By Published On: 8. November 2022Categories: Psychologie, Wirtschaft

Ob beim Scrollen durch die sozialen Medien, dem Durchblättern von Illustrierten oder dem Stadtbummel sind sie ein gewohntes Bild und dennoch kaum zu übersehen: Prominente werben als Gesicht für bekannte Parfummarken. Haben Sie sich schon einmal gefragt, wieso Prominente als Testimonials für Werbekampagnen ausgewählt werden, obwohl sie aus einer ganz anderen Branche stammen? Worin liegt der Erfolg solcher Kampagnen und was haben Prominente damit zu tun?

Emotionen im Marketing

Werbung hat als kommunikativer Beeinflussungsprozess das Ziel, marktrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen der Verbraucher*innen zu verändern, um unternehmensspezifische Kommunikationsziele zu erreichen (Meffert, Burmann, Kirchgeorg & Eisenbeiß, 2019, S. 655).

Wird ein neues Produktangebot in den Markt eingeführt, muss es zunächst Bekanntheit erlangen. Sollen ähnliche Angebote konkurrierender Unternehmen im Wettbewerb verdrängt werden, dann werden die Vorteile des eigenen Angebots hervorgehoben. Ähneln sich die objektiven Eigenschaften der konkurrierenden Produktangebote zu stark, werden die eigenen Produkte mit Images versehrt, um sich abzuheben (Fichter, 2018, S. 101). Werbung vermittelt also nicht nur Informationen, sondern auch Images, die gezielt angenehme Emotionen und Stimmungen hervorrufen sollen (Felser, 2015, S. 8).

Zwar weiß man im Allgemeinen, was Emotionen sind, doch was genau versteht das Marketing darunter? Emotionen sind Erregungsvorgänge, die als angenehm oder unangenehm empfunden werden können und auf Aktivierung sowie der subjektiven Interpretation eines Reizes gründen. Durch die Aktivierung wirken emotionale Reize aufmerksamkeitserregend, was sich zu Nutze gemacht wird. Konsument*innen können nämlich mehr Informationen aufnehmen, besser verarbeiten und behalten, wenn eine Werbebotschaft emotionale Reize beinhaltet. Besonders effektiv werden Emotionen durch Schlüsselreize und Schemavorstellungen hervorgerufen, da sie die Konsument*innen automatisch aktivieren und angeborene Reaktionen auslösen. Zu den kulturübergreifenden Schlüsselreizen zählen das sympathieauslösende Kindchenschema (kleinkindtypische Merkmale), aufmerksamkeitserregende erotische Reize (z.B. weiblicher Busen) sowie kognitive Reize (wie Humor), die durch Überraschung zu gedanklichen Konflikten führen und zum Nachdenken anregen (Foscht, Swoboda & Schramm-Klein, 2017, S. 45–49). In der Werbung eignen sich zielgruppenspezifische Schemavorstellungen (z.B. Schauspieler*innen, Sportler*innen), besonders gut, um ein Produkt emotional aufzuladen und ein Markenerlebnis aufzubauen (Roth & Esch, 2019, S. 699).

Zurück zur Parfumbranche: Hier herrscht ein harter Verdrängungswettbewerb, in dem sich Emotionen als wesentlicher Erfolgsfaktor herausgestellt haben. Die Produkte ähneln sich in ihrem Aussehen und Duft oft so stark, sodass sie von Verbraucher*innen leicht verwechselt und als austauschbar empfunden werden. Um dem zu entgegnen, nutzen Marken gezielt Emotionen als Treiber von Leidenschaften, um ihre Produkte von der Konkurrenz abheben (Merkle & Kreutzer, 2008, S. 21–22).

Hierfür werden Werbebotschaften mit emotionalen Inhalten kommuniziert, die in den Konsument*innen angenehme Emotionen hervorrufen sollen, damit sie diese auf die Marke übertragen (Mattenklott, 2015, S. 84). Deshalb wird in dem Kontext von emotionaler Konditionierung gesprochen (Homburg, 2020, S. 38).

Alles Konditionierung?

Das Behalten werblicher Informationen ist das Ergebnis eines Prozesses, bei dem Wissens- und Gefühlseinheiten im Langzeitgedächtnis gespeichert werden, um von dort aus durch das Kurzzeitgedächtnis abgerufen und verarbeitet zu werden. Zur Erklärung dieses Prozesses lassen sich die klassischen Lerntheorienheranziehen, wozu u.a. die klassische Konditionierung zählt. Die im Marketing genutzte emotionale Konditionierung gründet auf dem Prinzip der klassischen Konditionierung, bei der Verhaltensweisen als Reaktion auf das gemeinsame Auftreten zweier Stimuli (Reize) erlernt werden (Homburg, 2020, S. 75).

Diese Verhaltensreaktion wurde erstmals von dem Physiologen Pawlow beobachtet. Das bekannte Beispiel „Pawlows Hund“ zeigt, dass die wiederholte Darbietung eines Glockensignals (neutraler Stimulus) mit der Fütterung gekoppelt dazu führen kann, dass der Hund auch dann Speichelfluss (Reaktion) zeigt, wenn er nur die Glocke hört und kein Futter erhält, obwohl dieses den Speichelfluss ursprünglich hervorgerufen hat. Die durch das Glockensignal ausgelöste Reaktion wird zum bedingten Reflex (Walsh, Deseniss & Kilian, 2020, S. 85).

