Coaching gilt seit Jahren als wirkungsvolles Instrument zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung: individuell, beziehungsorientiert und natürlich stark geprägt durch den Dialog zwischen Coach und Coachee. Doch was passiert, wenn dieser Dialog nicht mehr mit einem Menschen, sondern mit einer Künstlichen Intelligenz geführt wird?
Diese Arbeit geht der Frage nach, was Coaching ausmacht, wo KI-Coaching bereits erfolgreich eingesetzt wird und worin die Chancen und Grenzen dieses Einsatzes liegen.
Was ist Coaching?
Coaching ist ein systemisch fundierter individueller Begleitprozess, bei dem der Coach Führungskräfte oder andere Schlüsselpersonen in Organisationen dabei unterstützt, berufliche Herausforderungen zu reflektieren, ihre Handlungskompetenz zu erweitern und gleichzeitig ihre persönlichen Ziele zu erreichen (Ellebracht et al., 2018, S. 263). An der Schnittstelle von angewandter Psychologie und Erwachsenenpädagogik fördert Coaching nicht nur das persönliche Wachstum des Klienten oder sog. Coachees, sondern auch seine Wirksamkeit im organisationalen Kontext (Terblanche, 2024, S. 631). Coaching findet meist in vertraulichen Einzelgesprächen statt, in denen der Coach nicht „Ratgeber“, sondern als beratender Gesprächspartner auf Augenhöhe agiert. Durch gezielte Fragen, Perspektivwechsel und Feedback verhilft der Coach zu mehr Klarheit, Selbstreflektion und Selbstwirksamkeit. Das steigert langfristig die Motivation, Leistungsbereitschaft und Zufriedenheit (Ellebracht, 2018, S. 261).
Hier stellt sich die Frage: Schafft das auch eine künstliche Intelligenz (KI)? Um das zu beantworten, müssen zunächst die Grundlagen der Technologie und ihre Begrifflichkeiten erläutert werden.
Einordnung der Begriffe und KI-Technologie
Künstliche Intelligenz (KI) beschreibt den Einsatz von Maschinen, um zentrale Fähigkeiten menschlicher Intelligenz wie Denken, Problemlösen, Entscheidungsfindung und sogar Kreativität nachzuahmen (Terblanche, 2024, S. 631). Im KI-Coaching (KIC) werden die wissenschaftlich fundierten Modelle und Beratungselemente aus dem menschlichen Coaching aufgegriffen und digital nachgebildet und sozusagen an den Chatbot gefüttert. Dieser Coaching-Chatbot simuliert dann die Methoden und Kompetenzen eines menschlichen Coaches, z.B. in Form von gezielten Fragestellungen, Unterstützung bei Zieldefinitionen oder Problemlösung, um die Nutzer bei ihrer Selbstreflektion und Selbsthilfe zu unterstützen (Dufaux, 2024, S. 31).
Das gelingt mithilfe sog. Large Language Models (LLMs; auf Deutsch: Große Sprachmodelle). LLMs sind leistungsstarke KI-Systeme, die auf großen Textmengen aus dem Internet oder spezifisch ausgewählten Trainingsdaten basieren (Bachkirova & Kemp, 2025, S. 29). Sie erkennen Dialogmuster, verarbeiten frühere Eingaben und ermöglichen damit sprachbezogene Anwendungen wie Chatbots (Bachkirova & Kemp, 2025, S. 29; Kelbert et al., 2023). Übereinstimmend mit Passmore et al. (2025) beeinflussen diese Fähigkeiten zunehmend auch professionelle Dienstleistungen wie das Coaching (S. 2).
Aktueller Einsatz von KI-Coaching
Es existieren bereits erste marktreife KIC-Produkte, wie bspw. CoachVici, Evocoach oder AIMY™ von CoachHub. Terblanche (2024) unterscheidet dabei drei Einsatzformen von KI (S. 633-634):
- Coach-Emulation, bei der KI selbstständig Coachinggespräche führt,
- Coach-Unterstützung, wie das Mitschreiben der Beratung / Analyse der Sitzung
- Coach-Ausbildung, als eine Hilfe bei der Entwicklung von Coaching Skills.
AIMY™ ist ein KI-gestützter Coach, entwickelt vom Unternehmen CoachHub, das international Coachingprogramme für Fach- und Führungskräfte anbietet (CoachHub, 2025). Die Grundlage von AIMY™ bildet ein Large Language Model (LLM), das mit Daten aus realen Coachingprozessen auf der CoachHub-Plattform trainiert wurde (Walpuski, 2024, S.109). Ziel ist es auf Grundlage der individuellen Angaben des Coachees (Sprache, Präferenzen, Werte, Entwicklungsziele) ein personalisiertes vertrauliches Coaching zu ermöglichen. Letztendlich werden die Ergebnisse aus dem Coaching anonymisiert der HR-Abteilung bereitgestellt, um daraus Erkenntnisse für die Organisationsentwicklung abzuleiten (CoachHub, 2025). AIMY™ wird von CoachHub (2025) selbst als ergänzende Instanz und nicht als Ersatz für menschliches Coaching betrachtet.
