Werbung begleitet uns tagtäglich, häufig bewusst, häufig auch unbewusst. Auffällig ist dabei, dass die meisten Anzeigen mit einem hohen Bildanteil gestaltet sind. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Frage, weshalb dies präferiert wird und welche Gestaltungselemente den Erfolg eines Werbebildes ausmachen. Dies wird im Folgenden beleuchtet. Zur besseren Visualisierung wurde selbst ein fiktives Beispiel für eine Mineralwasserwerbeanzeige erstellt, anhand welchem einige Stilelemente der Werbefotografie verdeutlicht werden sollen.

Warum sind Fotografien in der Werbung so wichtig?
Fest steht, dass die Gestaltung einer Werbeanzeige einen zentralen Einfluss auf deren Wirksamkeit hat; das Bild gilt dabei als treibende Kraft. Werbefotografie unterscheidet sich von jeder anderen Art fotografischer Bildgestaltung: Während zwar einerseits, wie auch beispielsweise in der journalistischen Fotografie Aufmerksamkeit erregt werden soll, zeichnet sich Werbebildgestaltung durch die Beeinflussung im, beziehungsweise Anregung eines persuasiven Prozesses aus: Mit anderen Worten, das Bild soll den Betrachter überzeugen und im besten Fall zum Kauf des Produkts bewegen. Die Vorteile, die Bilder hier gegenüber Texten aufweisen, sind vielfältig: Sie vermitteln Informationen schneller, effektiver, werden besser erinnert und positiver wahrgenommen; Informationen können sowohl erzeugt, als auch einfacher transportiert werden. Bilder bieten die Möglichkeit, Inhalte zu vermitteln, die mit Worten nur sehr schwer zum Ausdruck gebracht werden können. Hier ist auch die Picture Superiority Theory zu erwähnen: Diese postuliert die bessere Merkbarkeit und Wiedererkennung von Bildern. Zudem werden Fotos als positiver empfunden als Texte, was auch eine positive Einstellung zur Werbung fördert. Gerade vor dem Hintergrund der permanenten Informationsüberlastung und dem Trend zu bildbetonten Medien, gewinnen diese Vorteile zusätzlich an Gewicht (Mayrhofer, Binder & Matthes, 2019, S. 205-207, 211, 221).

Doch wie genau können diese Vorteile nun verwirklicht werden?
Ein zentrales Element hierbei ist die visuelle Rhetorik, also das bildliche Pendant zur bekannten Rhetorik in der Sprache. Genau wie mit Wörtern, können auch mit Bildern Assoziationen und Emotionen angeregt werden. In diesem Sinne soll Werbefotografie also nicht die Realität abbilden, sondern diese durch ein Zusammenspiel symbolischer Eindrücke vielmehr übersteigern und mit einer Ästhetik des Außergewöhnlichen Interesse erzeugen (Mayrhofer et al., 2019, S. 206-208). Dies lässt sich auch anhand der Beispielfotografie für die fiktive Mineralwasserwerbung erklären: Die dargestellte Szene entspricht keineswegs dem klassischen Einschenken von Wasser. Vielmehr wird mit einer außergewöhnlichen Ästhetik, beispielsweise auch durch das Arbeiten mit dem dunklen Hintergrund, welchen man nicht unbedingt mit Waser verbindet oder der geringen Belichtung Interesse erzeugt.
Wie Mayrhofer et al. Darstellen, braucht es dazu häufig gar keinen Text, vielmehr wird mit der sogenannten assoziativen Logik gearbeitet: visuelle Elemente werden miteinander verknüpft, um eine neue Botschaft zu erreichen. Klassische Beispiele sind hier der sogenannte Tropus, also der bewusste Bruch mit Erwartungen oder das Schema, welches dazu gegenteilig Kontinuität in der Werbegestaltung schafft. Dies kann durch die Nebeneinanderstellung von Bildern, durch deren Fusion oder den Ersatz eines Elements durch ein anderes erlangt werden. Mit derartigem Vorgehen sollen kognitive Prozesse angesprochen werden: Wird beispielsweise ein Produkt neben einem lächelnden Gesicht dargestellt, assoziiert man damit Freude. Auf der anderen Seite wird der Betrachter die dargestellten Elemente vergleichen (Mayrhofer et al., 2019, S. 208-209): In der Beispielwerbung werden Eiswürfel gezeigt, das Wasser muss also erfrischend sein. Außerdem befindet es sich, ähnlich einem Champagner, in einem eleganten Kristallglas, es muss also hochwertig sein. Den Vorteil, den visuelle Rhetorik bietet, liegt in der höheren Verarbeitungsleistung des Betrachters und, vor allem im Falle des Tropus, dem mit der Inkongruenzauflösung verbundenen Erfolgserlebnis (Mayrhofer et al., 2019, S. 213).
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch einige Forschungsergebnisse: Laut der Construal Level Theory beeinflusst die zeitliche und räumliche Entfernung, wie Menschen über etwas denken: Nähe führt zu einer detailreichen Wahrnehmung, während Ferne eine abstrakte Verarbeitung fördert. Bei nützlichen Gegenständen wird eine Nahaufnahme als passender empfunden, Weite ist bei spaßorientierten Produkten sinnvoller (Kim, Lee & Choi, 2019, S. 490). Somit wurde im Falle der Mineralwasserwerbung auch eine Nahaufnahme gewählt.
