By Published On: 1. April 2021Categories: Gesundheit, Psychologie

Wenn die ersten warmen Sonnenstrahlen auf die Haut prallen, schleicht sich bei vielen erneut das schlechte Gewissen des Winters ein. Schon wieder sind am Bauch und an den Hüften einige Kilos mehr anzufinden. 

Viele Menschen streben danach oder wünschen sich zumindest, dem gesellschaftlichen Schönheitsideal zu entsprechen. Gerade in den westlichen Ländern gehört Schlankheit weiterhin zum Schönheitsgebot. So werden schlanke Personen mit positiver attribuiert. Sie gelten als erfolgreicher, gesünder und fröhlicher. Weiter gelten trainierte Personen als sexueller attraktiv und sie geniessen gesellschaftliche Vorteile, sie gelten als leistungsfähig und willensstark. Übergewichtige hingegen werden eher negativ attribuiert. Übergewichtige werden eher mit mangelnder Selbstkontrolle, Gier und Faulheit in Verbindung gebracht. Das Gewicht hat einen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg in der Gesellschaft (Baumann, 2009). 

Dabei gilt es festzustellen, dass es sich beim gesellschaftlichen Schönheitsideal um ein Konstrukt handelt, das sich im Laufe der Geschichte verändert hat und nicht stabil ist. Es ist also keine objektive Grösse. So ist festzustellen, dass gerade in Gesellschaften mit Nahrungsmangel das Schönheitsideal in Richtung mehr Gewicht tendiert, während es in Gesellschaften mit Nahrungsüberfluss erstrebenswerter ist, schlank zu sein. Es scheint daher so zu sein, dass die Gesellschaft jeweils das als Ideal darstellt, was Status vermittelt. In Mangelgesellschaften ist es ein Zeichen von Status, sich genügend Nahrung leisten zu können. In Überflussgesellschaften zeugt es von Disziplin und Selbstkontrolle, wenn Mann oder Frau schlank und trainiert sind (Didou-Manent, Ky, & Robert, 2000). 

Schönheitsideale gilt es daher stets auch kritisch zu betrachten, da sie mit kognitiven Verzerrungen und Attributionsfehlern einhergehen. Dabei spielt der Halo-Effekt eine zentrale Rolle. Hier wird von bekannten Eigenschaften von Personen auf unbekannte Eigenschaften geschlossen. Anhand des Körperbildes wird hierbei auf Persönlichkeitseigenschaften geschlossen, was natürlich rein spekulativ ist (Maderthaner, 2017). 

Es soll hier also keine Bewertung des gesellschaftlichen Schönheitsideals stattfinden. Es zeigt sich jedoch, dass nicht einmal die Hälfte der Personen in Deutschland mit ihrem Körper zufrieden sind. Die Männer (53%) sind dabei zufriedener als die Frauen (41%). Beide Geschlechter sind am wenigsten mit ihrem Bauch zufrieden. Gefolgt bei den Frauen von Beinen und Po und bei den Männern die Brust und die Haare. Dies lässt darauf schliessen, dass die Zufriedenheit mit dem Körper stark mit dem Gewicht zusammenhängt (myMarktforschung, 2016).

Die Corona-Pandemie zollt ebenfalls ihren Tribut bezüglich des Körpergewichts der deutschen Bevölkerung. Im Frühjahr 2020 stieg das Gewicht der deutschen Bevölkerung signifikant an. Während der BMI im August 2019 während April bis August im Mittel bei 25,9 kg/mlag, stieg dieser Wert ein Jahr später in der Pandemie auf 26,4 kg/m2. (Abbildung 7). Diese Erhöhung wird auf durch die Pandemie ausgelöste mangelnde Bewegung und auf eine Veränderung des Essverhaltens zurückgeführt (RKI, 2020).

Die Menschen versuchen also aus verschiedenen Gründen das Gewicht zu kontrollieren. Einer davon ist der Wunsch dem gesellschaftlichen Schönheitsideal zu entsprechen. In meinem Fall hat Gewichtsmanagement aber andere Motivationen. Als Triathlet, was ich als ambitionierter Amateur bin, hat das Gewicht am Renntag einen entscheidenden Einfluss. Triathleten sind dafür bekannt, nicht wenig Geld für ihr Material auszugeben. Dazu gehört natürlich das Fahrrad, die Laufschuhe sowie Neoprenanzug und weiteres. Alle Produkte gibt es dabei in verschiedenen Preisklassen. Viele verfolgen dabei das Ziel, so wenig Gewicht wie möglich mittragen, oder mitfahren, zu lassen. Wer ein leichtes Carbon-Rad möchte, muss dann aber schon mal tief in die Tasche greifen. Mein Rad, welches sich im Mittelfeld der Preisklasse befindet, hat insgesamt 7000 Euro gekostet. Ein teurer Spass dafür, dass das Rad einige hundert Gramm leichter ist. Umso wichtiger ist es also, dass auch der Körper in Optimalform ist, da der Gewichtsverlust der Fettreserven auf jeden Fall günstiger wäre also weitere 4000 Euro für ein noch leichteres Rad auszugeben. 

