By Published On: 29. Oktober 2025Categories: Kommunikation, Psychologie, Wirtschaft

Fast jeder kennt die Situation: Man scrollt durch einen Online-Shop, findet ein interessantes Produkt und plötzlich erscheint ein Hinweis: „Nur noch 2 Stück verfügbar!“ oder „Noch 5 Minuten bis zum Ablauf des Angebots!“. Augenblicklich verändert sich die Wahrnehmung: Aus einem netten Artikel wird ein „Must-have“, aus einer Option eine scheinbar einmalige Chance. Was zunächst zufällig erscheinen mag, ist in Wirklichkeit eine gezielte Einflussnahme der Verkaufspsychologie, das sogenannte FOMO-Marketing.

FOMO-Effekt in der Konsumpsychologie: Warum Knappheit Kaufentscheidungen beeinflusst

Der Begriff Fear of Missing Out (FOMO) beschreibt die Angst, eine wertvolle Gelegenheit oder ein relevantes Ereignis zu verpassen. In der Markt- und Werbepsychologie wird dieses Phänomen gezielt genutzt, um Konsumentinnen und Konsumenten zu einer beschleunigten Kaufentscheidung zu bewegen (Nguyen & van Nguyen, 2025, S. 41–42).

Die Wirksamkeit von FOMO-Marketing lässt sich durch mehrere etablierte Konzepte der Verhaltens- und Entscheidungspsychologie erklären. Zum einen spielt der Knappheitseffekt (Scarcity Principle)eine zentrale Rolle. Wird ein Gut als nur eingeschränkt verfügbar wahrgenommen, steigt sein subjektiver Wert. Knappheit dient somit als Heuristik für Qualität und Attraktivität (Oetzel & Luppold, 2023, S. 172). Hinzu kommt die Verlustaversion, nach der Individuen sensibler auf potenzielle Verluste reagieren als auf gleichwertige Gewinne. Allein die Aussicht, eine Gelegenheit zu verpassen, wirkt daher als besonders starker Motivator (Oetzel & Luppold, 2023, S. 27–28). Ergänzt wird dies durch den Mechanismus der sozialen Bewährtheit (Social Proof), bei dem Konsumenten ihr Verhalten an dem anderer ausrichten. Hinweise wie „12 Personen sehen sich dieses Angebot gerade an“ verstärken den Entscheidungsdruck zusätzlich und erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer schnellen Kaufentscheidung (Oetzel & Luppold, 2023, S. 74–76).

FOMO-Marketing in unterschiedlichen Marktsegmenten

FOMO-basierte Strategien finden sich in nahezu allen Konsummärkten, besonders in solchen, die von Spontanität, Erlebnisorientierung oder hoher Vergleichbarkeit geprägt sind. Im Ticketverkauf und Veranstaltungsbereich etwa wird häufig mit Hinweisen auf begrenzte Sitzplatzkontingente oder auslaufende Vorverkaufsfristen gearbeitet, wodurch die Entscheidungszeit verkürzt und die Abschlussrate erhöht wird. Im Mode- und Lifestyle-Segment setzen Online-Shops auf Größen- und Stückzahlverknappungen, die durch Personalisierungen wie „nur noch 1 Stück in deiner Größe“ eine besonders starke Wirkung entfalten. Auch im Reise- und Tourismussektor wird FOMO systematisch genutzt. Plattformen wie Booking.com oder Flugportale arbeiten mit Echtzeit-Informationen zu Verfügbarkeit und Nachfrage, um künstlich Dringlichkeit zu erzeugen. Schließlich spielt FOMO auch im allgemeinen E-Commerce eine Rolle, etwa durch zeitlich limitierte Rabattaktionen wie „Flash-Sales“ oder exklusive Clubangebote, die beim Konsumenten den Eindruck hervorrufen, eine einmalige Gelegenheit nutzen zu müssen.

Einfluss von FOMO auf das Konsumentenverhalten

Die Wirkung von FOMO auf das Konsumentenverhalten lässt sich auf mehreren Ebenen nachvollziehen. Auf kognitiver Ebene verändert die Wahrnehmung von Knappheit die Bewertung eines Angebots, indem limitierte Menge oder zeitliche Begrenzung als Signal für Wertigkeit interpretiert werden. Auf affektiver Ebene führt Knappheit zu erhöhter Erregung (Arousal), die mit Gefühlen wie Aufregung, Freude oder auch Stress verbunden ist und dadurch die Kaufmotivation steigert. Auf behavioraler Ebene resultieren daraus beschleunigte und impulsivere Kaufentscheidungen. Konsumentinnen und Konsumenten greifen schneller zu, verzichten eher auf einen Preis- oder Qualitätsvergleich und handeln spontaner. Empirische Studien zu Flash-Sales im E-Commerce zeigen, dass insbesondere die Kombination aus Mengenknappheit und zeitlicher Begrenzung über den Faktor Arousal zu einem signifikanten Anstieg sowohl der Kaufwahrscheinlichkeit als auch der Kaufgeschwindigkeit führt. Damit profitieren Anbieter in hoch kompetitiven Märkten, da sie nicht nur mehr Käufe generieren, sondern auch die Entscheidungsprozesse ihrer Zielgruppen erheblich verkürzen können (Fathia & Vania, 2023).

 Fazit

FOMO-Marketing zeigt, wie wirksam psychologische Mechanismen wie Knappheit, Verlustaversion und soziale Bewährtheit im Konsumkontext eingesetzt werden können. Empirische Befunde belegen, dass solche Strategien Kaufentscheidungen beschleunigen und die Abschlusswahrscheinlichkeit erhöhen, ein klarer Vorteil für Unternehmen in wettbewerbsintensiven Märkten. Gleichzeitig ist jedoch Vorsicht geboten. Während echte Knappheit legitime Verkaufschancen eröffnet, kann künstlich erzeugte Dringlichkeit das Vertrauen von Konsumentinnen und Konsumenten untergraben und langfristig negative Folgen haben. Damit lässt sich festhalten, dass FOMO-Marketing durchaus ein effektives Instrument darstellt vorausgesetzt, es wird verantwortungsvoll und mit Blick auf Transparenz und Glaubwürdigkeit eingesetzt.

Literaturverzeichnis

Fathia, N. & Vania, A. (2023). Impulsive buying behavior: scarcity impact of flash sale through arousal as mediating variable. Jurnal Mantik, 7(3), 1766–1776. https://www.researchgate.net/publication/378696499_Impulsive_buying_behavior_scarcity_impact_of_flash_sale_through_arousal_as_mediating_variable

Nguyen, D. N. & van Nguyen, D. (2025). FOMO and the Impulsive Purchasing Behavior ofYoung People. European Journal of Business and Management Research, 10(3), 41–47.

Oetzel, S. & Luppold, A. (2023). 33 Phänomene der Kaufentscheidung: Kundenverhalten besser verstehen – Wissen und Inspiration. Springer Gabler. https://link.springer.com/978-3-658-42860-0

Abbildung: KI-generiertes Bild, erstellt mit ChatGPT (OpenAI), 2025.

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