By Published On: 20. April 2019Categories: Gesundheit, Psychologie

Die „Pille“ gilt als sicherstes Verhütungsmittel, was dazu führt, dass ganze 80% der 18-20-Jährigen Frauen, die Antibabypille (orale Kontrazeptia) einnehmen.[1] Aber nicht nur verhindert sie eine ungewollte Schwangerschaft, sie verspricht auch schönere Haut, volleres Haar und größere Brüste, was junge Mädchen natürlich noch viel mehr überzeugt. Mittlerweile fast schon als Life-Style-Produkt[2] wird jedoch vergessen, dass es sich trotzdem um ein Medikament handelt und auch damit einhergehende Risiken hat, die auf keinen Fall unbeachtet bleiben sollten. Die Pharmaindustrie versucht mit jeder Generation die Nebenwirkungen zu reduzieren, doch scheint es so, als käme mit einer Verbesserung auch jedes Mal eine neue Verschlechterung.

Wie wirkt denn die Pille überhaupt?            

Die Pille ist ein künstlicher, also auf synthetischen Hormonen basierender Hormonblocker.[3] Sie beinhalten meist eine Estrogen- und eine Gestagen-Komponente. Das hypophysäre Hormon FSH wird durch die Gestagen-Komponente unterdrückt, sodass auch kein Eisprung zustande kommt. Weiter wird das Vordringen von Spermien zur Eizelle durch die Bildung eines zähflüssigen Schleimtropfs erschwert und falls es doch einmal passiert, ist eine Einnistung der Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut durch das Gestagen verhindert.[4] Die Estrogen-Komponente sorgt hauptsächlich für einen stabilen Aufbau der Gebärmutter.[5] Durch die Einnahme produziert der weibliche Körper kaum noch eigene Hormone, die synthetischen Hormone übernehmen größtenteils die Aufgaben, dennoch sind sie fehlerhaft und weisen eine andere Molekularstruktur auf. Überall im Körper verteilt liegen Rezeptoren für Progesteron und Östrogene, an denen die „falschen“ Hormone andocken können und damit für Nebenwirkungen sorgen.[6] Das können im Vergleich harmlose sein, wie Kopfschmerzen oder Übelkeit, können aber auch Schlaganfälle, Herzinfarkte, Brustkrebs, Depression uvm. zur Folge haben.

Darum also immer neue Präparate?

Es gibt mittlerweile vier verschiedene Generationen mit verschiedenen Nebenwirkungen. Bei den ersten zwei Generation beschwerten sich die Frauen über Müdigkeit, Übelkeit, Benommenheit, Stimmungsschwankungen und Libidoverlust, sowie optische Nebenwirkungen, wie Gewichtszunahme, Haarausfall und Akne.[7] Die Pharmaindustrie bringt eine „verbesserte“ Pille heraus, die all diese Nebenwirkungen nicht haben soll, sie bringt sogar Vorteile wie schöne Haut und volleres Haar, doch da ist ein kleiner Hacken: Das Thromboserisiko ist doppelt so hoch wie vorher.

Abbildung 1 Die 4 Generationen der Pillenpräparate und ihre Inhaltsstoffe (Eigendarstellung in Anlehnung an Morelli, 2018, S.68)

 

Während die Wahl der Estrogenkomponente in den verschiedenen Generation überschaubar bleibt, wird mit den Gestagenen viel experimentiert.

Es wird also Schönheit vor Gesundheit gewählt?    

