By Published On: 19. Januar 2021Categories: Gesundheit, Management, Psychologie

Einleitung

Im Rahmen der Kontaktbeschränkungen und des Lockdowns in der Corona-Pandemie ist das Phänomen, Langeweile zu empfinden, sicherlich für die meisten Menschen kein unbekanntes. Der Alltag erhält strenge Routinen, Freunde lassen sich kaum mehr besuchen – und dann ist da auch noch der öde Berufsalltag. Dass Letzterer nicht zu unterschätzen ist – und auch vor der Corona-Pandemie nicht anders gewesen sein muss – wird unter dem Begriff des Bore-outs mit psychologischer Relevanz gefüllt und in der Literatur diskutiert. Neben dem geradezu allgegenwärtigen Burn-out scheint das Bore-out jedoch nur geringe Aufmerksamkeit zu erfahren, weswegen der folgende Beitrag sich diesem Phänomen widmen will.

Bore-out – neuer Begriff, altes Phänomen?

Wie die Literatur zu Unternehmenskultur zeigt, hat mehr als ein Drittel der Beschäftigten in Deutschland das Gefühl unterhalb der eigenen Anforderungen eingesetzt zu werden.[1] Damit kann Bore-out als Belastungsfaktor im Job gelten und zu psychischen Störungen führen.[2]

Bore-out ist aber nicht nur Langeweile, sondern beinhaltet auch noch die Elemente des Desinteresses sowie der Unterforderung.[3] Damit ist der Begriff nicht unbedingt ‚alter Wein in neuen Schläuchen‘, da er sich eben nicht allein auf Langeweile konzentriert, sondern ein ganzes Bündel an einzelnen Elementen zu einem Phänomen zusammenfügt. Dennoch hat jedes der einzelnen Elemente eigene Verhaltensausprägungen zur Folge: Langeweile mündet in Ratlosigkeit und in die Zweifel darüber, was nun eigentlich noch zu tun ist. Unterforderung hingegen resultiert in einem steten Wissen, Aufgaben erledigen zu müssen, die für die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse eigentlich viel zu leicht sind, und Desinteresse mündet darin, sich nicht mehr mit der eigenen Arbeit identifizieren zu können.[4] Nicht zuletzt sind Betroffene von Bore-outs aber immer noch dem Sachzwang unterworfen – vielleicht in Ermangelung besserer Alternativen –, ihren Beruf in irgendeiner Weise auszufüllen, da ihn zu verlieren noch höhere Kosten verursachen würde, als ihn zu behalten, sich aber in ihm gelangweilt, unterfordert oder desinteressiert zu fühlen.[5]

Bore-out als Stressor? Versuch einer Erweiterung von Stressmodellen

Mit dem Job-Demands-Resources-Modell von Bakker und Demerouti, welches als Kritik am Demand-Control-Modell entstanden ist,[6] wurde wohl eines der am häufigsten zitierten und genutzten Stressmodelle in der Literatur entwickelt. Unterschieden werden muss dabei zwischen einem positiven Eustresss, der arbeitsanregend und bereichernd wirkt, und einem negativen Distress, der die viel besprochenen Burn-outs provozieren kann.[7] Bore-outs müssen damit als Faktoren von Distress betrachtet werden, die wiederum zu Burn-outs führen können. Rothlin und Werder betrachten das Verhältnis von Bore-out zu Burn-out daher auch als eines, welches der Beziehung von Yin und Yang ähnelt.[8]

Zugleich wird aber das Bore-out in Stressmodellen offensichtlich unterschätzt. Das Job-Demands-Resources-Modell von Bakker und Demerouti betrachtet Arbeitsanforderungen auf der einen Seite und Arbeitsressourcen auf der anderen, wobei die Ressourcen die Anforderungen in ihrer Wirkung, Stress auszulösen, dämpfen bzw. abmildern können.[9] Doch wie passen hier Langeweile, Desinteresse und Unterforderung hinein, wo diese doch weder Anforderungen noch Ressourcen zu sein scheinen? Bakker und Demerouti gehen in ihrem Beitrag nicht auf ebenjene Elemente ein; zugleich gilt ihr Modell in der Literatur als überzeugend.[10] Dabei sind die Symptome eines Bore-outs und die Aspekte, die dazu führen können, alles andere als unbekannt. Analysen in der Automobilbranche zeigen beispielsweise, dass die Arbeit am Fließband zu geringerer Arbeitszufriedenheit und einem daraus resultierenden hohem Stressempfinden führt.[11] Hinzu kommt der mögliche Stress von der ‚anderen Seite‘: Wenn Arbeitgebende einen Bore-out vermuten, kontrollieren sie vielleicht vermehrt die Internetaktivitäten der Beschäftigten, um ihnen auf die Schliche zu kommen.[12] Dies erhöht nicht nur den Stress auf Seite der Mitarbeitenden, sondern schlägt sich auch in erhöhter Arbeitsunzufriedenheit nieder.

