By Published On: 25. September 2025Categories: Digitalisierung, Gesundheit, Psychologie

Warum Abschalten so schwerfällt

Ob morgens noch vor dem Aufstehen, beim Lernen, Arbeiten oder abends im Bett, das Smartphone ist immer dabei. Die Mails checken, Push-Benachrichtigungen lesen, auf Nachrichten reagieren und das ist für viele junge Erwachsene Alltag. Gleichzeitig steigt das Gefühl von ständiger Erreichbarkeit, innerer Unruhe und mentaler Erschöpfung. Mehre Studien zeigen: Die permanente digitale Präsenz fordert ihren Preis.
Laut dem TK-Gesundheitsreport (2023) fühlen sich 68 % der Studierenden häufig erschöpft, 53 % haben Konzentrationsprobleme, und fast die Hälfte berichtet über Schlafstörungen, viele davon im direkten Zusammenhang mit übermäßiger Bildschirmzeit und fehlender digitaler Abgrenzung (TK, 2023, S. 13).

Doch warum fällt es uns so schwer, abzuschalten? Und was macht diese Dauervernetzung mit unserer Psyche?
Die digitalen Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, sie bieten Information, soziale Bindung, Unterhaltung. Gleichzeitig erzeugen sie ein ständiges Reizniveau, das unser Gehirn dauerhaft beschäftigt. Besonders betroffen junge Erwachsene, die zwischen Studium, Arbeit und sozialen Anforderungen versuchen, überall gleichzeitig präsent zu sein.

Theorie: 
Zur Erklärung von Lern- und Arbeitsprozessen wurden verschiedene Theorien entwickelt. Eine bekannte Theorie ist die Kognitive Überlastung (Cognitive Overload), die nach der Informationsverarbeitungstheorie davon ausgeht, dass unser Arbeitsgedächtnis begrenzt ist. Die ständigen Benachrichtigungen, Medienwechsel und parallele Aufgaben (Multitasking) überfordern dieses System, das Ergebnis Konzentrationsprobleme, mentale Erschöpfung, verminderte Leistungsfähigkeit (TK, 2023, S. 9).
Das Transaktionale Stressmodell nach Lazarus und Folkman (1984) beschreibt Stress als Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen den Anforderungen der Umwelt und den individuellen Bewältigungsressourcen ((Lazarus & Folkman, 1984, S. 141). 
Der Stress entsteht, wenn Anforderungen die verfügbaren Ressourcen übersteigen. Die dauerhafte Onlinepräsenz ohne klare Grenzen wird als chronischer Stressor erlebt. Die kann ohne Bewältigungsstrategien zur Belastung führen langfristig zu Burnout (Robert Koch-Institut, 2013, S. 6). 
Die Selbstregulationstheorie geht davon aus, dass Menschen ihr Verhalten zielgerichtet steuern, indem sie Gedanken, Emotionen und Handlungen regulieren, um gewünschte Ergebnisse zu erreichen (Carver & Scheier, 1998, S. 24). Die Selbstregulation beschreibt die Fähigkeit, das eigene Verhalten bewusst zu steuern. Wer keine klaren Regeln für Mediennutzung hat, verliert leicht die Kontrolle. Digitale Selbstregulation wird zunehmend als Schlüsselkompetenz betrachtet, sowohl für psychische Gesundheit als auch für produktives Arbeiten (Europäische Kommission, 2018).

Methoden:
Zahlreiche Studien befassen sich mit den Auswirkungen von digitalem Dauergebrauch. Verwendet werden unter anderem folgende Instrumente:

  • Erhebungen zur Mediennutzung, z. B. tägliche Bildschirmzeit, Häufigkeit von Unterbrechungen und Schlafqualität (Twenge et al., 2019).
  • Psychometrische Skalen, wie die Media Multitasking Scale (Ophir, Nass & Wagner, 2009) oder die Smartphone Addiction Scale (Kwon et al., 2013).
  • Langzeitstudien, wie der TK-Gesundheitsreport (Techniker Krankenkasse, 2023), die Zusammenhänge zwischen digitalen Verhaltensweisen und psychischer Belastung untersuchen.

Beispiel: In der FOM-Studie von Lefrank und Graef (2021) zeigten Studierende nach einem sechswöchigen Achtsamkeits- und Digitalpausenprogramm signifikant niedrigere Burnout-Werte (S. 10).

Lösungsansätze: 

  • Digitale Pausen etablieren
    Kurze Bildschirmpausen, helfen dem Gehirn, sich zu erholen. Die Studien zeigen, dass gezielte Unterbrechungen die Konzentration fördern und das Stressempfinden senken (Techniker Krankenkasse, 2023, S. 22).
  • Feste Offline-Zeiten schaffen
    Die Einführung technikfreier Zeiten verbessert die Schlafqualität und reduziert mentale Unruhe. Besonders wirksam ist es, das Wochenende bewusst offline zu planen (Robert Koch-Institut, 2013, S. 8).
  • Achtsamkeitstraining
    Das Achtsamkeitsbasierte Programme können helfen, automatische Mediennutzung zu erkennen und zu unterbrechen. Die Kombination aus Bewegung, Meditation und Reflexion wirkt sich nachweislich positiv auf Stress und digitale Erschöpfung aus. Erste Studien im Hochschulkontext zeigen, dass Achtsamkeits- und Digitalpausenprogramme Burnout-Symptome reduzieren (Lefrank & Graef, 2021, S. 10).
  • Digitale Selbstkontrolle stärken
    Die Apps, die die Bildschirmzeit begrenzen oder gezielt Anwendungen blockieren, unterstützen die Entwicklung digitaler Selbstkontrolle. Je bewusster Medien genutzt werden, desto geringer ist das Risiko für digitale Erschöpfung (Kwon et al., 2013, S. 2).

