By Published On: 19. April 2019Categories: Meine Hochschule und mein Studium

Organisiert, funktionierend, effizient und zuverlässig, jedenfalls in den meisten Fällen, so könnte man das deutsche Gesundheitssystem beschreiben. Keines dieser Adjektive sollte verwendet werden, um das Gesundheitssystem in Südafrika zu beschreiben.
Das Fernstudium an der SRH Fernhochschule eröffnet viele Möglichkeiten. Unter anderem die Möglichkeit aus einem anderen Land aus zu studieren. Aber verschiedene Länder bringen auch verschiedene Herausforderungen. Südafrika ist ein traumhaftes Reiseziel: Paare fahren für ihre Flitterwochen nach Kapstadt, Abenteuerlustige gehen auf Safari im Krüger National Park und wenn man eine Pauschalreise bucht, steht auf jeden Fall die wunderschöne Garden Route mit auf der Reiseroute. Doch das ist nur eine Seite. Auf der anderen Seite hört man nicht unbedingt von den Dingen, auf die man sich als Besucher nicht kümmern muss: Die Politik, die Kriminalität und das Nicht-funktionieren von Systemen, auf die man sich als Bewohner doch verlassen können sollte.

Mit dem Studiengang „Prävention und Gesundheitspsychologie“ werden wir auf ein sich ständig wandelndes Gesundheitssystem vorbereitet. Aber was, wenn das Gesundheitssystem, in dem wir versuchen zu arbeiten, sich seit Jahren nicht weiter entwickelt hat? Oder wenn das Gesundheitssystem in dem man lebt, nicht wirklich schützend oder vertrauensvoll ist? Ich bereite mich darauf vor, in ein Gesundheitssystem zu arbeiten, welches anders ist als das Deutsche. Dazu möchte im Folgenden nun einen kleinen Überblick über die Situation im Gesundheitswesen in Südafrika geben.

Das deutsche und südafrikanische Gesundheitssystem ähneln sich im Aufbau: Wir finden Arztpraxen, von den Provinzen getragene Krankenhäuser und Privathospitäler, Lehrkrankenhäuser und Unikliniken, außerdem kleiner Praxen, die die Versorgung der Landbevölkerung sicherstellen sollen. [1] 2018 verzeichnete Südafrika 57,42 Millionen Bewohner. [2] Die Mehrheit hat einen Zugang zu Gesundheitsdiensten in durch die Regierung geschaffene Einrichtungen, Kliniken und Krankenhäuser. Das Gesundheitssystem umfasst wie in Deutschland einen öffentlichen, vom Staat geleiteten, und einen privaten Bereich. Der öffentliche Gesundheitsservice ist geteilt in primär, sekundär und tertiär und wird geleitet vom „Department of Health“ der jeweiligen Provinz. Diese stellen alle benötigten Arbeiter im Gesundheitssystem ein, während das nationale Ministerium der Gesundheit (National Ministry of Health) für die Koordination und politischen Entwicklungen zuständig ist. [3] Die primäre Versorgung steht jedem kostenlos zur Verfügung, die keine Krankenversicherung besitzen. Jedem steht ein Recht auf eine Gesundheitsversorgung im öffentlichen Bereich zu und jedem steht es frei, private Leistungen in Anspruch zu nehmen, wenn er es sich denn leisten kann. Doch in Südafrika herrscht eine ungerechte Einkommensverteilung und das spiegelt sich auch in der Gesundheitsversorgung wieder. 2015 waren 16% der Bevölkerung privat versichert, während 84% die öffentlichen Einrichtungen nutzten. [4] Die Reichen und auch die Mittelschicht können es sich leisten, die Privatversicherung zu zahlen und können Arztpraxen aufsuchen, während der Großteil der Bevölkerung für jeden nötigen Besuch beim Arzt ins staatliche Krankenhaus muss. Selbst die Ärzte ziehen es vor, für Privatkliniken zu arbeiten, als für den Staat: 80% der Ärzte behandeln die 16% der Bevölkerung, die sich privat behandeln lassen [5], dabei fallen bereits 2013 1661 Einwohner pro Arzt. [6] Im gleichen Jahr fallen 58,2% der Gesundheitsausgaben auf private Gesundheitsversorgung, somit steht dem viel größeren Anteil der Bevölkerung nicht nur weniger finanzielle Mittel, sondern auch weniger Ärzte zur Verfügung und somit insgesamt eine weitaus schlechtere Gesundheitsversorgung. [7]