Das Prinzip der emotionalen Konditionierung

Mithilfe der emotionalen Konditionierung soll erreicht werden, dass ein Markenname oder Produkt mit einem angenehmen Gefühl verbunden wird, um eine emotionale Bindung herzustellen und die Kaufwahrscheinlichkeit zu erhöhen. So zeigen viele Werbekampagnen ihr zu bewerbendes Parfum gemeinsam mit einer beliebten prominenten Person, die zielgruppenspezifische Schemata verkörpert (z.B. Schönheit, Coolness, Erfolg) und emotional anregende Botschaften kommuniziert. Nach wiederholten Darbietungen des Werbematerials soll der ursprünglich neutrale Stimulus (Parfum) dieselbe Reaktion auslösen, wie der Stimulus (prominente Person), der die Reaktion ursprünglich verursacht hat. Gelingt dies, hat ein Transfer von den der prominenten Person zugeschriebenen Schemata und Assoziationen auf das beworbene Parfum stattgefunden, sodass die Konsument*innen bei der Wahrnehmung des Parfums automatisch dieselben Assoziationen (z.B. Eleganz) bilden, die sie mit der prominenten Person verbinden. So entstehen wiederum angenehme Emotionen (z.B. Freude und Stolz). Durch das aufgebaute Markenerlebnis sowie der emotionalen Bindung lernen die Konsument*innen, das Produkt auf einer emotionalen Weise wahrzunehmen und zu erleben mit der Folge, dass das Parfum einzigartige subjektive Eigenschaften erhält, die eine Produktdifferenzierung ermöglicht (Homburg, 2020, S. 76).  Folgende Tabelle veranschaulicht den vorgestellten Prozess:

Emotionale Konditionierung im Marketing.         
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Meffert et al., 2019, S. 104)

Wurde dies erreicht, lassen sich die Konsument*innen von ihren Emotionen leiten: die Produkte werden vorteilhafter wahrgenommen, die Preissensibilität sinkt und die Kaufwahrscheinlichkeit steigt (Schwarz, 2018, S. 35).

Fazit

Dass der Parfümmarkt übersättigt und der herrschende Verdrängungswettbewerb hart ist, ist längst bekannt. Durch den geschickten Einsatz von Emotionen in Werbemitteln werden beworbene Produkte einzigartig und unverwechselbar, obwohl sie der Konkurrenz ähneln. Werden mithilfe prominenter Personen die richtigen Emotionen und Assoziationen geweckt, wird das eigentliche Berufsfeld des Testimonials zur Nebensache. Das Einzige, was dann zählt ist das, was das Testimonial in den Köpfen der Konsument*innen auslöst. Der Erfolg solcher Kampagnen liegt in der emotionalen Konditionierung, durch die angenehme Emotionen auch dann empfunden werden, wenn lediglich das Parfum wahrgenommen wird.     
Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Zusammenarbeit mit prominenten Testimonials Risiken birgt: So sorgte der öffentlich ausgetragene Eherechtsstreit zweier bekannter amerikanischer Schauspieler*innen dafür, dass viele Unternehmen aus Sorge vor Imageschäden die Zusammenarbeit mit ihnen beenden mussten. Daher sollte stets sorgfältig überlegt werden, mit welchen Folgen bei der Auswahl eines Testimonials zu rechnen ist. Kommt jedoch eine erfolgreiche Zusammenarbeit zustande, führt dies nicht nur zur Produktdifferenzierung, sondern auch zu einer langfristigen Bindung an die Marke.

Literaturverzeichnis

Felser, G. (2015). Werbe- und Konsumentenpsychologie. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-37645-0

Fichter, C. (Hrsg.). (2018). Wirtschaftspsychologie für Bachelor (Springer-Lehrbuch). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-54944-5

Foscht, T., Swoboda, B. & Schramm-Klein, H. (2017). Käuferverhalten. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17465-1

Homburg, C. (2020). Marketingmanagement. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29636-0

Mattenklott, A. (2015). Emotionale Werbung. In K. Moser (Hrsg.), Wirtschaftspsychologie (Springer-Lehrbuch, S. 83–100). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-43576-2_6

Meffert, H., Burmann, C., Kirchgeorg, M. & Eisenbeiß, M. (Hrsg.). (2019). Marketing. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21196-7

Merkle, W. & Kreutzer, R. T. (2008). Emotion, Leidenschaft und Begeisterung — Ein (noch immer) unterschätzter Erfolgsfaktor im Marketing. In Die neue Macht des Marketing (S. 21–48). Wiesbaden: Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-8349-9562-9_2

Roth, S. & Esch, F.‑R. (2019). Aufbau und Pflege von Marken durch klassische Kommunikation. In F.-R. Esch (Hrsg.), Handbuch Markenführung (Springer Reference Wirtschaft, S. 675–709). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13342-9_33

Schwarz, E. (2018). Neuro-Advertising. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06076-3

Walsh, G., Deseniss, A. & Kilian, T. (2020). Marketing. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-58941-0

Bildquelle

nad_dyagileva, https://pixabay.com/images/id-2791366/

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