By Published On: 26. Dezember 2021Categories: Psychologie, Wirtschaft

Ist es Bescheidenheit oder einfach nur das Impostor-Selbstkonzept? Viele Menschen können sich selbst nicht zugestehen, dass sie für ihre beruflichen Erfolge verantwortlich sind. Erfolge bringen bei diesen Personen keine Selbst-Bestätigende Wirkung, sondern lösen genau das Gegenteil in ihnen aus. Gedanken wie ,,Bald merkt mein Chef, dass ich eigentlich gar nichts kann‘‘ oder ,,Ich bin so dumm, keine Ahnung wieso das jetzt wieder geklappt hat – wahrscheinlich finden die anderen bald einen Fehler in meiner Arbeit‘‘ gehören zum Alltag von Menschen mit einem Impostor-Selbstkonzept.  

Was genau versteht man aber unter dem Impostor-Sebstkonzept?

Das Impostor-Selbstkonzept, oder auch Hochstabler-Syndrom oder Impostor-Phänomen beschreibt ein innerpsychisches Phänomen bei beruflichen erfolgreichen Personen, die sich selbst als unbedeutend und ohne spezielle Fähigkeit wahrnehmen. Sie schätzen sich, obwohl sie akademische Erfolge und entsprechende Qualifikationen aufweisen, als inkompetent ein und glauben nicht an ihr eigenes Können.[1] Betroffene haben eine andere Fremd- und Selbstwahrnehmung. Dadurch haben sich das ständige Gefühl, als Lügner:in oder Hochstapler:in enttarnt zu werden. Machen sie mal einen Fehler, so fühlen sie sich in ihrem Gefühl der Inkompetenz bestätigt und befürchten, dass auch alle anderen Menschen sie nun als inkompetent wahrnehmen.[2] Dies führt zu großer Unsicherheit und zu einem Hang zum Perfektionismus. Menschen mit dem Impostor-Phänomen bereiten ihre Arbeit und Aufgaben sehr detailliert vor und durchdenken alles doppelt und dreifach, dadurch erleben sie ihre Arbeit häufig als sehr belastend, da ein großer Druck auf ihnen lastet. Durch den Perfektionismus versuchen Betroffene die Wahrscheinlichkeit für ein mögliches Scheitern oder Versagen zu minimieren. Nachdem sich diese Vorgehensweise meist nicht auf ein einzelnes Projekt bezieht, sondern die normale Vorgehensweise darstellt, sind Betroffene oft überfordert und enden nicht selten im Burnout.[3]

Betroffene stehen sich selbst und ihrem beruflichen Erfolg selbst im Weg

Nachdem Betroffene häufig vermuten, dass sie scheitern werden und nicht an ihre eigenen Fähigkeiten glauben, vermeiden diese herausfordernde Aufgaben. Sie trauen sich selbst nicht so viel Können zu, wodurch andere Kolleg:innen im Vergleich zu Betroffenen es leichter haben, sich bei Vorgesetzten zu beweisen.[4] Menschen mit Impostor-Phänomen verweilen meist einen langen Zeitraum in einer Position oder auch im gleichen Unternehmen.[5] Wenn jedoch die Impostor-Glaubenssätze überwunden werden können, so zeigt sich ein hohes Potenzial für Betroffene ihre eigenen Stärken zu nutzen und an sich selbst zu glauben. Dafür ist eine Aufarbeitung des verinnerlichten Selbstkonzeptes von elementarer Bedeutung.

