By Published On: 11. Januar 2024Categories: Gesundheit, Wirtschaft

Die innere Uhr und der individuelle Chronotyp

Jeder Mensch verfügt über eine individuelle innere Uhr, einen persönlichen Taktgeber, nach dem körpereigene Prozesse stattfinden. Viele dieser Rhythmen finden innerhalb des circadianen Rhythmus statt, ein Zyklus, der etwa 24 Stunden umfasst. Äußere Faktoren wie der Hell-Dunkel Zyklus aber auch Ruhe- und Aktivitätsphasen sowie die Zeiten der Nahrungsaufnahme haben einen Einfluss auf die körpereigenen Rhythmen. Diese Faktoren können wir nutzen, um unsere innere Uhr gezielt etwas zu beeinflussen. So kann z.B. helles Licht am Morgen dabei helfen, den täglichen Rhythmus etwas vorzuverlegen. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass dieser Taktgeber auch zum Teil genetisch festgelegt ist (Baus, 2015, S.83-84; Bulian et al., 2018, S.187; Pongratz & Straub, 2011, S.305-308). Anders als die externen Faktoren lässt sich die genetische Komponente jedoch nicht einfach verändern (Baus, 2015, S.85).

Menschen werden in unterschiedliche Chronotypen eingeteilt. Wie viele Merkmale in der Psychologie folgt auch der individuelle Chronotyp einer Normalverteilung, die meisten Menschen befinden sich in also einem Normbereich und sind weder extreme Morgen- oder Abendtypen (Griefahn et al., 2001, S.72; Roenneberg et al., 2007, S.431).

Manche Menschen erreichen ihre maximale Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit jedoch wesentlich früher oder später als andere Menschen. Ihre chronobiologischen Prozesse beginnen überdurchschnittlich früh oder eben später als bei den meisten Menschen. Diese werden in der Chronobiologie als Morgentypen oder umgangssprachlich als Lerchen, bzw. als Abendtypen oder Eulen bezeichnet. Die Effekte der Chronotypen auf den Tagesrhytmus sind bei extremen Ausprägungen besonders gut zu beobachten. Während Morgentypen morgens besonders gut arbeiten können, erreichen Abendtypen ihre besten Leistungen oft erst in der zweiten Tageshälfte (Bulian et al., 2018, S.192; Schmal, 2016, S,49-50).

Während manche Menschen schon um 6 Uhr morgens fit sind, werden andere Menschen erst zu späteren Tageszeiten munter
Quelle: Eigene Darstellung

Der (Arbeits-)Alltag im Konflikt mit dem Chronotyp

Häufig steht der Chronotyp jedoch im Konflikt mit bestehenden zeitlichen Vorgaben. Die Arbeitszeiten beginnen i.d.R. schon früh, was vor allem bei späten Chronotypen zu einer subjektiv schlechteren Qualität des Schlafes und Schlafmangel führt, was dann an den freien Tagen wieder kompensiert werden muss. An freien Tagen verschiebt sich der Rhythmus nicht selten um viele Stunden nach hinten, es wird abends noch etwas unternommen und morgens ausgeschlafen. Diese Verschiebung des Wach-Schlaf-Rhythmus zwischen freien Tagen und Arbeitstagen lässt sich mit einem wiederkehrenden Jetlag vergleichen und wird deshalb auch Sozialer Jetlag genannt. Die Folge ist nicht nur eine verringerte Konzentrationsfähigkeit sondern auch ein erhöhtes Risiko für körperliche und psychische Leiden (Wittmann et al., 2006, S.504-507).

Insbesondere führt dieser Jetlag zu vermehrter Tagesmüdigkeit, welche auch für den Arbeitsalltag nicht unerhebliche Auswirkungen haben kann. So kommt eine Metastudie von Uehli et al. (2014, S.71) zu dem Ergebnis, dass sich 13% der Arbeitsunfälle auf Müdigkeit und Schlafmangel zurückführen lassen.

