„Nur noch 2 Stück verfügbar!“, solche Botschaften finden sich in nahezu jedem Onlineshop. Viele Konsumentinnen und Konsumenten berichten, dass in solchen Momenten ein Gefühl von Dringlichkeit entsteht. Es scheint, als müsse sofort gehandelt werden, um eine einmalige Gelegenheit nicht zu verpassen. Der tatsächliche Bedarf tritt dabei häufig in den Hintergrund; stattdessen dominiert die Angst, etwas Wertvolles zu verlieren. Unternehmen nutzen diesen Effekt gezielt, indem sie Verknappung als Verkaufsargument einsetzen. Countdown-Timer, Hinweise auf begrenzte Stückzahlen oder limitierte Editionen erzeugen einen zusätzlichen Kaufanreiz, der rational oft schwer zu erklären ist. Solche Strategien zeigen, wie stark psychologische Mechanismen das Konsumverhalten prägen. Die zentrale Frage lautet daher: Weshalb übt Knappheit einen so starken Einfluss auf Entscheidungen aus? Eine Antwort liefert die Konsumentenpsychologie, genauer gesagt das Prinzip des Scarcity Effect, das seit Jahrzehnten wissenschaftlich untersucht wird.
Die Psychologie der Knappheit
Der sogenannte Scarcity Effekt beschreibt die psychologische Tendenz, knappe Güter als wertvoller wahrzunehmen. In der Konsumentenpsychologie gilt Knappheit seit Langem als ein starkes Signal. Was nur eingeschränkt verfügbar ist, erscheint automatisch begehrenswerter. Robert Cialdini, einer der bekanntesten Sozialpsychologen im Marketing, führt „Knappheit“ daher als eines seiner sechs universellen Prinzipien der Beeinflussung an. Knappheit kann dabei unterschiedliche Formen annehmen, etwa eine zeitliche Begrenzung („nur heute gültig“), eine mengenmäßige Verknappung („nur solange der Vorrat reicht“) oder eine nachfragebedingte Knappheit („nur noch zwei verfügbar“) (Oetzel & Luppold, 2023, S. 171–176). Studien zeigen, dass Knappheitsstrategien die Kaufabsicht von Konsumentinnen und Konsumenten deutlich beeinflussen können, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Eine umfangreiche Meta-Analyse von Barton, Zlatevska und Oppewal (2022), die über 400 Effekte aus 131 Studien zusammenfasst, zeigt: Am stärksten wirken mengenmäßig begrenzte Angebote („nur solange der Vorrat reicht“), gefolgt von zeitlich begrenzten Verfügbarkeiten („nur heute gültig“). Nachfragebedingte Knappheit („nur noch zwei verfügbar“) entfaltet dagegen insgesamt die geringsten Effekte (Barton et al., 2022). Ergänzend weisen Hmurovic, Lamberton und Goldsmith (2023) darauf hin, dass zeitlich begrenzte Promotions im Online-Handel oft weniger wirksam sind als im stationären Kontext. Ein Grund dafür ist, dass Konsumentinnen und Konsumenten digitale Knappheitsbotschaften schneller als Marketingtaktik durchschauen und deshalb skeptischer reagieren. Untersuchungen belegen, dass Knappheitsstrategien die Kaufabsicht von Konsumentinnen und Konsumenten deutlich beeinflussen können, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß (Hmurovic et al., 2023).
Psychologisch lässt sich die Wirkung von Knappheit auf mehrere Mechanismen zurückführen. Zum einen signalisiert sie Exklusivität und Dringlichkeit, ein knappes Gut wirkt automatisch hochwertiger. Zum anderen aktiviert sie die menschliche Verlustaversion, also die Angst, eine Gelegenheit zu verpassen (Fear of Missing Out, FOMO), verstärkt den Handlungsdruck zusätzlich. Auf diese Weise gelingt es Unternehmen, mit einfachen Botschaften wie „nur noch heute“ oder „limitierte Auflage“ Kaufentscheidungen zu beschleunigen (Stegemann, 2024, S. 344).
Beispiele aus Marketing und Konsum
Onlineshops wie zum Beispiel Booking.com nutzen den Scarcity Effekt systematisch, „Nur noch 1 Zimmer verfügbar!“ oder „Heute bereits 15-mal gebucht“. Solche Hinweise lösen Kaufdruck aus. Auch in der Modebranche wird mit „Limited Editions“ gespielt, das Gefühl, ein seltenes Produkt zu besitzen, steigert die Attraktivität zusätzlich. Interessant ist, dass Studien zeigen, dass Produkte nicht nur häufiger gekauft, sondern auch höher bewertet werden, wenn sie als knapp präsentiert werden (Barton et al., 2022; Hmurovic et al., 2023).
Reflexion & Kritik
So effektiv der Scarcity Effekt ist, er birgt auch Risiken. Kunden können sich manipuliert fühlen, wenn Knappheit künstlich erzeugt wird. Werden FOMO-Taktiken übertrieben eingesetzt, kann das Vertrauen in eine Marke langfristig leiden (Stegemann, 2024, S. 342–344). Zudem wirft diese Praxis ethische Fragen auf: Ab wann wird psychologisches Nudging zur Verbrauchertäuschung?
Fazit
Knappheit wirkt und das seit jeher. Der Scarcity Effekt zeigt, wie stark psychologische Mechanismen unser Kaufverhalten beeinflussen. Für Unternehmen ist er ein mächtiges Werkzeug, um Entscheidungen zu beschleunigen. Aber: Nachhaltiger Erfolg gelingt nur, wenn Verknappung authentisch bleibt. Denn am Ende zählt nicht nur der schnelle Kauf, sondern auch das Vertrauen in die Marke.
Literaturverzeichnis
Barton, B., Zlatevska, N. & Oppewal, H. (2022). Scarcity tactics in marketing: A meta-analysis of product scarcity effects on consumer purchase intentions. Journal of Retailing, 98, 741–758. https://doi.org/10.1016/j.jretai.2022.06.003
Hmurovic, J., Lamberton, C. & Goldsmith, K. (2023). Examining the Efficacy of Time Scarcity Marketing Promotions in Online Retail. Journal of Marketing Research, 60(2), 299–328. https://doi.org/10.1177/00222437221118856
Oetzel, S. & Luppold, A. (2023). 33 Phänomene der Kaufentscheidung: Kundenverhalten besser verstehen – Wissen und Inspiration. Springer Gabler. https://link.springer.com/978-3-658-42860-0
Stegemann, M. (2024). Konsumverhalten verstehen, beeinflussen und messen: Die Psychologie hinter effektivem Marketing. Springer Gabler. https://link.springer.com/978-3-658-43599-8
Abbildung: KI-generiertes Bild, erstellt mit ChatGPT (OpenAI), 2025.






