By Published On: 27. Juli 2021Categories: Gesundheit, Psychologie

In dem Artikel „Abnehmen aus dem Blickwinkel der Psychologie – Teil 1“ wurde erläutert, wie die motivationale Phase im Rahmen des HAPA-Modells verläuft. Hierzu wurde ein Fallbeispiel konstruiert, um den Prozess zu veranschaulichen. In diesem Artikel wird die volitionale Phase oder die Phase der Umsetzung erläutert.

Fallbeispiel

Nadine B. (36) hat den Entschluss gefasst, dass sie etwas für ihre Gesundheit tun möchte. Mit einem BMI von 30 gilt Nadine B. als adipös. In der Phase der Absichtsbildung hat Nadine B. drei Ziele festgelegt, die nun in die Tat umgesetzt werden sollen.

Um den nachfolgenden Ausführungen besser folgen zu können, ist in der nachfolgenden Abbildung ein Ausschnitt des HAPA-Modells dargestellt, der die Phase der Umsetzung darstellt. Das vollständige HAPA-Modell ist im vorherigen Artikel zu finden.

Volitionale Phase des HAPA-Modells
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schwarzer, 2004, S. 91, 2008, S. 6; Zhang, Zhang, Schwarzer & Bagger, 2019, S. 624)

Postintentionale Phase

Entsprechend Schwarzer (2004) werden die in der präintentionalen Phase definierten Ziele in dieser Etappe geplant und anschließend umgesetzt. Wichtig ist hierbei, dass die beschlossenen Maßnahmen in die Realität übertragen werden. Dies gilt für jeden Zeitpunkt, auch wenn es zu Beeinträchtigungen oder Hürden auf dem Weg der Zielerreichung kommt (Schwarzer, 2004, S. 93). Innerhalb der volitionalen Phase wird von drei aufeinander folgenden Prozessen ausgegangen. Die präaktionale Phase beinhaltet die Aktions- und Bewältigungsplanung als ersten aktiven Schritt. Die aktionale Phase beschreibt die Handlungsausführung und die Aufrechterhaltung des neuen Verhaltens. Im dritten Teil, der postaktionalen Phase, geht es um die Wiederherstellung und das Disengagement nach Misserfolgen (Schwarzer, 2004, S. 93).

Entsprechend Zhang und Kollegen (2019) wird im HAPA-Modell zwischen der Aktionsplanung und der Bewältigungsplanung differenziert. Die Aktionsplanung hilft einer Person festzustellen, was diese Person für die Durchführung wirklich benötigt. Hingegen umfasst die Bewältigungsplanung das Identifizieren von Schwierigkeiten und potenziellen Hürden. Aufgrund dessen werden in der Bewältigungsplanung Konzepte erstellt, wie mit Differenzen adäquat umgegangen werden kann (Zhang et al., 2019, S. 624). Solche Notfallpläne helfen laut Teng und Mak (2011) der Person, sich in dem eigenen Vorhaben sicher zu fühlen und bei Schwierigkeiten nicht direkt aufzugeben. Weiterhin stärkt die Erstellung solcher Notfallpläne die Selbstwirksamkeit der Instandhaltung und somit das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen (Teng & Mak, 2011, S. 125; Zhang et al., 2019, S. 624). Zhou und Mitarbeitende (2015) beschreiben diese Phase als eine mentale Vorbereitung auf die eigentliche Durchführung. Durch die Simulation verschiedener Szenarien können außerdem die Rahmenbedingungen mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen in Einklang gebracht werden (Zhou et al., 2015, S. 65). An diesem Punkt ist besonders hervorzuheben, dass das große Ziel in viele kleine Unterziele unterteilt werden sollte. Außerdem sollte nach jeder Zielerreichung eine Belohnung erfolgen, um die Motivation für das große Ziel aufrechtzuerhalten (Schwarzer, 2004, S. 96).

Fortsetzung Fallbeispiel

In der Planungsphase macht Nadine B. einen Termin bei einer Ernährungsberatung. Weiterhin hat sie überlegt, dass in den kommenden Wochen drei Wochen Urlaub anstehen, die sich perfekt für den Start der Gewichtsreduktion eignen. Im Internet hat Nadine bereits zwei Online-Kurse für Entspannungsverfahren gefunden und sich direkt angemeldet.
Damit die Ziele und die (Notfall)Pläne im Laufe der Zeit nicht in Vergessenheit geraten, hat Nadine B. außerdem ein kleines Notizbuch gekauft, wo sie alles eintragen kann.

Zhou und Kollegium (2015) betrachten die in der präaktionalen Phase gefassten Konzepte als eine Art Selbstüberwachung, die zu jedem Zeitpunkt herangezogen werden können. Dies ist wichtig, um die eigenen Wünsche mit der Wirklichkeit abzugleichen und angemessene Korrekturen vorzunehmen. Entsprechend können die entworfenen Konzepte als modifizierbare Instrumente auf dem Weg der Verhaltensänderung angesehen werden (Zhou et al., 2015, S. 65, 67). Dies zeigt sich auch in der obigen Abbildung, wo die aktionale Phase mit den drei Variablen: (1) Intervention, (2) Aufrechterhaltung und (3) Wiederherstellung als eine Einheit dargestellt ist. Reuter und Schwarzer (2009) beschreiben, dass dies darauf zurückgeht, dass eine Person ständig die Prozesse überprüft und beurteilt, um gegebenenfalls korrigierend einwirken zu können (S. 42).