Zusammenfassung:
Die Digitale Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken und das ist auch nicht notwendig. Problematisch wird es jedoch, wenn digitale Nutzung zur Dauerbelastung wird. Besonders junge Erwachsene, Studierende und Berufseinsteiger sind gefährdet, sich durch ständige Erreichbarkeit, Reizüberflutung und Multitasking psychisch zu überlasten (Twenge et al., 2019, S. 187).
Die psychologische Forschung zeigt: Der Mensch braucht Pausen, Struktur und Erholung. Unser Gehirn ist nicht für permanente Informationsverarbeitung ausgelegt. Ohne klare Regeln im Umgang mit digitalen Medien entsteht kognitive Überlastung, die sich in Form von Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen und psychischer Erschöpfung äußert (Lazarus & Folkman, 1984, S. 141).
Doch die gute Nachricht lautet, mit einfachen, aber konsequent umgesetzten Maßnahmen wie digitalen Pausen, Offline-Zeiten, Achtsamkeit und Selbstregulation lassen sich diese Risiken deutlich reduzieren (Carver & Scheier, 1998, S. 24)
Wer lernen will, abzuschalten, muss zunächst verstehen, was ihn am Online-Sein festhält. Häufig ist es ein Gefühl von Pflicht, Angst etwas zu verpassen (FOMO), oder schlicht eine Gewohnheit. Doch wie jede Gewohnheit lässt, sich auch dieses Verhalten verändern.
Eine digitale Selbstfürsorge heißt, bewusste Entscheidungen treffen. Das Smartphone darf ein Werkzeug bleiben, aber es sollte nicht unser Wohlbefinden kontrollieren. Die Fähigkeit, gezielt offline zu sein, ist kein Rückschritt, sondern eine Kompetenz der Zukunft.
Ich selbst kenne die Herausforderung gut, ständig online zu sein, sei es durch Uni, Arbeit oder soziale Kontakte. Irgendwann habe ich bemerkt, dass mein Schlaf schlechter wurde, meine Konzentration nachließ und ich mich ständig getrieben fühlte.
Ich glaube, wir brauchen weniger Kontrolle durch Technik und mehr Kontrolle über unsere eigene Aufmerksamkeit. Die digitale Belastung wird auch in Zukunft ein zentrales Thema für die psychische Gesundheit bleiben. Daher braucht es in Zukunft mehr Aufklärung und Sicherheit, wenn man nicht online ist. In einer Welt, die immer schneller wird, wird der Wert der Stille neu zu entdecken sein nicht als Rückzug, sondern als Kraftquelle.

Literaturverzeichnis:
Carver, C. S., & Scheier, M. F. (1998). On the self-regulation of behavior. Cambridge University Press.

Europäische Kommission. (2018). Council recommendation on key competences for lifelong learning (2018/C 189/01)Official Journal of the European Union. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32018H0604%2801%29

Kleineberg, A., & Drexler, M. (2021). Digitale Erschöpfung: Wie permanente Erreichbarkeit unser Leben verändert. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-658-34178-5

Kuhl, J. (2001). Motivation und Persönlichkeit: Interaktionen psychischer Systeme. Hogrefe.

Lazarus, R. S., & Folkman, S. (1984). Stress, appraisal, and coping. Springer.

Lefrank, M., & Graef, A. (2021). Digital Detox und Achtsamkeit im Studium: Eine Interventionsstudie an der FOM Hochschule (Unveröffentlichter Forschungsbericht). FOM Hochschule Essen.

Ophir, E., Nass, C., & Wagner, A. D. (2009). Cognitive control in media multitaskers. Proceedings of the National Academy of Sciences, 106(37), 15583–15587. https://doi.org/10.1073/pnas.0903620106

Robert Koch-Institut. (2013). Chronischer Stress und Burnout in Deutschland. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). RKI. Verfügbar unter: https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/1541/27rOmB2akXRA.pdf

Techniker Krankenkasse. (2023). TK-Gesundheitsreport 2023: Schöne neue Arbeitswelt – gesund und digital arbeiten? TK. Verfügbar unter: https://www.tk.de/resource/blob/2146912/2b567e5b3689d8a536d1bdc5c95513b2/gesundheitsreport-au-2023-data.pdf

Twenge, J. M., Joiner, T. E., Rogers, M. L., & Martin, G. N. (2019). Digital media use and mental health: A meta-analysis. Journal of Affective Disorders, 253, 186–193. https://doi.org/10.1016/j.jad.2019.04.031

Kwon, M., Kim, D.-J., Cho, H., & Yang, S. (2013). The smartphone addiction scale: Development and validation of a short version for adolescents. PLOS ONE, 8(12), e83558. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0083558

Titelbild Name: nicht vorhanden Veröffentlichungsdatum 21.12.2020 Künstler: Kaboompics.com
Abgerufen am 19.08.2025. Verfügbar unter: https://www.pexels.com/de-de/foto/menschen-verbindung-technologie-kommunikation-6255984/
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