By Published On: 11. Juni 2025Categories: Digitalisierung, Management, Psychologie

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Spätestens seit der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen erkannt, dass klassische Büroarbeit nicht mehr die einzige Option ist. Eine Befragung des ifo Instituts München schon während der Pandemie ergab, dass über die Hälfte der Befragten auch nach der Pandemie an Remote-Optionen festhalten wollen (Alipour, Falck & Schüller, 2020, S. 35). Doch wie wirkt sich diese Entwicklung auf eine der wichtigsten, aber oft unterschätzten Komponenten von Unternehmen aus: die Unternehmenskultur?

Definition: Unternehmenskultur

Der Begriff Unternehmenskultur (engl. Corporate Culture) bezeichnet die Gesamtheit der gemeinsamen Werte, Normen und Einstellungen, die das Verhalten und die Entscheidungen der Mitglieder einer Organisation prägen (Lies, 2018).

Merkmale einer digitalen und analogen Unternehmenskultur

Die klassisch analoge Unternehmenskultur entsteht und entwickelt sich über Jahre hinweg durch Kommunikation, Gewohnheiten, gemeinsame Erfahrungen und die Weitergabe von Werten, also durch gelebte Tradition (Herget, 2021, S. 23). Im klassischen Büroalltag sichtbar und spürbar durch Rituale, gemeinsame Pausen oder spontane Gespräche auf dem Flur. Sie wirkt durch soziale Nähe, nonverbale Signale und Präsenz. Genau darin liegt ihr Erfolgsfaktor – und zugleich die Herausforderung für den digitalen Wandel.

Die digitale Unternehmenskultur muss sich in einem Raum behaupten, in dem physische Nähe fehlt, Spontanität zurückgedrängt wird und viele „unsichtbare“ Träger der Kultur, von den Räumlichkeiten bis zur Körpersprache, ausgeblendet sind (Herget, 2021, S. 27). Stattdessen muss jegliche Art von Kommunikation über Online-Meetings stattfinden. Das erfordert Klarheit, Struktur und die Entwicklung von Kompetenzen wie Selbst- und Zeitmanagement und die technische Implementierung von digitalen Tools. Dazu kommt die plötzliche zeitliche und räumliche Flexibilität.

Diese Aspekte wirken sich zunächst auf individueller Ebene aus. Und weil Unternehmenskultur vor allem durch das Erleben und Verhalten der einzelnen Mitarbeitenden entsteht, wird zunächst die individuelle Perspektive beleuchtet um anschließend die Auswirkungen von Homeoffice auf die gesamte Unternehmenskultur einordnen zu können.

Psychologische Auswirkungen von Homeoffice auf Mitarbeitende

Die vielleicht größte Herausforderung des Homeoffice ist die fehlende Trennung von Beruf und Privatleben: Der Arbeitsplatz ist plötzlich Teil der Wohnung und der Laptop bleibt auch nach Feierabend präsent. Die verstärkte Erreichbarkeit, die Zunahme von Überstunden und Arbeitsintensivierung „wird als stärkster Stressor des Homeoffice thematisiert“ (Lübcke & Ohlbrecht, 2023, S. 178). Weitere Nachteile liegen in der sozialen Isolation, also der stark reduzierte Kontakt zu Kolleg*innen und Vorgesetzten, was die Zusammenarbeit erschweren und das Zugehörigkeitsgefühl schwächen kann. Hinzu kommen körperliche Belastungen, wie Bewegungsmangel oder ergonomisch unzureichende Arbeitsplätze (Weber et al., 2022, S. 6).

Auf der anderen Seite profitieren viele von mehr Flexibilität, einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie einer enormen Zeitersparnis. Eine Studie von Staller & Randler (2020) zeigt, dass durch den Entfall des Arbeitswegs viele Beschäftigten ihre Schlafphasen besser an den individuellen Biorhythmus anpassen konnten. Darüber hinaus deutet eine Studie von Biron und van Veldhofen (2016) darauf hin, dass die Konzentrationsfähigkeit im Homeoffice tendenziell höher ist und das Erholungsbedürfnis nach der Arbeit geringer ausfällt. Außerdem kann die gesteigerte Autonomie von vielen Mitarbeitenden als ein Zeichen von Vertrauen wahrgenommen werden- sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite und letztendlich zwischen den Teams untereinander (Landes et al., 2021, S. 3).

Auswirkungen von Homeoffice auf die Unternehmenskultur

Wie bereits erwähnt verlangt Homeoffice von Mitarbeitenden mehr Selbstführung und fördert Kompetenzen wie Zeit- und Selbstmanagement, was zu einem stärkeren Verantwortungsbewusstsein beitragen kann. Nach Lindner (2020) und Landes et al. (2021) können hybride Arbeitsformen durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben auch zu höherer Arbeitszufriedenheit führen (S.10; S. 5), was sich letztendlich auch positiv auf die Unternehmenskultur auswirkt. Gleichzeitig kann durch den Verlust der sozialen Nähe wie bspw. spontane Gespräche oder gemeinsame Mittagspausen die Identifikation mit dem Unternehmen und das Gemeinschaftsgefühl leiden. Insbesondere, wenn emotionale Bindung oder kulturelle Werte nicht mehr erlebt, sondern nur noch „kommuniziert“ werden. Lindner (2020) betont, dass die räumliche Distanz die Motivation, das Vertrauen und die Zusammenarbeit in Teams erschweren kann (S. 11), was sich wiederum negativ auf das Zugehörigkeitsgefühl und die Unternehmenskultur auswirken würde (Landes et al., 2021, S. 9). Inwieweit kann dies verhindert werden?