Abbildung 1 Ausgabenverteilung im Gesundheitssektor (eigene Darstellung, angelehnt an Schmidt, 2013, S.59)

Um zu verstehen, wieso das ein Problem ist, ein Beispiel:

2017 wurde Clint Morris im Livingstone Krankenhaus in Port Elizabeth nach einem Scooter-Unfall wegen schwerer Beinverletzungen behandelt. Nach mehreren Beinoperationen wurden seine Verbände, welche von einem Stahlkäfig umschlossen waren, in zehn Tagen nur einmal gewechselt. Auf Nachfrage hieß es, er solle es selbst tun, da die Krankenhausbelegschaft unterbesetzt sei. Nach Tagen war seine Wunde bedeckt mit Maden.[8]

Dazu kommt, dass besonders ländliche Gebiete und die Townships medizinisch schwer unterversorgt sind, wenn nicht sogar überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben.[9]

Abbildung 2 Township in Südafrika (Eigendarstellung)

Diese Lücke in der Versorgung der Grundversorgung der ländlichen Gebiete wird versucht durch ein Pflichtjahr für junge Ärzte abzudecken. [10] Aber auch freiwillig gehen 80% der schwarzen Bevölkerung zunächst zu sogenannten Heilern und Medizinmännern.[11]

Dabei sind die medizinische Ausbildung und Organisationsstrukturen in Krankenhäusern nicht schlechter, als in anderen Ländern. Stark angelehnt an das britische System muss nach dem fünf bis sechsjährigen Medizinstudium ein einjähriges Praktikum, gefolgt von einem einjährigen Pflichtjahr im ländlichen Sektor absolviert werden, bevor eine Berufsausübung vom Staat genehmigt wird. [12] Danach verlassen jedoch viele der jungen Ärzte das Land, da sie kaum berufliche Chancen und Zukunft für sich in Südafrika sehen.[13] Viele nehmen Flucht nach Großbritannien, da dort nicht nur der Abschluss problemlos anerkannt wird, sondern sie zusätzlich auch als großartig ausgebildete Ärzte aufgenommen werden. Dies ist nicht nur ein Problem im Gesundheitssektor, sondern allgemein: Besonders Weiße fühlen sich immer mehr von der wachsenden Kriminalität bedroht.[14]

Und dazu kommen noch ganz andere Probleme, welche hier nur kurz angeschnitten werden sollen: HIV/AIDS ist bis heute eines der schwerwiegendsten Gesundheitsprobleme in Südafrika: Alleine im Jahr 2007 verzeichnet das südafrikanische Gesundheitsministerium 350.000 Tote infolge der Krankheit und die Infektionsrate 2009 liegt bei 29,3% bei den 15-49-jährigen.[15] Die Wichtigkeit präventiver Maßnahmen und Aufklärung wird deutlich. Die Gesundheitsministerin (Manto Tshabala-Msimang) empfiehlt 1999 rote Beete und Knoblauch gegen AIDS, der ehemalige Präsident (Thabo Mbeki) glaubt nicht einmal an HIV und nachfolgende Präsident (Jacob Zuma) versteht 2006 nicht, wie eine Frau ihn mit HIV angesteckt haben soll, denn er habe sich doch nach dem Geschlechtsverkehr geduscht.[16] Doch es gibt auch positives: Trotz der Inkompetenz vieler Politiker, bemüht sich die Regierung darum, ein Bewusstsein der Bevölkerung für HIV zu sensibilisieren: so wurde 2010 eine landesweite Präventionskampagne gestartet, welche mithilfe von Beratungen und kostenlosen Tests die Neuinfektionsrate um 50% zu vermindern versuchte. [17] Dazu kommen kostenlose Verteilungen und Auslagen von Kondomen. Weitere große Probleme bereiten Tuberkulose und Alkohol- sowie Drogenmissbrauch.[18]

