistung können häusliche Konflikte sowie eine schlechte Interaktion zwischen den Eltern und dem Kind sein. Auch ein geringes Interesse der Eltern, fehlende Unterstützung  als auch ein zu hoher Erwartungsdruck der Eltern können Underachievement begünstigen (Mähler, Cloos, Schuchardt & Zehbe, 2023, S. 27). Weitere Faktoren, die das Verhalten von betroffenen Kindern mitbeeinflussen können ist das mögliche gemeinsame Auftreten von Problemen wir emotionalen Störungen, ADHS, als auch Teilleistungsstörungen wie Lese- und Rechtschreibschwäche (Preckel & Vock, 2021, S. 127). Begünstigen sich einige dieser Faktoren gegenseitig, kann dadurch eine negative Abwärtsspirale entstehend. Aus diesem Grund ist es schwer ersichtlich, welche Faktoren Ursache und welche Wirkung im individuell auftretenden Fall sind. Um die Ursache zu identifizieren ist das in Anspruch nehmen von professioneller psychologischer Beratung, wie dem Schulpsychologischen Dienst, empfehlenswert. Mit Hilfe von diagnostischer Abklärung ist es möglich die Bedingungen, die zu dem veränderten Verhalten des Kindes geführt haben, aufzudecken und Unterstützungsmöglichkeiten für die Zukunft als auch präventiv zu induzieren (Mähler et al., 2023, S. 28).

Unterstützung und Hilfe

Wird ein Kind als Underachiever identifiziert ist es oft hilfreich, alle beteiligten Instanzen bei der Unterstützung des Kindes mit einzubeziehen. Hierzu zählen neben dem Kind an sich auch sein familiäres Umfeld, die Schule sowie der schulpsychologische Dienst, sofern dieser vorhanden ist. In vielen Fällen ist eine professionelle psychologische Beratung unumgänglich, da das gezeigte Verhalten eine große emotionale Belastung für das Kind darstellt.  Ebenfalls beeinträchtigt das Verhalten das Zusammenleben in der Kindesfamilie und wirkt sich negativ auf das Wohlbefinden des Kindes und dessen Selbstbild aus. Psychologische Beratung kann darin unterstützen die veränderten Verhaltensweisen der Underachiever positiv zu beeinflussen und die Lebensqualität zu erhöhen. Die Diskrepanz zwischen den Anforderungen in der Schule und den Leistungen des Kindes sollten durch Förderung und pädagogische Interventionen wiederhergestellt werden, so dass dem Kind ein Lernen auf seinem individuellem Fähigkeitsniveau ermöglicht wird (Weigand et al., 2020, S. 81). Da Underachiever das Lernen nie gelernt haben, sollte das Kind dabei unterstützt werden, neue Lerntechniken kennenzulernen und sich diese anzueignen (Weigand et al., 2020, S. 79). Auch Enrichment-Programme stellen ein wirksames Lernformat dar, welches die betroffenen Kindern als Unterstützung positiv beeinflusst, da diese Schulformate auf selbstgestütztem und erforschendem Lernen basieren (Weigand et al., 2020, S. 81). Neben schulbegleitenden Angeboten werden von verschiedenen Institutionen auch Ferienakademien in Bezug auf Hochbegabung angeboten, die auch für Underachiever eine gute Chance bieten, ihr Wissen in ihren speziellen Interessengebieten anzuwenden und Gleichgesinnte kennenzulernen (Germann-Tillmann, 2021, S. 165). Ebenfalls ist es wichtig das Kind bei der Entscheidungsfindung mit einzubeziehen, wenn es um das Überspringen einer Schulklasse oder das Wechseln der Schule geht. Voraussetzung für eine individuelle und zielgerichtete Förderung ist in allen Fällen eine sensible Absprache und enge Zusammenarbeit durch die psychologische Beratung, die pädagogischen Fachkräfte, den Eltern als auch dem betroffenen Kind.

Fazit

Eine hohe Intelligent muss nicht zwangsläufig mit Problemen gepaart sein. Wird diese Begabung jedoch nicht erkannt und fließen noch andere Faktoren negativ in die Entwicklung des Kindes mit ein, kann dies die Entstehung von Underachievement hervorrufen. Um eine Manifestation des veränderten Verhaltens zu vermeiden ist es wichtig, diese Kinder schon früh durch die Eltern oder geschultes Fachpersonal zu identifizieren. Mittels entsprechender Lernmöglichkeiten und individueller Förderung erhalten diese Kinder die nötige Unterstützung, um ihr gesamtes Potential zu entfalten und ein für sie passendes Selbstkonzept zu entwickeln.

Literaturverzeichnis

Blut, T. C. (2020). Die Nicht-Kognitiven Aspekte der Hochbegabung. Selbstkonzepte Von Hochbegabten Erwachsenen. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. Verfügbar unter: https://livivo.idm.oclc.org/login?url=https://ebookcentral.proquest.com/lib/zbmed-ebooks/detail.action?docID=6155993

Breuer-Küppers, P., Hintz, A.-M. & Spies, M. (2021). Hochbegabte Kinder inklusiv fördern. Differenzierter Unterricht in der Grundschule. München: Ernst Reinhardt Verlag. Verfügbar unter: https://elibrary.utb.de/doi/book/10.2378/9783497615155

Germann-Tillmann, T. (2021). Hochbegabung und Hochsensibilität. Grundlagen, Erfahrungswissen, Fallbeispiele (1st ed.). Stuttgart: Schattauer. Verfügbar unter: https://ebookcentral.proquest.com/lib/kxp/detail.action?docID=7028520

Mähler, C., Cloos, P., Schuchardt, K. & Zehbe, K. (2023). Hochbegabung und soziale Ungleichheit in der frühen Kindheit (1. Auflage). Weinheim, Basel: Beltz Juventa.

Preckel, F. & Vock, M. (2021). Hochbegabung. Ein Lehrbuch zu Grundlagen, Diagnostik und Fördermöglichkeiten (2., überarbeitete Auflage). Göttingen: Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG. Verfügbar unter: http://ebooks.ciando.com/book/index.cfm?bok_id/2944307

Weigand, G., Fischer, C., Käpnick, F., Perleth, C., Preckel, F., Vock, M. et al. (Hrsg.). (2020). Leistung macht Schule. Förderung leistungsstarker und potenziell besonders leistungsfähiger Schülerinnen und Schüler (Pädagogik, 1. Auflage). Weinheim: Beltz. Verfügbar unter: http://www.content-select.com/index.php?id=bib_view&ean=9783407258830

Bildquelle

Jcomp. (o. J.). Thoughtful little girl with book near a school board. Verfügbar unter: https://www.freepik.com/free-photo/thoughtful-little-girl-with-book-near-school-board_2245186.htm#page=3&query=schule%20langweilig%20kinder&position=42&from_view=search&track=ais

Teile diesen Artikel