„Sie wohnen in Oxford? Studieren sie dort?“ Diese Fragen stellte mir vor wenigen Wochen eine Arzthelferin in einer Zahnarztpraxis in Deutschland. „Nein, ich studiere nicht direkt in Oxford, sondern an der Fernhochschule SRH Riedlingen“, war meine Antwort. Mein Mann ist beruflich vorübergehend in Oxford tätig. Und da ich die Möglichkeit habe, ihn zu begleiten, nutze ich die Zeit und widme mich einem Studium in „Prävention & Gesundheitspsychologie“. Und ich kann sagen, es ist eine einzigartige Erfahrung Fernstudentin in der Stadt der Studenten zu sein. Oxford, das wegen der zahlreichen Turmspitzen, welche die Gebäude der „Univerisity of Oxford“ zieren auch als „Stadt der verträumten Turmspitzen“ bezeichnet wird, hat einiges zu bieten und ist durch ihre zahlreichen Studenten eine sehr junge und quirlige Stadt.[1]
Universitäten in Oxford
„The Hall“ in Christ Church College (Quelle: eigene Aufnahme)
In Oxford gibt es neben der „University of Oxford“ noch die „Brooks University“. Allein an der „University of Oxford“ studieren 22000 Studenten aus 140 verschiedenen Nationen. Sie ist die älteste Universität in der englischsprachigen Welt. Historisch bedingt setzt sie sich aus der Universität, 38 Colleges und sechs privaten Hallen zusammen. Die Universität besteht aus akademischen Abteilungen, Forschungszentren, administrativen Abteilungen, Museen und Bibliotheken. Sie nimmt überwiegend administrative Aufgaben wahr. Die Colleges verwalten sich selbst und sind finanziell unabhängige Institutionen. Sie sind mit der Universität in einem föderalen System verbunden. Die Colleges sind unter anderem für die Verpflegung, die Unterkunft sowie sportliche und soziale Aktivitäten zuständig. Es existiert kein echtes Gründungsdatum der „University of Oxford“, aber es wird in Oxford seit 1096 unterrichtet. Ab dem Jahr 1167 entwickelte sich Oxford als Studentenstadt sehr schnell, da Henry II die englischen Studenten von der Universität in Paris verbannte. Heute ist Oxford das weltführende Zentrum des Studierens, des Lehrens und der Forschung. Unter den Absolventen und Gelehrten der „University of Oxford“ befinden sich 36 britische Premierminister, zahlreiche Staats- und Regierungschefs, 50 Nobelpreisträger und 120 Gewinner olympischer Medaillen wie Tony Blair, Bill Clinton, Richard Curtis, Hugh Grant, Harald V (König von Norwegen), Professor Stephen Hawkin, Margaret Thatcher, JRR Tolkien und Oscar Wilde.[2] Die Kosten für ein Studium an dieser Eliteuniversität belaufen sich auf 9.000 Pfund (ca. 12.500 Euro) im Jahr. Doch trotz der hohen Kosten ist die „University of Oxford“ auch bei Deutschen sehr beliebt. Im akademischen Jahr 2014/2015 schrieben sich 830 deutsche Studenten dort ein. Absolventen erhoffen sich einen Karrierevorteil, wenn sie an einer der renommiertesten Universitäten weltweit studiert haben.[3] Die 38 Colleges gehören zu den Hauptsehenswürdigkeiten in Oxford. Insbesondere das größte und wohl bekannteste College „Christ Church College“ bietet seinen Besuchern ein einmaliges Ambiente. Viele Besucher wollen insbesondere die „Hall“ sehen, da sie als Inspirationsquelle für die große Halle von Hogwarts in den Harry Potter Verfilmungen diente.
Die zweite große Universität in Oxford ist die „Brooks University“. Sie existiert seit 1865 und ist eine der führenden Universitäten im Vereinigten Königreich. An dieser Universität studierten im Jahr 2013 knapp 18.000 Studenten.[4] Sie steht ein wenig im Schatten der „University of Oxford“. Wer in Oxford studieren will, der hat das Ziel an der „University of Oxford“ zu studieren. Doch nicht allen Interessenten gelingt dies. Die Aufnahmeprüfung ist alles andere als leicht und die begehrten Plätze sind begrenzt. Das Abitur muss eines der besten sein.
In Oxford leben somit rund 40.000 Studenten bei einer Gesamteinwohnerzahl von 158.000 (Stand 2014).[5] Die Stadt ist jung, lebendig und es ist immer etwas los. Nur zur Weihnachtszeit und während der Osterfeiertage befindet sich Oxford in einem „Ruhezustand“. Die meisten Studenten fahren nach Hause zu ihren Familien und in Oxford schließen sogar einige Cafés.
