By Published On: 3. Februar 2021Categories: Pädagogik, Psychologie

Wie sollen Kinder sich das alles merken? In Geschichte werden sie bombardiert mit Jahreszahlen, in Fremdsprachen gibt es zahlreiche Vokabeltests und in Biologie müssen verschiedenste lateinische Fachbegriffe vom „endoplasmatischen Reticulum“ bis hin zur „Desoxyribonukleinsäure“ beherrscht werden, sodass man fast meinen könnte die Kinder sollten für ihre Kenntnisse danach ein kleines Latinum erhalten. Viele Eltern fragen sich bei diesen Anforderungen, wie sie ihre Kinder wirksam beim Lernen unterstützen können. Vor allem in der aktuellen Zeit, in der Schulen geschlossen sind und Online-Unterricht an der Tagesordnung ist, sind Kinder stärker auf die Hilfe der Eltern beim Lernen angewiesen.

Informationen effektiv einprägen mithilfe von Mnemotechniken

Im Zusammenhang mit dem wirksamen Einprägen von Informationen taucht häufig der Begriff Mnemotechnik auf, der keineswegs ein neuer ist, denn erste Mnemotechniken wurden bereits in der griechischen Antike entdeckt und werden Simonides von Keos zugeschrieben, der einige Jahrhunderte vor Christus lebte (Dresler, 2011, S.58). Das Wort ist deshalb auch aus dem Griechischem entlehnt und „Mneme“ bedeutet so viel wie Gedächtnis oder Erinnerungsvermögen. Mithilfe der Mnemotechniken waren griechische Redner damals in der Lage sich ohne weiteres an die Struktur und die Inhalte ihrer Reden zu erinnern (Becker-Carus & Wendt, 2017, S.399). Die verwendeten Techniken beinhalten verschiedenste Strategien, die das Einprägen von Informationen über eine Ordnungsstruktur oder die bildliche Vorstellungskraft vereinfachen sollen. Mnemotechniken machen sich dabei zu Nutze, dass bildliche Inhalte leichter erinnert werden können als abstrakte Informationen (Myers, 2014, S.334-335). Ebenso profitieren Mnemotechniken vom so genannten Chunking. Aus Untersuchungen zum Kurzzeitgedächtnis ging 1956 hervor, dass Menschen sich im Durchschnitt an 7±2 Informationsbündel (Chunks) erinnern konnten (Mathy & Feldman, 2012). Die Inhaltsmenge dieser Chunks lässt sich allerdings erhöhen, indem Informationen durch Neucodierung und Gruppierung zu größeren Informationsbündeln geschnürt werden. Eine Zahlenfolge aus 16 Ziffern lässt sich beispielsweise einfacher einprägen, wenn vier Gruppen mit jeweils 4 Zahlen gebildet werden (Becker,Carus & Wendt, 2017, S.400). Das Major-System ist eine Mnemotechnik, die im 17. Jahrhundert entwickelt wurde und die Codierung von Zahlen in Wörter ermöglicht, die dann leichter eingeprägt werden können (Strauß, 2007, S.7). Dafür werden den Zahlen von 0-9 Buchstaben zugeordnet. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Codierung mit Merkhilfen. Vokalen wird dabei kein Buchstabe zugeordnet und Doppelkonsonanten wie „mm“ zählen einfach.

Nummer Assoziierter Buchstabe
0=s, z, ß (z für zero)
1=d, t (beide haben einen Abstrich)
2=n (zwei Abstriche)
3=m (drei Abstriche)
4=r (letzter Buchstabe im Wort vier)
5=l (L ist die römische Ziffer für 50)
6=j, sch, ch (J sieht gespiegelt Ziffer 6 ähnlich, sechs enthält ch)
7=k, g („K“ beinhaltet umgedreht die 7)
8=f, v, w (Schreibschrift f besitzt Ähnlichkeit mit 8)
9=b, p (Spiegelungen der Ziffer 9)
Tabelle 1: Major-System mit Merkhilfen (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Buzan, 2008, S.33-34 und gedankenpalast.blog, 2021)