Die erste Generation brachte Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Übelkeit, Benommenheit, Stimmungsschwankungen und Libidoverlust, sowie optische Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Haarausfall und Akne.[8] Die neuen Generationen weisen dies nicht mehr auf doch bringen dafür Gefahren von Thromboembolien mit sich: Besonders in Gefahr sind dabei Frauen, die nicht auf Alkohol- und Zigarettenkonsum verzichten, während sie die Pille nehmen:[9] Die Gefahr einer Herz-Kreislauf-Erkrankung ist durch diese ohnehin schon schädliche Verhaltensweise drei-bis elfmal so hoch wie bei Nicht-Raucherinnen, bei gleichzeitiger Einnahme der Pille steigt dieses Risiko auf das 20- bis 87-fache. Auch die Gefahr einer tiefen Beinvenenthrombose oder Lungenembolie steigt abhängig von der Kombination der Wirkstoffe und der Dosierung der Einzelkomponente.[10] Dabei hat sich besonders die Pille der zweiten Generation mit ihrer Wirkstoffzusammensetzung positiv bewährt. Die dritte Generation gleicht sich in Wirksamkeit und Zuverlässigkeit der zweiten Generation, kommt jedoch mit einem 1,5- bis zweifachem höherem Thromboembolienrisiko einher. Die vierte Generation sollte dagegen ähnlich der zweiten sein, doch schon bald legten verschiedene Studien ein bis zu dreimal so hohes Risiko verglichen zu Generation zwei dar, was dazu führte, dass die französische Arzneimittelzulassungsbehörde 2013 den Pillen der dritten und vierten Generation die Erstattungsfähigkeit durch das öffentliche Gesundheitswesen entzog. [11]

Die Klinikaufnahmen in Frankreich aufgrund von Lungenembolien bei 15- bis 49-Jährigen Frauen ging um 11,2% und bei 15- bis 19-jährigen um 27,9% zurück.

In weiteren Studien wurde ein doppelt so hohes Risiko einer Thrombose von Pillen mit Gestagenen Desogestrel, Gestoden und Drosperinon im Vergleich zu Pillen mit Levonorgestrel festgestellt. [12]

Frankreich zieht vor, aber was ist mit Deutschland?

Neue Arzneimittel werden zu höheren Preisen vermarktet und somit sind die meistverkauften Pillen-Präparate noch immer Pillen der dritten und vierten Generation: In den Top 40 der meistverkauften Mittel sind gerade einmal 15 Präparate mit dem Gestagen Levonorgestrel.[13]

Naja, wir sind ja aber alle erwachsen und können unsere eigenen Entscheidungen treffen.

Aber kennt denn jeder wirklich das Risiko? In einer Untersuchung 2016 zur Aufklärung im Bezug auf hormonelle Verhütung durch Gynäkologen ergab, dass nur unzureichend informiert wird, Risiken verharmlost werden und harmlose Alternativen verschwiegen werden.[14] Dazu gehört auch der Hinweis auf die noch immer bestehenden ursprünglichen Risiken, denn wenn der Beipackzettel genau betrachtet wird, sind dort nun sogar noch mehr Risiken zu finden, als in den Generationen zuvor:

Abbildung 2 Nebenwirkungen der Pille Mayra (vierte Generation) (Eigendarstellung, angelehnt an den Beipackzettel der Mayra 0,03mg/2mg Filmtabletten. MEDA Pharma GmbH & Co. Kg. Bad Homburg)

Und dies sind noch nicht alle Nebenwirkungen. Es gibt fast nichts, was man nicht bekommen könnte, dabei ist jedes Organ betroffen. Von der Gynäkologin hört man dann, dass die Nebenwirkungen nur zur rechtlichen Absicherung der Pharmaunternehmen aufgelistet werden müssen, trotzdem sind die Nebenwirkungen nur gelistet, weil sie während der jeweiligen klinischen Studien bei den Probandinnen aufgetreten sind. [15] Eine kleine Nebeninformation: Probandinnen, die während der Studie ausgestiegen sind, müssen nicht weiter berücksichtigt werden. Auch wenn dies aufgrund von unerträglichen Nebenwirkungen geschehen ist.

Und dann sind da noch die Ausreden….                  