Entwicklung BMI während der Corona-Pandemie:

Abbildung 1: Entwicklung BMI Deutschland, (RKI, 2020).

Doch trotz meines hohen Trainingsvolumens von ca. 14h pro Woche, merke auch ich, dass das Gewichtsmanagement herausfordernd ist. Die Balance zwischen genügend aber nicht zu viel zugeführten Kalorien ist nicht immer einfach abzuschätzen, und wer kennt ihn nicht, den Kampf mit dem inneren Schweinehund, wenn es um Süssigkeiten oder Pizza geht. Umso wichtiger ist es psychologisch zu betrachten, weshalb das Gewichtsmanagement für uns Menschen so anspruchsvoll ist. 

Die Menschen lieben Kalorien, ein Blick in die Biologie

Wir Menschen sind geradezu darauf trainiert, kalorienreiches Essen zu bevorzugen. Dies beginnt bereits nach der Geburt. Die Muttermilch ist zähflüssig und fettreich. Sie besteht beinahe nur aus Zucker und Fett. Dies verfolgt das Ziel, dass die Kleinkinder genügend Kalorien für ihr Wachstum erhalten. Dies führt dazu, dass uns Menschen Nahrung, die süss und fettreich ist als vertraut vorkommt und wir diese als zuträglich bewerten. Auch waren in Zeiten der Nahrungsknappheit, und dies war der Grossteil der menschlichen Geschichte, eine Anhäufung von Fettreserven und das Konsumieren von kalorienreichen Nahrungsmitteln lebensnotwendig, damit Zeiten von Nahrungsmittelknappheit durch die eigenen Reserven überbrückt werden konnten. Viele Kalorien zu sich zu nehmen, hat den Menschen als regelrecht das Leben gerettet und unsere Körper so programmiert, dass wir kalorienreiche Nahrung bevorzugen (Moller, 2021).

In der heutigen Zeit des Nahrungsüberflusses, zumindest in den wohlhabenden Gesellschaften, macht uns dies also nun das Leben schwer. Wir müssen uns quasi um konditionieren, lernen, dass gesundes Essen besser für uns ist (Moller, 2021). 

Psychologische Ansätze im Gewichtsmanagement 

Lange wurde geglaubt, dass Fehlernährung durch Information geändert werden kann, sobald die Menschen wissen, was gesund ist, werden sie sich auch gesund ernähren. Dabei gibt es Unterschiede zwischen «Ernährung» und «Essen». Viele Menschen wissen, was eine gesunde Ernährung ist, entscheiden sich jedoch etwas anderes zu essen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Essen aus einer Vielzahl von Motivatoren begleitet wird und die effektive Energie- und Nährstoffzuführung dabei nur eine kleine Rolle spielt. Stärker dominieren beim Essen der Geschmack und Genuss, die Bequemlichkeit sowie der Preis. Weitere Motive sind die Gewohnheit, kulturelle Einflüsse, Bio/Nachhaltigkeit, Gesundheitsüberlegungen, das Hungergefühl, traditionelle Einflüsse und die Neugier (Ellrott, 2011).

Eine weitere Schwierigkeit im Gewichtsmanagement liegt in den ungünstigen Kontingenzverhältnisse. Zwischen Nahrungsmittelaufnahme und den positiven und negativen Effekten dieser besteht eine erhebliche zeitliche Verzögerung. Der positive Effekt des Konsums ungesunder Nahrungsmittel stellt sich jedoch sofort ein. Es findet somit eine positive Verstärkung statt zwischen Nahrungsaufnahme und dem angenehmen Geschmackserlebnis. Obwohl man sich vielleicht den langfristigen Konsequenzen bewusst ist, wird die direkt erlebte positive Konsequenz höher gewertet als die langfristen negativen Konsequenzen. Ungesundes Essen scheint also im Vorteil zu sein, es befriedigt die biologischen und psychologischen Bedürfnisse und ist häufig auch um ein Vielfaches günstiger als gesundes Essen (Ellrott, 2011). Wie kann es nun also doch gelingen, sich gesund zu ernähren, ohne dabei in einem konstanten Konflikt mit sich selbst zu sein?