Chancen und Risiken von KI-Coaching
KI-Coaching bedeutet also nicht den Ersatz menschlicher Coaches, sondern gilt als eine gezielte Unterstützung, z.B. durch automatisches Mitschreiben oder Maßnahmenplanung während der Session. Ein großer Vorteil von KIC ist die orts- und zeitunabhängige Verfügbarkeit. Dadurch ist es kostengünstiger als klassisches Coaching. So könnten auch Menschen erreicht werden, die sich bisher aus finanziellen oder logistischen Gründen kein Coaching leisten konnten (Terblanche, 2022, S. 4). Andererseits setzt Coaching mit einem KI-Coach eine gewisse Sprach- und Medienkompetenz voraus und schließt damit bildungsfernere Gruppen eher aus. Auf ethischer Ebene sieht Diller (2024) die Gefahr von algorithmischer Diskriminierung und betont, dass KI-Systeme bereits in sensiblen Kontexten rassistische oder geschlechtsspezifische Verzerrungen aufweisen (S. 588). Diese Biases entstehen meist durch die Trainingsdaten, die im schlimmsten Fall im Coaching dazu führen, dass bestimmte Nutzergruppen benachteiligt werden (Diller, 2024, S. 588). Gleichzeitig können diese Daten systematisch kontrolliert, gefiltert und technisch angepasst werden, im Gegensatz zu den Verzerrungen menschlicher Coaches, die vergleichbar schwer erkenn- und überprüfbar sind (Terblanche, 2024, S. 635).
Schließlich muss das Risiko der Unverbindlichkeit angesprochen werden, denn digitale Formate ermöglichen zwar Anonymität und Flexibilität erleichtern aber auch einen vorzeitigen Abbruch von Sitzungen. Gerade wenn im Coaching herausfordernde Themen aufkommen, besteht die Gefahr, dass Coachees den Laptop schließen und so wichtige Durchbrüche verhindert werden.
Gerade wenn es um den Einsatz von KI im Coaching geht, müssen also ethische Standards zu Qualität, Professionalität und Zielgruppenzugänglichkeit ebenso sorgfältig betrachtet werden wie in klassischen analogen Coaching-Angeboten.
Fazit und Ausblick
Mit der stetigen Weiterentwicklung von KI und ihrer Fähigkeit, zunehmend komplexe Daten zu verarbeiten, ist es durchaus denkbar, dass KI-Coaches zukünftig nicht nur empathisch reagieren, sondern menschliche Emotionen in ihrer Tiefe antizipieren oder sogar übertreffen werden. Damit muss die Frage gestellt werden: Ist das dann noch klassisches Coaching oder ein neues Format, das die Coach-Rolle grundlegend neu definiert?
Gerade deshalb muss der Blick, besonders von Coaches, nach vorn lauten: Nicht, ob sich KI im Coaching etablieren wird, sondern wie das verantwortungsvoll gestaltet wird. Dafür braucht es ethische Leitlinien, technische Transparenz und eine Weiterentwicklung des Coachings als Profession: im Zusammenspiel von Mensch und Maschine.
Literaturverzeichnis
Bachkirova, T. & Kemp, R. (2025). ‘AI coaching’: democratising coaching service or offering an ersatz?, Coaching: An International Journal of Theory, Research and Practice, 18(1), S. 27-45. doi: 10.1080/17521882.2024.2368598
CoachHub (2025). AIMY™: KI-Coaching für die globale Belegschaft. Zugriff am: 02.06.2025. Verfügbar unter: AIMY™ – Ein KI-Coach für die globale Belegschaft – CoachHub
Dufaux, M.O. (2024). Coaching-Chatbots: Bausteine für Kurzzeit-Coaching mit Chatbots. Wiesbaden: Springer.
Ellebracht, H., Lenz, G., Geiseler, L. & Osterhold, G. (2018). Systemische Organisations- und Unternehmensberatung: Praxishandbuch für Berater und Führungskräfte (5. Aufl.). Wiesbaden: Springer.
Kelbert, P., Siebert, J. & Jöckel, L. (2023). Was sind Large Language Models? Und was ist bei der Nutzung von KI-Sprachmodellen zu beachten? Zugriff am: 02.06.2025. Verfügbar unter: Was sind Large Language Models? Und was ist bei der Nutzung von KI-Sprachmodellen zu beachten? – Blog des Fraunhofer IESE.
Passmore, J., Olafsson, B. & Tee, D. (2025). Asystematic literature review of artificial intelligence (AI) in coaching: insights for future research and product development. Journal of Work Applied Management.
S. J. Diller (2024). Ethics in digital and AI coaching. Human Resource Development International, 27(4), S. 584-596, DOI: 10.1080/13678868.2024.2315928.
Terblanche N. (2024). Artificial Intelligence (AI) Coaching: Redefining People Development and Organizational Performance. The Journal of Applied Behavioral Science, 60(4), S. 631-638.
Terblanche, N., Molyn, J., de Haan, E., & Nilsson, V. O. (2022). Comparing artificial intelligence and human coaching goal attainment efficacy. Plos one, 17, S. 1-17.
Walpuski V. J. (2024). Die Entwicklung anthropomorpher Large Language Models im Coaching als Gegenstand der digitalen Plattformökonomie am Beispiel von AIMY®. Zeitschrift für Onlineberatung und computervermittelte Kommunikation, 20(1), Artikel 6, S. 105 – 127.
Titelbildquelle
Titelbild von Gerd Altmann, Titel: virtual-coworkers-3382503_1280, veröffentlicht am 08.05.2018, abgerufen am 03.06.2025, auf pixabay, unter: https://pixabay.com/photos/virtual-coworkers-virtual-friends-3382503/
Nutzungsbedingungen: https://pixabay.com/service/license-summary/, abgerufen am 03.06.2025