By Published On: 14. Juni 2023Categories: Digitalisierung, Gesundheit

Seit Anfang 2021 haben Patientinnen und Patienten im deutschen Gesundheitswesen die Möglichkeit eine elektronische Patientenakte zu nutzen. Sie verspricht ein schnelles und unkompliziertes Zugreifen auf medizinische Dokumente sowie Behandlungs- und Medikationspläne mit der Möglichkeit, diese für ausgewählte Ärzte freizugeben. Genutzt wird die sogenannte ePA nach Umfragen aber erst von wenigen Personen und auch das Wissen um diese digitale Anwendung ist Annahmen zufolge nicht sehr weit verbreitet (Oßwald-Dame, 2022, S. 50). Welche Vorteile und Chancen bringt die Nutzung der ePA mit sich? Und wie argumentieren demgegenüber die Kritiker?

Die elektronische Patientenakte in Kürze

Historisch betrachtet wurde schon im Jahr 2005 im Rahmen von Digitalisierungsmaßnahmen im Gesundheitswesen die rechtliche Grundlage für die elektronische Patientenakte geschaffen. Erst sechzehn Jahre später, im Sommer 2020, wurde die Befürwortung der ePA durch den Bundestag ausgesprochen. Die Einführung wurde kurzfristig für 2021 geplant mit der Prämisse, dass bis dahin noch nicht alles perfekt funktionieren würde (Heeser, 2021, S. 34). Die Nutzung der elektronischen Patientenakte erfolgt über ein sogenanntes Opt-out-Prinzip. Das Bedeutet, dass jeder Patient automatisch eine ePa erhält, solange er dem nicht widerspricht. Diese Widerspruchslösung wurde ausgewählt, um die Nutzung für alle Versicherten möglich zu machen und einen großen Kreis an Anwendern zu erreichen (Bundesministerium für Gesundheit, 2023, S. 24).

Ziel der elektronische Patientenakte ist es eine Plattform für Behandlungs-, Gesundheits- und Pflegedaten sowie für entsprechende Dokumente zu schaffen, auf die von verschiedenen Schnittstellen zugegriffen werden kann. Die Freigabe der Daten obliegt dem Patienten, dieser kann entscheiden ob und wem er seine Daten zugänglich macht. In der Akte können beispielsweise Dokumente wie Medikationspläne, Behandlungspläne, Röntgen- und MRT-Bilder hinterlegt werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit Daten wie Blutzucker, Blutdruck und Pulswerte durch Fachpersonal als auch von dem Patienten selbst einzustellen. Auch eine digitale Speicherung von Papierdokumenten, wie dem Mutterpass, Impfausweisen, U-Heften für Kinder und dem Zahn-Bonusheft ist in der elektronischen Patientenakte möglich (Oßwald-Dame, 2022, S. 50). Ebenfalls obliegt es dem Versicherten zu entscheiden, welche seiner hinterlegten Daten er für Forschungszwecke zur Verfügung stellt (Heeser, 2021, S. 35).

Die Vorteile der Digitalisierung

Die elektronische Patientenakte bündelt unterschiedliche Daten und Dokumente an einem Platz und macht diese für unterschiedliche Schnittstellen jederzeit zugänglich. Diese Sektorenübergreifende Nutzung der Daten verbessert die Koordination zwischen den Fachdisziplinen und kann dadurch die Versorgungssicherheit der Patienten bedeutsam verbessern (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, 2023, S. 2).  In ärztlichen Vertretungsfällen, bei einem Arztwechseln als auch bei einer Überweisung zu einem Spezialisten bietet die ePa die Möglichkeit auf ältere schon vorhandene Daten zurückzugreifen. Doppeluntersuchungen können dabei vermieden werden, was gerade bei Untersuchungen mit Strahlenbelastung dem Patienten zugutekommt und schädliche Belastung reduziert wird. Ebenfalls werden durch das Vermeiden von unnötigen medizinischen Maßnahmen Kosten und Ressourcen im gesamten Gesundheitssektor eingespart (Klauber, 2019, S. 6). Das Hinterlegen von Allergien und Unverträglichkeiten, als auch der ständige Zugriff auf aktuelle Medikationspläne, kann in einem Notfall den Fachkräften viel Zeit ersparen und unter Umständen dem Patienten das Leben retten (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, 2023, S. 3). Auf Grundlage der Transparenz und der Historie de gespeicherten Daten können Behandlungs- und Therapiepläne effektiv und individuell erstellt und verfolgt werden.  Der Patient erfährt zudem einen unmittelbaren Nutzen durch die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, das elektronische Rezept als auch einem elektronisch hinterlegter Medikationsplan. Der lästige Papierkram entfällt und alle Unterlagen sind jederzeit an einem bestimmten Ort flexibel abrufbar und einsehbar (Klauber, 2019, S. 14). Das gleiche gilt für U-Heft, Mutterschutzpass, Impfausweis und dem zahnärztlichen Bonusheft, welche zukünftig nicht mehr bei jedem Arztbesuch mitgeführt werden müssen, da sie in der elektronischen Akte abgespeichert sind. Ein weiterer Vorteil liegt in der Fülle an digital hinterlegten medizinischen Daten. Diese können zum einen für wissenschaftliche Forschungszwecke bereitgestellt werden. Zum anderen können die Daten von den Krankenkassen genutzt werden um die Versorgungsprozesse zu optimieren und dem Patienten individuelle Angebote zukommen zu lassen (Wortmann, 2021, S. 50).

