By Published On: 7. Mai 2025Categories: Digitalisierung, Soziales, Technologie

Die Digitalisierung prägt nahezu jeden Bereich unseres Alltags – von Bildung und Arbeit über Wohnen bis hin zu sozialen und politischen Interaktionen. Doch wie steht es um die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen? Trotz zahlreicher Chancen digitaler Technologien sehen sich gerade Menschen mit Behinderung immer wieder mit erheblichen Barrieren konfrontiert.

Warum ist politische Teilhabe für Menschen mit Behinderung digital so schwer?

Politische Teilhabe umfasst alle Aktivitäten, die es Bürger:innen ermöglichen, aktiv am politischen Leben teilzunehmen und politische Entscheidungen zu beeinflussen (Schneider, 2021). Dazu zählen Wahlhandlungen ebenso wie Beteiligungen an politischen Diskussionen oder die Nutzung von Online-Petitionen. Für Menschen mit Behinderungen gestaltet sich der Zugang jedoch oft schwierig. Ursachen sind insbesondere digitale Hürden wie fehlende Barrierefreiheit bei digitalen Angeboten.

Studien verdeutlichen bestehende Defizite deutlich. Teach Access (2023) zeigt, dass in etwa 67 % der Unternehmen grundlegende Kenntnisse zur digitalen Barrierefreiheit fehlen. Diese Kompetenzlücke führt dazu, dass Online-Angebote oft nicht inklusiv gestaltet werden und politische Beteiligungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung erschwert sind.

Digitale Teilhabe kann nach Borgstedt und Möller-Slawinski (2020) in drei Dimensionen gegliedert werden: Teilhabe an digitalen Technologien (Zugang), durch digitale Technologien (Unterstützungssysteme) und in digitalen Technologien (Interaktion und Vernetzung). Besonders die Dimension der Teilhabe in digitalen Technologien ist für politische Teilhabe essenziell, da sie Menschen mit Behinderung ermöglicht, digitale Plattformen zur politischen Information und Mitwirkung aktiv zu nutzen.

Die Konsequenzen fehlender digitaler Barrierefreiheit sind gravierend. Digitale Zugangsbarrieren beeinträchtigen unmittelbar demokratische Grundrechte wie die politische Mitbestimmung, obwohl Staaten laut UN-Behindertenrechtskonvention (2006) verpflichtet sind, barrierefreie Strukturen umfassend umzusetzen.

Zudem zeigen jüngste Erhebungen, dass die Wahlbeteiligung von Menschen mit Behinderung signifikant niedriger liegt als bei Menschen ohne Behinderung. Ursachen hierfür sind vor allem die mangelnde Zugänglichkeit und fehlende inklusive Angebote bei politischen Wahlen und Beteiligungsprozessen.

Visionen eines inklusiven digitalen Wahlsystems

Ein inklusives digitales Wahlsystem sollte folgende Kernmerkmale aufweisen:

  • Barrierefreie Gestaltung: Benutzeroberflächen müssen für alle zugänglich sein, inklusive Screenreader-Unterstützung und kontrastreicher Darstellung.
  • Einfache Bedienbarkeit: Intuitive Navigation und klare Anleitungen in leichter Sprache.
  • Sicherheit und Vertraulichkeit: Hohe Standards zum Schutz persönlicher Daten und Wahrung der Wahlgeheimnisse.
  • Flexibilität der Stimmabgabe: Möglichkeit zur Stimmabgabe sowohl digital als auch in barrierefreien Wahllokalen.

Blick über den Tellerrand: Digitale Wahlsysteme international

Estland hat bereits 2005 das sogenannte I-Voting eingeführt, das Bürger:innen die Online-Stimmabgabe ermöglicht. Die Identität wird über elektronische Ausweise geprüft, und das System kontinuierlich hinsichtlich Barrierefreiheit verbessert (Estonian National Electoral Committee, 2023).

Die Schweiz testet seit 2004 das „Vote électronique“ und hat dabei hohen Wert auf Sicherheit, Barrierefreiheit und demokratische Prinzipien gelegt (Bundeskanzlei Schweiz, 2023).

Fazit

Trotz technologischer Fortschritte wird digitale Barrierefreiheit im politischen Raum unterschätzt. Besonders lokal könnten barrierefreie digitale Lösungen entscheidend dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderung aktiv und sichtbar am politischen Leben teilnehmen. Politische Teilhabe darf nicht länger Sonderfall sein, sondern muss als demokratischer Grundpfeiler ernst genommen werden.

Ich fordere daher entschlossene politische Initiativen, klare gesetzliche Vorgaben und nachhaltige Investitionen in Bildung und innovative soziale Projekte. Meine Vision ist eine digitale Gesellschaft, in der Teilhabe selbstverständlich für alle zugänglich ist – ohne Ausnahme.

Literaturverzeichnis

Borgstedt, S., & Möller-Slawinski, H. (2020). Digitale Teilhabe von Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung. Verlag Barbara Budrich.

Bundeskanzlei Schweiz. (2023). E-Voting in der Schweiz, zuletzt abgerufen am 30. März 2025, von https://www.bk.admin.ch/bk/de/home/politische-rechte/e-voting.html

Estonian National Electoral Committee. (2023). Introduction to I-Voting, zuletzt abgerufen am 30. März 2025, von https://www.valimised.ee/en/internet-voting/more-about-i-voting/introduction-i-voting

Schneider, H. (2021). Politische Partizipation von Menschen mit Behinderung. Deutsches Institut für Menschenrechte. zuletzt abgerufen am 30. März 2025, von https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/Weitere_Publikationen/Bericht_Politische_Partizipation_von_Menschen_mit_Behinderungen_in_Berlin.pdf

Teach Access. (2023). Bridging the Accessible Technology Skills Gap. zuletzt abgerufen am 30. März 2025, von https://teachaccess.org/wp-content/uploads/2023/06/2023-Accessibility-Skills-Gap-White-Paper-Final-Tagged.pdf

UN-Behindertenrechtskonvention. (2006). Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, zuletzt abgerufen am 30. März 2025, von https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/crpd-c-2-3.pdf

Titelbildquelle

Titelbild von geralt veröffentlicht am 10.11.2022 unter https://pixabay.com/illustrations/digitization-transformation-digital-7580781/ abgerufen am 13.04.2025

Nutzungsbedingungen unter https://pixabay.com/service/license-summary/

Teile diesen Artikel