By Published On: 29. Januar 2024Categories: Digitalisierung, Soziales

94% der Befragten gaben im Jahr 2023 an, für ihren Medienkonsum ein Smartphone zu nutzen (Statista, 2023, S. 22). Die Gruppe der 30-49 – Jährigen bspw. nutzten es im selben Jahr im Durchschnitt 151 Minuten/ Tag (Statista, 2024). Die Existenz digitaler Medien geht auch nicht an Kindern vorbei, beobachten sie ihr Umfeld im alltäglich Umgang damit. Welche Auswirkungen die Nutzung digitaler Medien von Eltern auf die Entwicklung von Kindern haben kann, soll nachfolgend untersucht werden.

Aufmerksamkeitstheoretische Konzepte

Aufmerksamkeit kann definiert werden, als ein Prozess selektiver Fokussierung auf relevante Reize unter Missachtung irrelevanter Reize. Da diesem Vorgang nur eine begrenzte Bearbeitungskapazität zur Verfügung stehe, kann alles nicht zugleich fokussiert wahrgenommen werden (Strobach & Wendt, 2019, S. 15). Wenn unsere Aufmerksamkeit auf etwas gerichtet wird, dann wird es uns bewusst. Aufmerksamkeit macht das Wahrnehmen von Objekten einfacher und beschleunigt unsere Reaktionsfähigkeit. Demgegenüber kann mangelnde Aufmerksamkeit zu einer Aufmerksamkeitsblindheit führen: Dinge, die sich direkt vor Augen befinden, werden nicht wahrgenommen. Weiterhin konnten Forschungen aufzeigen, dass Reize mit hoher Salienz (z.B. Lichtblitz oder Geräusch) unsere Aufmerksamkeit fesseln und (im Falle aufgabenirrelevanter Reize) zu Ablenkungen führen können (Goldstein & Gegenfurtner, 2015, S. 132–138). Schlussfolgernd legen Forschungsergebnisse nahe, dass der Mensch nicht multitaskingfähig ist, da bestimmte Prozessschritte paralleler Aufgaben nicht gleichzeitig erfolgen können (Strobach & Wendt, 2019, S. 20).

Bedeutung elterlichen Verhaltens auf die Entwicklung von Kindern

Die soziale, emotionale und kognitive Entwicklung eines Kindes braucht eine feinfühlige Interaktion mit der Bindungsperson (Mutschler, 2020, S. 64). So bedarf bspw. eine gesunde emotionale Kompetenzentwicklung einer prompten und einfühlsam Reaktion auf das Gefühlsleben des Kindes (Schreitter von Schwarzenfeld & Tress, 2013, S. 380). Gelingt dies nicht, können Störungen in der Emotionswahrnehmungsfähigkeit resultieren, die bis hin zu „Gefühlsblindheit“ führen (Hoyer & Knappe, 2020, S. 1321). Medialer Hintergrund wirkt sich negativ auf die Qualität der sozialen Interaktion aus (Diergarten & Nieding, 2012, S. 28). Die Unterbrechung liebevoller Interaktion zwischen Mutter/Vater und Kind schmerzt Babys emotional und erhöht ihre Stressbelastung (Mutschler, 2020, S. 64). Gelingt es dem Kind nicht, die Aufmerksamkeit zurückzugewinnen, reagiert es körperlich und emotional mit Rückzug, was auf lange Sicht  zu Kontaktstörungen und tieferen psychischen Störungen führen kann (Zemp & Martensen, 2020). Auch ist die kindliche Entwicklung von Denk- und Lernprozessen auf die Interaktion mit der Umwelt angewiesen. Bis zum Vorschulalter können Kinder nur einen Ereignisaspekt wahrnehmen (Siegler, Eisenberg, DeLoache, Saffran & Pauen, 2016, S. 13). Je jünger ein Kind also ist, desto schwieriger die Nachvollziehbarkeit sich ständig wechselnder Situationen aufgrund geteilter Aufmerksamkeit oder Ablenkung der Bezugsperson. Führt dies soweit, dass das Kind bewusst digitaler Mediennutzung ausgesetzt wird, darauf abzielend es abzulenken, kann diese Ritualisierung ein mediales Suchtverhalten beim Kind hervorrufen (Büsching & Riedel, 2017, S. 12).

Zusammenfassung und Fazit

Aufmerksamkeit beeinflusst entscheidend was wahrgenommen und wie schnell darauf reagiert wird. Fokussierte Wahrnehmung ist mit geteilter Aufmerksamkeit nicht möglich. Jedoch braucht ein Kind für seine soziale, emotionale und kognitive Entwicklung eine Bindungsperson, die aufmerksam, feinfühlig mit dem Heranwachsenden interagiert. Mit zunehmender Wahrnehmung der zahlreichen Reize, die von einem Smartphone ausgehen (visuell, auditiv und haptisch), kann dieser Prozess umso häufiger behindert werden. Mögliche Folgen sind ernst zu nehmen und reichen von mangelnden Fähigkeiten, emotionalem Schmerz bis hin zu psychischen Störungen. Jede Bezugsperson sollte sich dieser Verantwortung bewusst sein. Je seltener eine Ablenkung durch digitale Reize stattfindet, umso fokussierter der Kontakt mit dem Kind. Um diesen negativen Effekten, im präventiven Sinne, entgegenzuwirken ist es also ratsam:

  • die gemeinsame Interaktionszeit , je jünger ein Kind ist, umso häufiger medienfrei zu verbringen (Schalten Sie das Handy stumm oder legen es bestenfalls in einen anderen Raum).
  • Halten Sie intensiven Blickkontakt mit ihrem Kind und erzählen sich von dem gemeinsam Erlebten (Mutschler, 2020, S. 64).

Die Nutzung digitaler Medien ist in der heutigen Zeit unumgänglich. Ein verantwortungsbewusster Umgang damit ist jedoch wichtig. Insbesondere dann, wenn die Einflusswirkung unsere Kinder betrifft, deren Entwicklung von dem Verhalten ihrer Eltern entscheidend mit beeinflusst wird.

Bildnachweis

Titelbild: eigene Darstellung mit freundlicher Zeichnung durch Sann Christina (2023)

Literaturverzeichnis

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Diergarten, A. & Nieding, G. (2012). Einfluss des Fernsehens auf die Entwicklung der Sprachfähigkeit. Sprache · Stimme · Gehör, 36(01), 25–29. https://doi.org/10.1055/s-0031-1301282

Goldstein, E. B. & Gegenfurtner, K. R. (2015). Wahrnehmungspsychologie. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-55074-4

Hoyer, J. & Knappe, S. (Hrsg.). (2020). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-61814-1

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Schreitter von Schwarzenfeld, J. & Tress, W. (2013). Einschränkungen der Willensfreiheit bei somatoformen Störungen. Psychotherapeut, 58(4), 379–387. https://doi.org/10.1007/s00278-013-0975-7

Siegler, R., Eisenberg, N., DeLoache, J., Saffran, J. & Pauen, S. (2016). Entwicklungspsychologie im Kindes- und Jugendalter. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-47028-2

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Strobach, T. & Wendt, M. (2019). Aufmerksamkeit. In T. Strobach & M. Wendt (Hrsg.), Allgemeine Psychologie (Was ist eigentlich …?, S. 15–21). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-57570-3_3

Zemp, M. & Martensen, B. (2020). Gute Partnerschaft gleich gutes Erziehungsteam? Kindheit und Entwicklung, 29(1), 5–20. https://doi.org/10.1026/0942-5403/a000296

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