Kritik und Risiken

Als Kritik wird die nicht zwangsläufig gegeben Verlässlichkeit der hinterlegten Daten diskutiert. Da der Patient in der Lage ist bestimmte Angabe aus seiner elektronischen Patientenakte zu löschen oder diese nur für bestimmte Fachdisziplin freizugeben, kann nicht immer von einer vollständigen und richtigen Datenhistorie ausgegangen werden. Dies macht es den Hausarztpraxen unter Umständen schwer, im Krankheitsfall zwischen den einzelnen Fachbereichen die Koordination zu übernehmen, wenn die Einsicht in die Untersuchungsdaten durch den Patienten nicht freigeben ist  (Oßwald-Dame, 2022, S. 52). Für eine erfolgreiche und effektive Behandlung wird deshalb eine verlässliche Zusammenarbeit und Handlungskompetenz des Patienten benötigt. Des Weiteren werden die Voraussetzung von benötigten Mitteln als kritisch betrachtet, denn um die elektronische Patientenakte zu Nutzen ist entsprechende Software und gegebenenfalls in einigen Praxen die Anschaffung neuer elektronischer Geräte notwendig. Zudem wird eine stabile Internetverbindung nötig, um Daten hochzuladen, als auch gespeicherte Daten abzurufen. Das größte Risiko wird jedoch in datenschutzrechtlichen Bedenken ausgesprochen und es stellt sich die Frage, ob die gegebenen Sicherheitsanforderungen ausreichend sind, um einen Datenmissbrauch durch Dritte auszuschließen (Oßwald-Dame, 2022, S. 52). Hier besteht zusätzlich die Möglichkeit durch gesetzliche Regelungen einzugreifen, um Missbrauchsverstöße einzudämmen. Die skandinavischen Länder haben ihr Gesundheitswesen schon länger auf eine digitale Nutzung und Datenerfassung umgestellt und könnten in einigen Ansichten für Deutschland als Vorreiter dienen. So schreibt die Bevölkerung in Dänemark die Vorteile, die eine ständig verfügbare Datenplattform mit sich bringt, einen höheren Stellenwert zu, als einem möglichen Datenmissbrauch (Klauber, 2019, S. 14).

Fazit

Die ePA bietet Chancen und Risiken zugleich, wobei die Chancen über die Bündelung von Gesundheitsdaten, deren Transparenz und dessen flexibler Zugriff überwiegen.  Um alle Möglichkeiten auszuschöpfen und die Daten effizient nutzen zu können, setzt es eine aktive und verlässliche Mitwirkung aller beteiligten Parteien, wie Patienten, Ärzte, Krankenkassen als auch Forschungsinstitute, voraus. Eine ständige Weiterentwicklung und Anpassung der ePA bleibt unumgänglich, um die Effizienz noch weiter auszubauen. Wenn die Risiken der digitalen Nutzung durch entsprechenden Datenschutz, Sicherheitsanforderungen und Gesetze geregelt sind, bietet die elektronische Patientenakte ein digitales Tool, was allen Schnittstellen neue Möglichkeiten der Datenverarbeitung und Datennutzung im Gesundheitswesen und der Forschung bietet.

Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Gesundheit. (2023). Gemeinsam digital. Digitalisierungsstrategien für das Gesundheitswesen und die Pflege.

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. (2023). Stellungnahme der DEGAM zur Elektronischen Patientenakte (ePA).

Heeser, A. (2021). Die elektronische Patientenakte: Eine für alles. Heilberufe, 73(1), 34–35. https://doi.org/10.1007/s00058-020-1930-y

Klauber, J. (2019). Krankenhaus-Report 2019. Das Digitale Krankenhaus. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin / Heidelberg. Verfügbar unter: https://ebookcentral.proquest.com/lib/kxp/detail.action?docID=6422617

Oßwald-Dame, U. (2022). Die elektronische Patientenakte. der junge zahnarzt, 13(2), 50–53. https://doi.org/10.1007/s13279-022-0817-5

Wortmann, M. (2021). Wer Auswertung seiner ePA-Daten ablehnt, muss widersprechen. HNO Nachrichten, 51(4), 50. https://doi.org/10.1007/s00060-021-7609-4

Bildquelle

Studiogstock. (2023, 23. Mai). Smartphone with medical services app. Verfügbar unter: https://www.freepik.com/free-vector/smartphone-with-medical-services-app_5153402.htm#query=elektronische%20patientenakte&position=49&from_view=search&track=ais

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