Fortsetzung Fallbeispiel

Bei der Ernährungsberatung bespricht Nadine B. regelmäßig die aktuellen Erfolge und Misserfolge. Das Ziel von Nadine B. ist in dieser Phase die alten, ungesunden Ernährungsweisen durch neue, gesunde Alternativen zu überschreiben.
In den ersten drei Monaten ist Nadine B. bereits aufgefallen, dass ihre Essenspläne zu komplex sind und ihr die Zeit für die Zubereitung fehlt. Infolgedessen bestellt sie Essen beim Lieferdienst. Nadine B. hat dies erkannte und möchte nun mit dem:r Ernährungsberater:in einen Plan erstellen, der sich besser in den Alltag integrieren lässt.
Des Weiteren hat Nadine B. festgestellt, dass die Online-Kurse für Entspannungsverfahren nicht ihren Erwartungen entsprechen, weshalb sie bald an einen Kurs vor Ort teilnehmen möchte.

Die Handlungsbewertung findet in der letzten Phase, der postaktionalen Phase, statt. Entsprechend Schwarzer (2004) wird in diesem Abschnitt nach der Beendigung der Aktivität beurteilt, ob das Ziel erreicht wurde oder nicht. Hierbei haben Erfolge einen positiven Einfluss auf die Selbstwirksamkeit der Wiederherstellung und führen dazu, dass das gesundheitsbewusste Verhalten weitergeführt wird (Schwarzer, 2004, S. 95). Die Selbstwirksamkeit der Wiederherstellung spiegelt die Fähigkeit einer Person wider, bei Hindernissen und Rückschlägen nicht aufzugeben, sondern das Zielverhalten weiter zu verfolgen (Zhang et al., 2019, S. 624). Im Gegensatz dazu können Misserfolge die Selbstwirksamkeit der Wiederherstellung reduzieren und unter Umständen zu einer postaktionalen Zielentbindung oder einem Disengagement führen. Ein Disengagement entsteht, wenn die Person das festgelegt Ziel als gescheitert erklärt und daraufhin wieder das alte, gesundheitsgefährdende Verhalten aufnimmt (Schwarzer, 2004, S. 95).

Fortsetzung Fallbeispiel

Nach einem Jahr zieht Nadine B. ein Fazit. Ihr Zielgewicht von 72 kg und einen BMI von 24 hat sie im Laufe der letzten 12 Monate nicht erreichen können. Es gab immer wieder Rückschläge, in denen Nadine B. in alte Verhaltensmuster zurückgefallen ist. Insbesondere in stressigen beruflichen Phasen. Trotz dieser demotivierenden Abschnitte merkt Nadine B., dass sich ihre Leistungsfähigkeit und allgemeine Gesundheit verbessert haben. Durch die Arbeit mit der Ernährungsberatung konnte Nadine B. ein gutes Bewusstsein über gesunde und ausgewogene Ernährung erlangen. Dieses Wissen sieht Nadine B. als großen Erfolg an.
Die Entspannungsverfahren haben bei Nadine B. leider nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. Der Stress und infolgedessen das Stressessen konnte nicht unterbunden werden. Dies führt bei Nadine B. zu einem Disengagement im Bereich der Stressbewältigung.

Fazit

Das HAPA-Modell ist ein dynamisches Modell, mit dem gesundheitsbezogenen Verhalten erklärt werden kann. Anhand dieses Modells kann Menschen mit Übergewicht oder Adipositas erläutert werden, warum es so langwierig ist ein gesundheitsbewusstes Verhalten in den Alltag zu integrieren. Weiterhin wird durch das Modell deutlich, dass die Motivation allein nicht ausreichend ist, sondern der Wille ebenso vorhanden sein muss. Anhand des Fallbeispiels konnte gut dargestellt werden, dass sich eine Person bei der Änderung des Gesundheitsverhaltens in verschiedenen Phasen befinden kann. Abschließend ist festzuhalten, dass jedes ungesunde Verhalten über einen großen Zeitraum konditioniert wurde und es entsprechend eines langen Zeitraums braucht, um dieses Verhalten zu überschreiben.

Literatur

Reuter, T. & Schwarzer, R. (2009). Verhalten und Gesundheit (Handbuch der Psychologie). In J. Bengel & M. Jerusalem (Hrsg.), Handbuch der Gesundheitspsychologie und Medizinischen Psychologie (1., S. 34–45). Göttingen: Hogrefe.

Schwarzer, R. (2004). Psychologie des Gesundheitsverhaltens: Einführung in die Gesundheitspsychologie (3.). Göttingen: Hogrefe.

Schwarzer, R. (2008). Modeling Health Behavior Change: How to Predict and Modify the Adoption and Maintenance of Health Behaviors. Applied Psychology57(1), 1–29. https://doi.org/10.1111/j.1464-0597.2007.00325.x

Teng, Y. & Mak, W. W. S. (2011). The role of planning and self-efficacy in condom use among men who have sex with men: an application of the Health Action Process Approach model. Health Psychology30(1), 119–128. https://doi.org/10.1037/a0022023

Zhang, C.-Q., Zhang, R., Schwarzer, R. & Hagger, M. S. (2019). A meta-analysis of the health action process approach. Health Psychology38(7), 623–637. https://doi.org/10.1037/hea0000728

Zhou, G., Gan, Y., Miao, M., Hamilton, K., Knoll, N. & Schwarzer, R. (2015). The role of action control and action planning on fruit and vegetable consumption. Appetite91, 64–68. https://doi.org/10.1016/j.appet.2015.03.022

Beitragsbild

artistlike. (2013). Apfel gesund Schokolade ungesund. pixabay. Verfügbar unter: https://pixabay.com/de/photos/apfel-gesund-schokolade-ungesund-196935/

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