Mit Coaching Muster durchbrechen

Bisher wurde leider wenig im Bereich der Aufklärung gemacht. Dadurch wissen viele Betroffene nicht, dass sie überhaupt an diesem Phänomen leiden und suchen sich dementsprechend auch keine Hilfe. Die Solidarisierung durch die Aufklärung und das Wissen darum, dass es noch weitere Betroffene gibt, könnte diese stärken und bei malaptiven Bewältigungsstrategien aktiv entgegenwirken.[6] Im Zuge der Human Ressources könnte eine Aufklärungskampagne viel Wirkung zeigen. Viele Unternehmen bieten bereits Coachings an. Im Zuge dieser sollte das Imposter-Phänomen ebenfalls thematisiert werden. Durch einen Erhebungsfragebogen, den Clance Impostor Phenomene Scale (GCIPS), können Coachees bewerten, ob Klienten vom Impostort-Phänomen betroffen sind. Der Fragebogen besteht aus 20 Aussagen, welche auf einer 5-stufigen Skala (1 = überhaupt nicht zutreffend zutreffend, 2 = selten, 3 = manchmal, 4 = oft, 5 = absolut zutreffend) zu bewerten sind.[7] Scheible postulierte in seiner Studie zu dieser Thematik 2015, dass eine Psychoedukation in schriftlicher, mündlicher oder visualisierter (Aufklärungsvideo) Form schon einen signifikanten Wissenszuwachs bewirken kann.[8] In einer Studie zur Überprüfung der Wirksamkeit von Coaching konnte in Bezug auf das Imposter-Phänomen festgestellt werden, dass dieses nachgewiesen stark in Remission geht, wenn im Coaching aktiv darauf eingegangen wird.[9]

Wichtig ist hierbei auf eine Steigerung des Selbstwertgefühls zu setzen. Dies kann durch eine Potenzialanalyse und das Bewusst-Machen der eigenen Stärken umgesetzt werden. Selbstreflexion und das Aufzeigen der verzerrten Selbst- und Fremdwahrnehmung sind hier elementar.[10]

Fazit:

Menschen, die das Impostor-Phänomen zeigen, wissen oftmals gar nichts über dieses Phänomen und das, dadurch ausgelöste, verzerrte Selbstkonzept. Durch das Impostor-Selbstkonzept haben Betroffene gelernt malaptive Bewältigungsstrategien in ihren Berufsalltag zu implementieren, wie bspw. eine perfektionistische Herangehensweise oder das aktive Vermeiden von wichtigeren Aufgaben. Betroffene sind häufig einem erhöhten Stresslevel ausgelöst und haben sehr hohe Erwartungen an sich selbst. Durch Coaching haben Betroffene allerdings eine sehr gute Chance erlernte Schemata zu verstehen und ihr Selbstkonzept positiv zu verändern. Dadurch steht die Chance auf eine Reduktion von den Impostor-Gefühlen sehr gut.

[1] Vgl. Clance und Imes (1978) S. 241-245

[2] Vgl. Langford und Clance (1993) S. 495

[3] Vgl. Traut-Mattausch und Zanchetta (2018) S. 140-141

[4] Vgl. Neureiter und Traut-Mattausch (2017) S. 56-69

[5] Vgl. Klinghammer und Saul-Sopron (2009) S. 165-167

[6] Vgl. Rohrmann (2018)

[7] Vgl. Traut-Mattausch und Zanchetta (2018) S. 142

[8] Vgl. Scheibling (2015)

[9] Vgl. Traut-Mattausch-Zanchetta (2018) S. 144

[10] Vgl. Ebd.

Literatur– und Quellenverzeichnis

  • Clance, P.R. & Imes, S. (1978). The Imposter Phenomenon in High Achieving Women: Dynamics and Therapeutic interventions. Psychotherapy: Theory, Research and Practice, 15(3), 241-247.
  • Langford, J. & Clance, P. R. (1993). The Impostor Phenomenon: Recent Research Findings Regarding Dynamics, Personality and Family Patterns And Their Implications For Treatment. Psychotherapy, 30(3), 495-501.
  • Klinkhammer, M. & Saul-Soprun, G. (2009). Das „Hochstaplersyndrom“ in der Wissenschaft. Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 16, 165-168.
  • Neureiter, M. & Traut-Mattausch, E. (2017). Two sides of the career resources coin: Career adaptability resources and the impostor phenomenon. Journal of Vocational Behavior, 98, 56-69.
  • Rohrmann, S. (2018). Wenn große Leistungen zu großen Selbstzweifeln führen. Das Hochstapler-Selbstkonzept und seine Auswirkungen. Bern: Hogrefe.
  • Scheibling, L. M. (2015). Ist Psychoedukation beim Impostorphänomen eine wirksame Intervention? Masterarbeit, Universität Salzburg
  •  Traut-Mattausch, E., & Zanchetta, M. (2018). Das Impostor-Phänomen – ein Thema im Coaching? In Wirkung im Coaching (1st ed., pp. 140–147). Vandenhoeck & Ruprecht. https://doi.org/10.13109/9783666402975.140
  • Fotoquelle: https://www.monster.de/karriereberatung/artikel/selbstbewusst-bewerben

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