In der Werbung werden darüber hinaus zunehmend häufig nicht fotorealistische Darstellungen verwendet, sondern beispielsweise comicartige Zeichnungen. Hier wurde festgestellt, dass die Eigenschaften derartig dargestellter Produkte weniger ausgeprägt wahrgenommen werden, was vorteilhaft sein kann, um Nachteile zu verschleiern, allerdings auch positive Aspekte nicht so stark heraushebt. Aufgrund der damit verbundenen höheren kognitiven Belastung, können potentielle Kunden in erhöhtem Maße Unsicherheit zeigen, was auch die Kaufentscheidung beeinflussen kann (Kim, Choi & Wakslak, 2019, S. 251). Außerdem ist ein Großteil der Werbebotschaften – rund 73 Prozent – in Großbuchstaben formuliert. Dass dies unter Umständen allerdings gar nicht von Vorteil ist, zeigt die Studie von Langner, Klinke, Fadl und Christ: Die Lesegeschwindigkeit bei reinen Großbuchstaben ist um durchschnittlich 13 Prozent höher als bei der klassischen Schreibweise (2019, S. 82-92). Gerade in Zeiten der ständigen Informationsüberflutung und Zeitknappheit könnte dies ein Problem darstellen.
Interessant sind auch die Erkenntnisse bezüglich der Darstellungsform: Unvollständige oder schematische Darstellungen des beworbenen Produkts oder der Marke führen zu einer besseren Erinnerungsleistung der Betrachter, da aufgrund des Generation-Effekts diese versuchen, das Bild zu vervollständigen. Dies führt zu mehr Neugier und einer besseren Bewertung (Kraus & Gierl, 2019, S. 93-106). Auch dieser Aspekt sollte in der Beispielwerbung verwirklicht werden: Das Mineralwasser an sich ist nur teilweise erkennbar, um Neugier zu erregen. Der allgemeine Eindruck und das Gefühl, das mit dem Produkt verbunden werden soll, werden dagegen hervorgehoben. Ein weiterer Aspekt, der hier berücksichtigt wurde, ist die Ausrichtung des Wasserglases. Laut den Studien von Zang, Kwak, Jeong und Puzakova wird bei vergangenheitsorientierten Konsumenten eine Ausrichtung des beworbenen Produkts nach links und bei zukunftsorientierten Betrachtern nach rechts bevorzugt. Eine Übereinstimmung der Ausrichtung des Objekts mit der zeitlichen Orientierung des Betrachters wird bei Gebrauchsgegenständen als positiver empfunden, umgekehrt ist es bei emotionalen Produkten (2019, S. 153). Da es sich im Falle des Wassers einerseits um einen Gebrauchsgegenstand und andererseits um einen lebensversprechenden und somit an sich schon zukunftsgerichteten Artikel handelt, wurde eine Ausrichtung nach rechts gewählt.
Diese Betrachtungen zeigen also die hohe Bedeutung des Bildes in der Werbung und dass Unternehmen darauf keineswegs verzichten sollten. Außerdem scheint es wichtig, Mittel der visuellen Rhetorik anzuwenden und auch aktuelle Forschungsergebnisse heranzuziehen, um eine möglichst effektive Werbebildgestaltung zu erreichen.
Literaturverzeichnis
Kim, B. K., Choi, J. & Wakslak, J. C. (2019). The image realism effect: The effect of unrealistic product images in advertising. Journal of Advertising, 3, S. 251-270.doi:10.1080/ 00913367.2019. 1597787
Kim, K., Lee, S. & Choi, J. K. (2019). Image proximity in advertising appeals: Spatial distance and product types. Journal of Business Research, 6, S. 490-497.doi:10.1016/ j.jbusres.2017.08.031
Kraus, A. & Gierl, H. (2019). Are incomplete advertisements more effective? A test of the generation effect and the ambiguity effect. In E. Bigné & S. Rosengren (Hrsg.), Advances in advertising research X. Multiple touchpoints in brand communication (S. 93- 106). Wiesbaden: Springer.doi:10.1007/978-3-658-24878-9_8
Langner, T., Klinke, T., Fadl, N. & Christ, M. (2019). The impact of capitalization on advertising headline readability. In E. Bigné & S. Rosengren (Hrsg.), Advances in advertising research X. Multiple touchpoints in brand communication (S. 81-91).Wiesbaden: Springer.doi:10.1007/978-3-658-24878-9_7
Mayrhofer, M., Binder, A. & Matthes, J. (2019). Werbebilder in der Kommunikationsforschung. In K. Lobinger (Hrsg.), Handbuch Visuelle Kommunikationsforschung (S. 205 – 227). Wiesbaden: Springer VS.doi:10.1007/978-3-658-06508-9
Zhang, Y., Kwak, H., Jeong, H. & Puzakova, M. (2019). Facing the “right” side? The effect of product facing direction. Journal of Advertising, 2, S. 153-166.doi:10.1080/ 00913367.2018. 1503576