Fazit und Ausblick

Jobs können langweilig sein, und zwar sehr. Das mag sicherlich bekannt sein und auf viel Zuspruch stoßen, doch ist nicht zu unterschätzen, was das bei Beschäftigten anrichten kann. Langeweile resultiert aus Unterforderung und mündet in Desinteresse und Arbeitsunzufriedenheit. Zugleich kann die Situation ausweglos sein, wenn der ausgeübte Beruf eine wichtige Einnahmequelle darstellt, für die es auch keinen direkten Ersatz zu geben scheint. All das führt zu einem Bore-out, das in seiner Wirkung mithin wenig erforscht und hinter dem Burn-out unterzugehen scheint. Auch gegenwärtige (und durchaus überzeugende) Stressmodelle nehmen es nicht in sich auf. Dieser Artikel schließt daher mit dem Plädoyer, neben der Überforderung von Beschäftigten mehr auf ihre Unterforderung zu achten. Beide gehen nämlich nach einer gewissen Zeit in denselben Status über: den der Unproduktivität, Unzufriedenheit und im schlimmsten Fall der psychischen Störungen und Krankheiten.


[1] Vgl. Sackmann (2017), S. 328   

[2] Vgl. Treier (2015), S. 22 

[3] Vgl. Rothlin/Werder (2007), S. 13   

[4] Vgl. Rothlin/Werder (2007), 13-14

[5] Vgl. Prammer (2013), S. 16

[6] Vgl. Kauffeld/Ochmann/Hoppe (2019), S. 317

[7] Vgl. Kauffeld et al. (2019), S. 310

[8] Vgl. Rothlin/Werder (2007), S. 15

[9] Vgl. Bakker/Demerouti (2007), S. 314     

[10] Vgl. Nahrgang/Morgeson/Hofmann (2011), S. 87

[11] Vgl. Scherenberg (2014), 16.e1

[12] Vgl. Rothlin/Werder (2014), S. 87


Literaturverzeichnis

Bakker, A. B. & Demerouti, E. (2007). The Job Demands‐Resources model: state of the art. Journal of Managerial Psychology22(3), 309–328.

Kauffeld, S., Ochmann, A. & Hoppe, D. (2019). Arbeit und Gesundheit. In S. Kauffeld (Hg.), Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor (S. 305–358). Springer.

Nahrgang, J. D., Morgeson, F. P. & Hofmann, D. A. (2011). Safety at work: a meta-analytic investigation of the link between job demands, job resources, burnout, engagement, and safety outcomes. The Journal of applied psychology96(1), 71–94.

Prammer, E. (2013). Boreout – Biografien der Unterforderung und Langeweile: Eine soziologische Analyse. Springer VS. 

Rothlin, P. & Werder, P. R. (2007). Diagnose Boreout: Warum Unterforderung im Job krank macht. Redline Verlag. 

Rothlin, P. & Werder, P. R. (2014). Unterfordert: Diagnose Boreout – wenn Langeweile krank macht (3., überarbeitete Neuauflage). Redline-Verlag. 

Sackmann, S. A. (2017). Unternehmenskultur: Erkennen – Entwickeln – Verändern: Erfolgreich durch kulturbewusstes Management(2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage). Springer Gabler. 

Scherenberg, V. (2014). Über- und Unterforderung am Arbeitsplatz: Burn- und Boreout. Public Health Forum22(1).

Treier, M. (2015). Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen: Begründung, Instrumente, Umsetzung. Springer. 

Bildquelle Titelbild:

Bild von Richard Duijnstee auf Pixabay: https://pixabay.com/de/illustrations/computer-büroangestellte-job-4552682/

Teile diesen Artikel