Damit lassen sich nun Zahlen in Wörter transformieren. Wenn beispielsweise für das Fach Geschichte das Jahr des Mauerfalls 1989 gelernt werden soll, dann lässt sich dies in die Wörter Tuba (19) und Wippe (89) codieren. Um die Information nun einzuprägen könnte sich ein Kind vorstellen, dass beim Mauerfall zur Feier des Tages Tuba gespielt wurde und die Menschen selig die Klänge genießend wie eine Wippe hin- und herschaukelten. Neben dem Major-System ist die Loci-Methode sehr beliebt, um sich Informationen und Reihenfolgen einzuprägen. Dafür werden Informationen an bekannten Orten Routen oder Räumen abgelegt und später abgerufen (Qureshi, Rizvi, Syed, Shahid & Manzoor, 2014). Als erstes ruft sich die Person dafür einen ihr bekannten Ort oder eine Route vor, wie beispielsweise den Weg von zu Hause bis in die Schule. Dann werden die zu lernenden Informationen mit den bereits bekannten Orten verbunden. Dabei müssen die Assoziationen nicht zwangsläufig Sinn ergeben oder der Wahrheit entsprechen, sondern in erster Linie gut vorstellbar sein (Becker-Carus & Wendt, 2017, S.401). Muss das Kind zum Beispiel die englische Vokabel für Tür (door) lernen, könnte es sich vorstellen, wie es durch die Wohnungstür gehen will, die ihm vom Marvelhelden Thor (ähnlicher Klang wie door) aufgehalten wird. Auf diese Weise werden entlang einer bekannten Route alle Informationen abgelegt und sie kann jederzeit gedanklich abgelaufen werden, wenn die Informationen abgerufen werden müssen. Als Übung kann dafür auch versucht werden sich eine Einkaufsliste der Reihenfolge nach einzuprägen. Experimentell wurde die Wirksamkeit der Loci-Methode untersucht, wobei sich zeigte, dass die Loci-Methode zu besseren Ergebnissen führte beim Erinnern von 20-Wörter-Listen als herkömmliche Verfahren und in Bezug auf die exakte Erinnerung der Reihenfolge besser abschnitt als einige der anderen Mnemotechniken, die überprüft wurden (Roediger, 1980, S.558-567). Darüber hinaus zeigte sich in einem weiteren Experiment, dass die Anwendung der Loci-Methode eine effektive Technik für das Lernen von Inhalten der Physiologie darstellt. Qualitative Analysen ergaben zudem, dass die Intervention die Motivation der Studenten erhöhte sich ihr eigenes Wissen auf diese Weise zu konstruieren (Qureshi, et. al., 2014).

Fazit  

Mnemotechniken besitzen das Potenzial das Lernen für Schülerinnen und Schüler zu verändern und erleichtern. Dennoch sind ihre Erlernung und Anwendung erstmal mit einem höheren Aufwand verbunden als herkömmliche Lernmethoden, die auf Wiederholungen aufbauen, weswegen abgewogen werden muss, ob der zusätzliche Lernaufwand gerechtfertigt ist. Besonders jüngere Kinder sollten darüber hinaus beim Erlernen der Methoden von einem Erziehungsberechtigten unterstützt werden, um sie effektiv anwenden zu können. Im Idealfall werden die Techniken den Kindern vermittelt und dienen ihnen auf ihrem weiteren Bildungsweg als Lernwerkzeuge, mit denen sie flexibel auf verschiedenste Anforderungen reagieren können.

Literatur

Becker-Carus, C. & Wendt, M. (2017). Allgemeine Psychologie. Springer, Berlin, Heidelberg, 2. Auflage.

Buzan, T. (2007). Master your memory. More inspiring ways to increase the power of your memory, focus and creativity. Pearson Education.

Dresler, M. (2011). Kognitive Leistungen. Intelligenz und mentale Fähigkeiten im Spiegel der Neurowissenschaften. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin, Heidelberg.

Myers, D.G. (2014). Psychologie. Springer, Berlin. 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage.

Roediger, H. L. (1980). The effectiveness of four mnemonics in ordering recall. Journal of Experimental Psychology: Human Learning and Memory, 6(5), 558–567. https://doi.org/10.1037/0278-7393.6.5.558

Strauß, J. (2007). Kreativ denken-leichter lernen. Verlag Europa-Lehrmittel Nourney, Vollmer.

Internetquellen

Mathy, F. & Feldman, J. (2012). What’s magic about magic numbers? Chunking and data compression in short term memory. Verfügbar unter:

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0010027711002733

Zuletzt aufgerufen am: 26.01.2021

Gedankenpalast.blog (2021). Gedankenpalast. Verfügbar unter: gedankenpalast.blog/major-system/ Zuletzt aufgerufen am: 26.01.2021

Qureshi, A. Rizvi, F. Syed, A. Shahid, A. & Manzoor, H. (2014). The method of loci as a mnemonic device to facilitate learning in endocrinology leads to improvement in student performance as measured by assessments. Verfügbar unter: https://journals.physiology.org/doi/full/10.1152/advan.00092.2013 Zuletzt aufgerufen am: 26.01.2021

Titelbild Quelle

https://pixabay.com/de/photos/m%C3%A4dchen-laptop-schulmaterial-5662435/
Von: ZapCulture

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