„Es ist fast so, als würde mein Gefühl der Unzulänglichkeit umso größer, je besser ich es mache. Ich denke mir dann immer: ‚Jeden Moment wird jemand herausfinden, dass ich (…) nichts von dem verdiene, was ich erreicht habe“ (Emma Watson,2013)
Das Impostor-Syndrom auch als Impostor-Selbstkonzept oder Hochstapler- Phänomen bekannt, hat in den letzten Jahren viel an Bekanntheit gewonnen. Auch in den sozialen Medien ist das Impostor- Syndrom ein viel diskutiertes Thema, das selbst vor prominenten Persönlichkeiten wie Emma Watson nicht Halt macht.
Erstmals wurde es von den Forscherinnen Pauline Clance und Suzanne Imes entdeckt, die das Phänomen ausschließlich an Frauen erforschten. Sie stellten fest, dass das Impostor- Syndrom häufig bei leistungsstarken Frauen auftritt (Clance/ Imes, 1978, S.241). Später entwickelten sie die Clance Impostor Phenomenon Scale (CIPS), um das Phänomen messbar zu machen.
Was ist das Impostor Syndrom?
Es beschreibt eine anhaltende innere Erfahrung intellektueller Unehrlichkeit, bei der sich Menschen trotz Erfolge als Hochstapler fühlen und ihre Leistungen nicht ihren eigenen Fähigkeiten, sondern externen Faktoren zuschreiben (Clance/ Imes, 1978, S.241 f.). Dabei können selbst objektive Beweise, Betroffene nicht davon überzeugen, dass ihre eigenen Kompetenzen für ihren Erfolg verantwortlich sind. Eine Person, welche am Impostor-Syndrom leidet, hat ständig das Gefühl bald aufzufliegen oder dass andere merken könnten, dass sie nicht über ausreichend Kompetenzen verfügt.
Folgend werde ich auf die Prävalenz in der Bevölkerung, die Prädiktoren, wie das Impostor-Syndrom entstehen kann und Auswirkungen berichten.
Prävalenz
Inzwischen konnten die Forschungen zeigen, dass nicht nur Frauen vom Impostor- Syndrom betroffen sind, sondern auch Männer davon betroffen sein können. Eine neue Metaanalyse aus dem Jahr 2025 hat 30 Studien zusammengefasst und festgestellt, dass 62% der Weltbevölkerung vom Impostor- Syndrom betroffen sind (Salari et al. 2025, S.13). Es tritt häufig bei leistungsstarken Personen auf, wobei Ärzte ein 80% höheres relatives Risiko haben, Impostor- Symptome zu entwickeln (Shanafelt et al. 2022, S.1981). Aber auch Wissenschaftler, Politiker oder Schauspieler sind häufiger betroffen. Circa dreiviertel der Menschen sind irgendwann in ihrem Leben vom Impostor-Syndrom betroffen (Hillman,2013). Besonders häufig erscheinen Impostor-Gedanken, wenn man sich neuen Herausforderungen stellt, beispielsweise beim Start eines neuen Jobs oder nach einer Beförderung (Harell, 2023). Viele Jahre schien es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu geben, aber neuere Studien zeigen, dass Frauen tatsächlich häufiger betroffen sind. (Price et al., 2024)
Prädiktoren
Die Selbstwirksamkeit beschreibt den Glauben einer Person an ihre Fähigkeit, bestimmte Aufgaben bewältigen oder Ziele erreichen zu können. Menschen mit Impostor- Syndrom haben oft Schwierigkeiten, ihre eigenen Erfolgserlebnisse als Beweis für ihre Kompetenz zu sehen. Sie schreiben ihren Erfolg externalen Faktoren zu. Dazu können Glück, Zufall oder ein freundlicher Vorgesetzter zählen. Das Fehlen des Glaubens an die eigenen Fähigkeiten, führt zu einer geringen Selbstwirksamkeit, die ein starker Prädiktor für das Impostor-Syndrom ist (Naser et al. 2022, S.1). Die Interpretation eigener Erfolgserlebnisse ist meist verzerrt und es wird sich auf kleine Fehler konzentriert, um das Erfolgserlebnis zu schmälern. Auch durch die objektive Anerkennung der Erfolge von außen, können Betroffene ihre eigene Leistung nicht wertschätzen.