Sehenswürdigkeiten in Oxford
Das Oxford Castle, welches inzwischen teilweise zu einem Nobelhotel umgebaut wurde, diente von 1071 bis 1996 als Gefängnis. Bei einer Besichtigung kann man erfahren, wie es den Gefangenen in der 900 Jahre alten unterirdischen Krypta erging.[6]
Das Ashmolean Museum war das erste öffentliche Museum der Welt. Es wurde 1683 gegründet und ist heute eines der bedeutendsten Museen für Archäologie und Kunst in Großbritannien.[7]
Radcliff Camera (Quelle: eigene Aufnahme)
Die Bodleian Library ist eine der ältesten Bibliotheken der Welt. Ihre Geschichte geht bis in das 15. Jahrhundert zurück. Heutzutage ist sie mit über 11 Millionen gedruckten Exemplaren, nach der British Library, die zweitgrößte Bibliothek in Großbritannien.[8] Sie ist eine von 5 Bibliotheken in Großbritannien, die zu den „Legal Deposit Libraries“ (eine Art Pflichtexemplarbibliothek) gehört. Nach den Regeln des „Legal deposit“ ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass mindestens eine Kopie einer englischen Buchveröffentlichung in einer der britischen Bibliotheken hinterlegt ist.[9] Zur Bodleain Library gehört die Radcliff Camera, welche aufgrund ihrer einmaligen Rundbauweise besonders sehenswert ist. In ihr befinden sich zwei Lesesäle und ein unterirdisches Buchdepot.[10] Leider kann man die Bodleian Library nur dann besuchen und sich darin aufhalten, um zu lesen, wenn man an einer Universität in Oxford studiert. Für Oxfords Studenten ist der Zugang kostenlos, externe Nutzer müssen sich über eine Online-Plattform anmelden und bezahlen eine Gebühr für die Nutzung.[11]
Das Sheldonian Theatre ist die offizielle Zeremonienhalle der „University of Oxford“. Den Studenten wird dort unter anderem der akademische Grad verliehen. An Tagen, an denen das Sheldonian Theatre nicht durch die Studenten genutzt wird, ist es für die Öffentlichkeit zugänglich und dient für Konzerte, Meetings, Lesungen, Diskussionsrunden und andere Veranstaltungen.[12]
Studentenleben in Oxford
Täglich sehe ich die Studenten in die Colleges gehen. Zur Prüfungszeit, im Sommer des vergangenen Jahres, war ein besonderes Schauspiel zu beobachten. Die Studenten der „University of Oxford“ trugen über Wochen ihren „full academic dress“, auch „sub fusc“ genannt. Dieser besteht aus einem „mortarboard“ (akademische Kopfbedeckung), einer „robe“ (Talar) und einem Anzug mit weißem Hemd, schwarzen Schuhen und einer Fliege oder einen Schlips.[13] Zur Abschlussfeier liefen sie dann in geschlossener Form mit dem „sub fusc“ durch die Stadt. Ihr Ziel ist das Sheldonian Theatre. Dort treffen sie auf ihre Familien und Bekannten. Ein wunderschöner Anblick.
Solche Erlebnisse bleiben mir leider vorenthalten. Aber ich denke, einige der Studenten in Oxford würden mich beneiden, wenn sie wüssten wie flexibel ich mein Fernstudium gestalten kann. Eine Freundin fragte mich kürzlich: „Wo und wann schreibst du eigentlich deine Prüfungen?“ Aufgrund der geringen Entfernung nach Deutschland war es mir bisher recht oft möglich, die Prüfungen in München abzulegen. Meistens konnte ich eine Besuchsreise mit einem Prüfungstermin verbinden. Nur einmal habe ich bisher eine Prüfung im Goethe-Institut in London geschrieben. Und die anderen Prüfungsleistungen, Präsentationen, Einsendeaufgaben, Hausarbeiten finden per Post sehr zuverlässig ihren Weg nach Riedlingen. Das Fernstudium kann auch im Ausland problemlos absolviert werden.
Nur manchmal würde ich mir, so wie die Studenten in Oxford, Kommilitonen wünschen, mit denen ich mich austauschen könnte. Die Kontakte im Fernstudium und insbesondere, wenn man sich im Ausland aufhält, beschränken sich leider auf wenige Zeilen innerhalb der Facebook-Gruppen.
Aber ich wohne in einer wunderschönen historischen Stadt, deren Vorzüge ich sehr zu schätzen weiß. Ich genieße es, wenn Freunde und Verwandte zu Besuch nach Oxford kommen und ich ihnen diese historische Stadt zeigen kann. Im November kamen Freunde zu Besuch und über der Stadt lag mehrere Tage lang ein dichter Nebel. Als wir durch die dunklen, nur mit diffusem Licht beleuchteten Gassen Oxfords gingen, fühlten wir uns um mehrere hundert Jahre zurückversetzt. Die Stadt gibt an alle, die sich in ihr bewegen, einen besonderen „Spirit“ ab. Wahrscheinlich liegt es daran, dass dort seit mehreren hundert Jahren viele Gelehrte, Spirituelle und Geistliche ihre Ausbildung absolvierten. Manchmal habe ich das Gefühl, dass dieser Spirit meine intrinsische Motivation positiv beeinflusst.