Gestaltungsempfehlungen zur Stärkung der Unternehmenskultur

Unternehmenskultur wird durch informelle Lernprozesse geprägt. Es sind weniger die offiziellen Leitbilder, Mission oder Vision, sondern vielmehr das tatsächlich gelebte Verhalten aller Organisationsmitglieder, die den kulturellen Kern eines Unternehmens formen (Herget, 2021, S. 23). Dabei können folgende Verantwortungsbereiche identifiziert werden (Herget, 2021, S. 23):

  • Die Unternehmensverantwortung: Es muss bewusst reflektiert werden was digital bereits funktioniert, was angepasst oder neu eingeführt werden muss. Das braucht eine klare Zielorientierung und regelmäßige Überprüfung von Aufgaben, bspw. durch Methoden wie OKR (Objectives & Key Results). Um emotionale Distanz zu überwinden, müssen Inklusion, Zugehörigkeit und Identifikation gefördert werden, bspw. durch Stimmungsbarometer, virtuelle Kaffeepausen oder Team-Chats. Außerdem sollten Unternehmen ihre Führungskräfte unterstützen, indem sie Unsicherheiten ernst nehmen, Transparenz bieten und Kompetenzen für digitales Arbeiten fördern, bspw. durch Workshops oder Trainings.
  • Die Verantwortung der Mitarbeitenden: Mitarbeitende sind aufgefordert, für Transparenz und Achtsamkeit in der Zusammenarbeit zu sorgen, Bedürfnisse zu kommunizieren und aktiv den virtuellen Raum mitzugestalten und zu nutzen, bspw. durch spontane Gespräche oder informelle digitale Treffen. Außerdem können sie sich gegenseitig aktiv zum Ausprobieren ermutigen, sodass neue Kompetenzen- und die Freude daran übertragen wird. Herget (2021) betont, dass eine gesunde Fehlertoleranz und ein neugierig-experimenteller Umgang mit den neuen Arbeitsformen Teil einer lernenden Kultur sind (S. 36).

Fazit

Eine gesunde Unternehmenskultur im Homeoffice entsteht nicht von allein, sondern braucht aktive Gestaltung. Unternehmen und Mitarbeitende tragen gemeinsam Verantwortung, virtuelle Räume zu gestalten und zu einem Ort echter Begegnung und vertrauensvoller und erfolgreicher Zusammenarbeit zu machen. Nur so kann Kultur auch digital spürbar bleiben.


Literaturverzeichnis

Alipour J.-V., Falck, O. & Schüller S., (2020). Coronakrise: Analyse und ifo-vorschläge zur Überwindung der Krise: Homeoffice während der Pandemie und die Implikationen für eine Zeit nach der Krise. Ifo Schnelldienst, 73, Nr. 07, S. 30-36.

Biron, M. & van Veldhofen, M. (2016). When control becomes a liability rather than an asset: Comparing home and office days among part-time teleworkers. Journal of Organizational Behavior, 37 (8), S. 1317-1337. doi: https://doi.org/10.1002/job.2106.

Herget, J. (2021). Digitale Unternehmenskultur. Strategien für die moderne Arbeitswelt. Wiesbaden: Springer.

Landes, M., Steiner, E., Utz, T. & Wittmann, R. (2021). Erfolgreich und gesund im Homeoffice arbeiten. Impulse für Mitarbeitende und Teams für eine gelungene Zusammenarbeit. Wiesbaden: Springer.

Lies, J. (2018). Unternehmenskultur. Gabler Wirtschaftslexikon. Zugriff am 09.04.2025. Verfügbar unter Revision von Unternehmenskultur vom Mi., 14.02.2018 – 17:31 • Definition | Gabler Wirtschaftslexikon.

Lindner, D. (2020). Virtuelle Teams und Homeoffice. Empfehlungen zu Technologien, Arbeitsmethoden und Führung. Wiesbaden: Springer.

Lübcke, S. & Ohlbrecht, H. (2023). Home sweet home? Arbeits(t)raum Homeoffice. Eine qualitative Untersuchung zum Erleben des mobilen Arbeitens unter besonderer Berücksichtigung der Geschlechtergerechtigkeit. Arbeit, 32 (2), S. 175-194. doi: https://doi.org/10.1515/arbeit-2023-0011.

Staller N. & Randler C. (2020). Changes in sleep schedule and chronotype due to COVID-19 restrictions and home office. Somnologie Epub. doi: 10.1007/s11818-020-00277-2.

Weber, M., Diller, S., Bendrat, S., Berger, C. & Ebner, J. (2022). PRODUKTiver im Homeoffice. Innovatie Methoden zum besseren Arbeiten im Homeoffice: Psychologisch fundiert. Berlin: Springer.


Titelbildquelle

Titelbild von Παῦλος, Titel: business-9086202_1280, veröffentlicht am 01.10.2024, abgerufen am 03.06.2025, auf pixabay, unter: https://pixabay.com/illustrations/business-office-clipart-people-9086202/

Nutzungsbedingungen: https://pixabay.com/service/license-summary/, abgerufen am 03.06.2025

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