Ein Lösungsansatz: Neuorganisation der Arbeitszeiten

Eine Möglichkeit, die Müdigkeit der Arbeitenden zu verringern, könnte durch eine Neuorganisation der Arbeitszeiten erreicht werden, z.B. untersucht eine Studie von Hirschwald et al. (2022, S.149-151) die Zusammenhänge der Schlafdauer und des individuellen Chronotyps in Bezug auf die Müdigkeit und Arbeitssicherheit. Wurde den ArbeitnehmerInnen im Homeoffice die Möglichkeit gegeben, die eigenen Arbeitszeiten ihrem Chronotyp anzupassen, so gaben die ArbeitnehmerInnen aller Typen an, sich während der Arbeitszeit seltener müde zu fühlen. Besonders groß fiel dieser Effekt bei den Spättypen aus; Während zuvor 71% der Spättypen angaben, sich häufig während ihrer Arbeitszeit müde zu fühlen, traf dies im Homeoffice nur noch auf 16% zu. Eine Anpassung der Arbeitszeiten kann also dazu beitragen, die Tagesmüdigkeit zu verringern.

Auch die Studie von Vetter et al. (2015, S.907) konnte bei ihren ProbandInnen positive Auswirkungen feststellen, wenn ihre Schichtpläne in Einklang mit ihrem Chronotyp gebracht wurden. Dafür wurde zunächst der Chronotyp der im Schichtbetrieb arbeitenden Personen mittels Fragebogen bestimmt. Den Arbeitenden mit einem besonders frühen oder späten Chronotyp wurden dann nur noch jene Schichten zugewiesen, welche mit ihrem Chronotyp zu vereinbaren waren. Die Personen deren Chronotyp zwischen den beiden Ausprägungen lag, dienten als Kontrollgruppe. Sie arbeiteten weiterhin sowohl in den Früh-, Mittag-, als auch Nachtschichten. Es zeigte sich, dass die Teilnehmenden mit den angepassten Arbeitszeiten signifikant besser und länger schliefen sowie von einem höheren Wohlbefinden berichteten. Die Repräsentativität dieser Studie ist jedoch unteranderem aufgrund der geringen Anzahl von 114, überwiegend männlichen TeilnehmerInnen, mit Vorsicht zu betrachten (ebd S.910). Zukünftige Forschungsarbeiten sollten die Langzeiteffekte einer angepassten Arbeitszeit mit einer größeren Probandenzahl näher untersuchen.

…und wie wird der Chronotyp bestimmt?

Um die Arbeitszeiten auf den Chronotyp einer Person abstimmen zu können, muss zunächst der individuelle Chronotyp bestimmt werden. Es gibt eine Reihe von Fragebögen die bei der Ermittlung des Chronotyps einer Person helfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese auf Selbsteinschätzungen basieren (Schöppner et al., 2023, S.112).

Ein Beispiel für einen Fragebogen, der den Chronotyp erfasst ist die Composite Scale of Morningness, kurz CSM (Randler, 2014). Die deutsche Version dieses Fragebogens ist unter folgendem Link aufrufbar:

https://psycharchives.org/en/item/313159db-c2fc-41fd-9880-d26dfa957832

Fazit

Es gibt gute Gründe für die Berücksichtigung des individuellen Chronotyps einer Person bei der Arbeitsgestaltung (Schmal, 2016, S.49-50). So kann eine Anpassung der Arbeitszeiten den Arbeitnehmenden dabei helfen, die verschiedenen Rhytmen von freien- und Arbeitstagen aneinander anzugleichen und so den Sozialen Jetlag zu reduzieren. Vorallem Personen mit einem späten Chronotyp können davon profitieren (Hirschwald et al., 2022, S.151; Wittmann et al., 2006). Dabei scheint sich nicht nur die Müdigkeit zu reduzieren, das Wohlbefinden zu steigern sowie die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, sondern auch das Risiko für das Auftreten von körperlichen und psychischen Problemen nimmt ab (Baus, 2015, S.86; Vetter et al., 2015, S.907). Anzumerken ist jedoch auch, dass nicht alle Studien die gezogenen Schlüsse unterstützen und die Studienlage hinsichtlich der Aussage über die Auswirkungen der Chronotypen durchaus heterogen ist (Hüls et al., 2022, S.250).