Ein weiterer Grund für das Auftreten des Impostor-Syndroms liegt in der Kindheit. Der Selbstwert wird in den ersten Lebensjahren gebildet und entsteht durch die Spiegelung der Eltern und des Umfelds. Dabei lernen Kinder, sich selbst zu bewerten und den eigenen Wert zu bemessen, basierend auf den Reaktionen, Botschaften und Spiegelungen primärer Bezugspersonen (Stahl, 2015, S.23). Wenn in diesen prägenden Jahren vermittelt wird, ob direkt oder indirekt, nicht genug zu sein oder sich Anerkennung und Liebe verdient werden müssen, bildet sich ein geringer Selbstwert. Dieser geringer Selbstwert kann die Grundlage für das Impostor-Syndrom legen (Salari et al. 2025, S.2). Diese negativen Erfahrungen prägen innere Glaubenssätze und erschweren es eigene Erfolge anzuerkennen.
Welche Auswirkungen kann das Impostor-Syndrom haben?
Das Impostor-Syndrom kann eine Vielzahl negative Auswirkungen auf Betroffene haben. Es zeigt eine positive Korrelation zu verschiedenen psychischen Erkrankungen.
An erster Stelle sind hier Angstzustände zu nennen. Das ständige Gefühl, bald als Hochstapler entlarvt zu werden oder zu versagen und sich zu blamieren, erzeugt ein starkes Gefühl von Angst und kann zu einer Angststörung führen (Salari et al. 2025, S.12).
Gleichzeitig führt das geringe Selbstwertgefühl zu Hilflosigkeit und Selbstzweifeln, was eine dauerhafte psychischen Belastung verursacht. Um diese vermeintliche Inkompetenz zu kompensieren, entwickeln viele Betroffene ein workaholistisches Verhalten und setzen sich unrealistische Ziele. Das innere System, läuft auf Hochtouren, eine dauerhafte Anspannung prägt den Alltag. Die Kombination aus Stress, Überforderung und Selbstzweifeln kann schließlich in Depressionen münden (Salari N. et al.,2025, S.12).
Das Syndrom begünstigt zudem die Entstehung eines Burnouts. Müdigkeit und Apathie resultieren aus der Diskrepanz zwischen Arbeitsanforderungen und den eigenen verfügbaren Ressourcen (Salari et al., 2025, S.12). Infolgedessen geraten Betroffene in einen Teufelskreis: Sie versuchen, ihre vermeintliche Inkompetenz durch übermäßigen Einsatz zu kompensieren, was ihre Ressourcen erschöpft und Symptome weiter verstärkt.
Studien zeigen jedoch auch, dass das Impostor-Syndrom nicht nur negative Auswirkungen hat. Betroffene werden oft als sozial kompetenter und zwischenmenschlich effektiver wahrgenommen (Harell,2023,S.114).
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Impostor- Syndrom in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erfahren hat.
Nicht nur in sozialen Medien wurde das vielschichtige Phänomen ausgiebig diskutiert, sondern auch in der Forschung hat sich einiges getan. Es ist wichtig an dieser Stelle zu betonen, dass das Syndrom keine anerkannte psychische Erkrankung ist und nicht im ICD-10 zu finden ist. Es handelt sich eher um ein psychologisches Phänomen oder ein Selbstkonzept, von dem Menschen betroffen sein können.
Faktoren wie geringe Selbstwirksamkeit oder negative Kindheitserfahrungen, die einen geringen Selbstwert begünstigen, können die Wahrscheinlichkeit des Auftretens erhöhen. Angesichts des Leidensdruck, der entstehen kann, ist es entscheidend, einen gesunden Mittelweg zwischen Selbstkritik und Anerkennung zu finden, bei starker Ausprägung auch mit professioneller Unterstützung. Das Impostor-Syndrom kann eine Herausforderung darstellen, bietet jedoch auch die Chance, sich selbst besser kennenzulernen und ein resilient- authentisches Selbstbild zu entwickeln. Mit all den Stärken und Schwächen die zum „Mensch sein“ dazu gehören.
Literaturverzeichnis
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Stahl S. (2015), Das Kind in der muss Heimat finden, 42. Auflage, München, S. 22-25.
Titelbildquelle
Titelbild von Yan Krukau, veröffentlicht am 25. April 2021, Zugriff am 07.08.2025, verfügbar unter
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