Ist die Libido verschwunden, so sollte doch erst einmal die Beziehung hinterfragt werden, bei Schlafstörungen oder Panikattacken, wenn nicht sogar Depressionen, sollte doch zunächst mal der Stress reduziert oder es mit Antidepressiva versucht werden. Alles Mögliche sollte zunächst passieren, bevor die Pille abgesetzt wird. Die menschliche Psyche ist stark, doch wir reden nach wie vor von einem Medikament. Verschreibungspflichtige Medikamente dürfen außerhalb der Fachkreise (Ärzte, Apotheken) nicht beworben werden, umgangen wird dieses Verbot von den Pharmaindustrien durch die Erstellung von Websiten als „Informationsangebote“[16] und spricht im Internet hauptsächlich die jungen Menschen an. Durch die Kombination mit Beauty-Tipps oder Beziehungsthemen, besteht jedoch die große Gefahr, dass dieses ernst zu nehmende Medikament bald nur noch ausschließlich als Lifestyle-Arzneimittel wahrgenommen wird.

Fazit 

Die Pille ist ein sicheres und beliebtes Mittel zur Verhütung. Doch wie jedes andere Arzneimittel auch, geht sie mit Risiken und Nebenwirkungen einher. Das Thromboserisiko der Pillen der dritten und vierten Generation ist um einiges höher, als das der zweiten. Die Pillen der zweiten Generation mit Levonorgestrel verhüten jedoch genauso sicher, wie die Pillen der anderen Generationen und sollte wieder häufiger verschrieben werden. Symptome sollten schneller ernst genommen werden und jede Frau sollte sich die Frage stellen, ob die Schönheit wirklich wichtiger ist, als die eigene Gesundheit und damit, ob ein Wechsel der Pille, oder sogar der Wechsel zu einem alternativen Verhütungsmittel nicht doch ernsthaft zu erwägen ist.

 

[1] Vgl. Reinhardt, 2019, Kapitel 6

[2] Vgl. Thürmann, 2015, S.8

[3] Vgl. Reinhardt, 2019, Kapitel 1

[4] Vgl. Reinhardt, 2019, Kapitel 1

[5] Vgl. Glaeske/Thürmann, 2015, S.55

[6] Vgl. Reinhardt, 2019, Kapitel 1

[7] Vgl. Morelli,2018, S.68

[8] Vgl. Morelli, 2018, S.68

[9] Vgl. Glaeske/Thürmann, 2015, S.17

[10] Vgl. Glaeske/Thürmann, 2015, S.17

[11] Vgl. Glaeske/Thürmann, 2015, S.19

[12] Vgl. Glaeske/Thürmann, 2015, S.19

[13] Vgl. Glaeske/Thürmann, 2015, S.21

[14] Vgl. ZDF-Magazin „Frontal 21“, zitiert nach Morelli, 2018, S.69

[15] Vgl. Morelli, 2018, S.74-75

[16] Vgl. Glaeske/Thürmann, 2015, S.31

 

Literaturvezeichnis

Beipackzettel der Mayra 0,03 mg/2mg Filmtabletten. MEDA Pharma GmbH & Co. Kg.

Bad Homburg

Glaeske, G. & Thürmann, P. (2015). Pillenreport-Ein Statusbericht zu oralen Kontrazeptiva. Bremen: Techniker Krankenkasse

Morelli, I. (2018). Kleine Pille, große Folgen: Wie Hormone dich krank machen – Regenerieren und hormonfrei verhüten. Murnau am Staffelsee: Mankau Verlag

Reinhardt, H. P. (2019). Die Hormone sind schuld!: Naturheilkundlicher Ratgeber hormoneller Störungen. Hamburg: tredition

Thürmann (2015) In: Glaeske, G. & Thürmann, P. (2015). Pillenreport-Ein Statusbericht zu oralen Kontrazeptiva. Bremen: Techniker Krankenkasse

ZDF-Magazin „Frontal 21“ in: Morelli, I. (2018). Kleine Pille, große Folgen: Wie Hormone dich krank machen – Regenerieren und hormonfrei verhüten. Murnau am Staffelsee: Mankau Verlag

 

Titelbild

https://pixabay.com/de/photos/pillen-antibabypillen-kontrolle-1354782/ (Letzter Zugriff: 15.04.2019)

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