Literaturverzeichnis

Baus, L. (2015). Die innere Uhr kennenlernen. In L. Baus, Selbstmanagement: Die Arbeit ist ein ewiger Fluss (S. 83–87). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-09593-2_15

Bulian, M., Weeß, H.-G., & Schreiber, W. H. (2018). „Gleich und gleich gesellt sich gern“ oder „Gegensätze ziehen sich an“?: Die Auswirkung der Chronotypen auf die Partnerschaftszufriedenheit unter Berücksichtigung des Paarklimas. Somnologie, 22(3), 187–193. https://doi.org/10.1007/s11818-018-0178-0

Griefahn, B., Kunemund, C., Brode, P., & Mehnert, P. (2001). Zur Validitat der deutschen Ubersetzung des Morningness- Eveningness-Questionnaires von Horne und Ostberg. The Validity of a German Version of the Morningness- Eveningness-Questionnaire Developed by Horne and Ostberg. Somnologie, 5(2), 71–80. https://doi.org/10.1046/j.1439-054X.2001.01149.x

Hirschwald, B., Sun, Y., Nold, A., & Bochmann, F. (2022). Persönliche Einflussfaktoren auf die Tagesmüdigkeit: Eine Umfrage zum veränderten Schlafverhalten beim Arbeiten im Homeoffice während der ersten Coronawelle. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie, 72(4), 147–153. https://doi.org/10.1007/s40664-022-00459-9

Hüls, M., Griesenbeck, T., & Kantermann, T. (2022). Korrelationsanalyse und Gruppenvergleiche: Chronotyp, chronischer Stress und Konzentrationsleistung von nebenberuflich Studierenden. In S. Boßow-Thies & B. Krol (Hrsg.), Quantitative Forschung in Masterarbeiten (S. 243–272). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35831-0_9

Pongratz, G., & Straub, R. H. (2011). Rheuma, Jetlag und die innere Uhr. Zeitschrift für Rheumatologie, 70(4), 305–312. https://doi.org/10.1007/s00393-010-0723-0

Randler, C. (2014). CSM – Composite Scale of Morningness—Deutsche Fassung. https://doi.org/10.23668/PSYCHARCHIVES.6485

Roenneberg, T., Kuehnle, T., Juda, M., Kantermann, T., Allebrandt, K., Gordijn, M., & Merrow, M. (2007). Epidemiology of the human circadian clock. Sleep Medicine Reviews, 11(6), 429–438. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2007.07.005

Schmal, J. (2016). Der persönliche Chronotyp als Taktgeber. Heilberufe, 68(4), 49–50. https://doi.org/10.1007/s00058-016-2109-4

Schöppner, P., Großbruchhaus, S., & Nerdel, C. (2023). Eat, Sleep, Repeat – wie Evolution unsere innere Uhr beeinflusst. In P. Schöppner, S. Großbruchhaus, & C. Nerdel, Biotechnologie praxisorientiert unterrichten (S. 87–122). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-65210-7_7

Uehli, K., Mehta, A. J., Miedinger, D., Hug, K., Schindler, C., Holsboer-Trachsler, E., Leuppi, J. D., & Künzli, N. (2014). Sleep problems and work injuries: A systematic review and meta-analysis. Sleep Medicine Reviews, 18(1), 61–73. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2013.01.004

Vetter, C., Fischer, D., Matera, J. L., & Roenneberg, T. (2015). Aligning Work and Circadian Time in Shift Workers Improves Sleep and Reduces Circadian Disruption. Current Biology, 25(7), 907–911. https://doi.org/10.1016/j.cub.2015.01.064

Wittmann, M., Dinich, J., Merrow, M., & Roenneberg, T. (2006). Social Jetlag: Misalignment of Biological and Social Time. Chronobiology International, 23(1–2), 497–509. https://doi.org/10.1080/07420520500545979

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Titelbild/Beitragsbild : Selbst erstelltes Bild mithilfe von Sketchbook generiert.

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