Verhaltensmodifikation in Bezug zur Ernährung

Menschliches Verhalten ist in wesentlichen Zügen erlernt und kann somit auch neu gelernt werden. Hierbei spielen die Erkenntnisse der Konditionierung eine zentrale Rolle. Wir haben gelernt, dass kalorienreiche Ernährung mit positiven Gefühlen einhergeht. Als Kinder haben jedoch viele gelernt, dass gesundes Essen mit Zwang und «Müssen» verbunden wird. Diese Konditionierung gilt es im Rahmen der Umstellung der Ernährung zu verändern. Dabei spielt insbesondere die positive Verstärkung eine Rolle. Das gesundheitsbewusste Essen muss mit positiven Emotionen verbunden werden, dies kann langfristig, aber auch kurzfristig ausgelegt werden. Langfristig kann damit gearbeitet werden, dass die Personen ihre Ernährung sowie deren Erfolge protokollieren. Dies schafft ein Bewusstsein für das Essen und die Auswirkungen dessen auf den Körper, die sichtbar gemacht werden können. Eine Veränderung der Ernährung kann somit positiv mit Gewichtsverlust oder einem besseren Körpergefühl verbunden werden. Eine kurzfristige positive Verstärkung durch gesundes Essen kann sein, wenn man die Nahrungsaufnahme bewusst erlebt, das gesunde Essen also mit positiven Elementen begleitet, wie beispielswiese Entspannung oder gutem Geschmack. So kann gelernt werden, dass auch gesundes Essen positive Gefühle auslösen kann (Kugler, 2009).

Weiter ist es wichtig mit klaren Zielen zu arbeiten, welche sich aus der eigenen Motivation ergeben. Die Ziele sollen dabei spezifisch, messbar, aktionsorientiert, realistisch, terminiert sowie eigenständig erreichbar sein. Dabei ist es wichtig sich auch mit den eigenen Ressourcen und Barrieren auseinanderzusetzen. Wenn man diese kennt, kann man sich die eigenen Schwächen und Stärken zunutze machen (Kugler, 2009).

Meine Schwäche ist beispielsweise das «hungrige Einkaufen». Sobald ich hungrig einkaufe, verändert sich mein Einkaufskorb drastisch. Dann landen massenweise ungesunde Lebensmittel darin. Und was ich zu Hause habe, wird dann eben auch gegessen. Ich gebe mir also selbst die Regel, dass ich hungrig nicht einkaufen gehe, sondern die Einkäufe mit vollem Magen erledige. 

Weiter möchte ich nicht ganz auf ungesundes Essen verzichten. Da ich aber insbesondere an den Wochenenden durch viel Training auch viele Kalorien verbrauche, weiss ich, dass ich mir an den Wochenenden etwas gönnen kann. So dient dies mir auch als Motivator für die vielen Trainingsstunden, ich kann mich quasi dann dafür belohnen. 

Eines ist klar, eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten bringt Arbeit mit sich, man muss sich mit sich selbst und dem eigenen Verhalten auseinandersetzen. Falls man das nicht alleine schafft, kann auch der Gang zur Ernährungsberatung helfen oder man schliesst sich mit Freunden zusammen, welche dasselbe Ziel verfolgen. Das eigene Verhalten kann sich ändern, es braucht aber die richtige Motivation dazu. 

Wichtig bleibt aber die kritische Betrachtung des gesellschaftlichen Schönheitsbildes. Insbesondere da dieses auch zu negativen Effekten führen kann. Wichtig ist es daher für sich selbst zu entscheiden, was wichtig für einen ist, und sich nicht durch gesellschaftlichen Druck in ein «Schönheitsbild» hineinpressen zu lassen. 

Quellen:

Abbildung 1: Entwicklung BMI Deutschland, (RKI, 2020).

Titelbild, Pixabay https://pixabay.com/de/photos/diät-kalorienzähler-gewicht-verlust-695723/

Baumann, E. (2009). Die Symptomatik des Medienhandelns: Zur Rolle der Medien im Kontext der Entstehung, des Verlaufs und der Bewältigung eines gestörten Essverhaltens. Köln: Halem.

Didou-Manent, Ky, T., & Robert, H. (2000). Dick oder dünn? Körperkult im Wandel der Zeit. . Berlin: Lübbe.

Ellrott, T. (2011). Der schwierige Weg zur gesunden Ernährung. Barrieren und wie sie überwunden werden. . MMW Fortschritt Medizin 46, S. 39-41.

Kugler, J. (Januar 2009). Verhaltensmodifikation in der Ernährungsberatung. Ernährungs Umschau, S. 36-44.

Maderthaner, R. (2017). Psychologie . Stuttgart: utb.

Moller, P. (14. November 2021). Gesundes Essen zu mögen, kann man trainieren. (L. Klöckner, Interviewer) Zeit.de.

myMarktforschung. (2016). Aussehen und Schönheitsoperationen. Berlin: myMarktforschung.

RKI. (2020). Journal of Health Monitoring. Gesundheitliche Lage der Bevölkerung zu Beginn der Covid-19-Pandemie.Berlin: Robert Koch Institut.

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