Fazit

Südafrika hat mit vielen Herausforderungen zu kämpfen, die Herausforderungen im Gesundheitssystem sind keine Kleinigkeiten. Noch immer wird an der ausreichenden medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung gearbeitet. Die finanziellen Mittel werden hauptsächlich im privaten Gesundheitssektor verwendet und stehen damit dem Großteil der Bevölkerung nicht zur Verfügung. Durch eine Neuverteilung dieser könnte schon einiges erreicht werden, zum Beispiel könnte die Lage in den öffentlichen Krankenhäusern verbessert werden. Ich hoffe darauf, mich nach Abschluss meines Studiums im Bereich der HIV/AIDS-Prävention wiederzufinden, um einen Beitrag zur Aufklärung, besonders bei den jungen Generationen, leisten zu können.

 

[1] Vgl. Priwitzer, 2013, S.4

[2] Vgl. Statista, 2019b

[3] Vgl. Mahlathi/Dlamini, 2015, S.3

[4] Vgl. dpa/Ärzteblatt, 2017

[5] Vgl. dpa/Ärzteblatt, 2017

[6] Vgl. Schmidt, 2013, S.58

[7] Vgl. Schmidt, 2013, S.59

[8] Vgl. Ellis, 2017

[9] Vgl. Schmidt, 2013, S.59

[10] Vgl. Groppe, 2005, S.86

[11] Vgl. Priwitzer, 2013, S.5

[12] Vgl. Groppe, 2005, S.86

[13] Vgl. Priwitzer, 2013, S.4

[14] Vgl. Priwitzer, 2013, S.4-5

[15] Vgl. Ministry of Health, 2010, S.10

[16] Vgl. Robins, 2008

[17] Vgl. Priwitzer, 2013, S.5

[18] Vgl. Groppe, 2005, S.86

 

Literaturvezeichnis

Ellis, E. (2017). Maggots shock for PE hospital patient. The Herald. P.1

Groppe, M. (2005). Südafrika. Medizin im Ausland. Pp.81-97. Berlin Heidelberg: Springer

Ministry of Health of South Africa. (2010). Country Progress Report on the Declaration of Commitment on HIV/AIDS. 2010 Report.

Robins, S. (2008). Sexual Politics and the Zuma Rape Trial. Journal of Southern African Studies 34(2):411-27

Schmidt, R. (2000). Die wirtschaftliche Neuorientierung Südafrikas seit dem Ende der Apartheid. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag

 

Internetquellenverweise

dpa/ärzteblatt. (2017). Südafrikas Gesundheitssystem hat Aufholbedarf.

Verfügbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/83756/Suedafrikas-Gesundheitssystem-hat-Aufholbedarf

Letzter Zugriff: 15.05.2019

Mahlathi, P. & Dlamini, J. (2015). Minimum data sets for human ressources for health and the surgical workforce in south africa’s health system – a rapid analysis of stock and migration. Pretoria: African Institute of Health and Leadership Development

Verfügbar unter:  https://www.who.int/workforcealliance/031616south_africa_case_studiesweb.pdf

Priwitzer, M. (2013). Infopaket Südafrika. Via medici online: Thieme

Verfügbar unter: https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0033-1355162.pdf

Letzter Zugriff: 15.04.2019

statista. (2019b). Südafrika: Gesamtbevölkerung von 2008 bis 2018 (in Millionen Einwohner)

Verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/19332/umfrage/gesamtbevoelkerung-in-suedafrika/

Letzter Zugriff: 15.04.2019

 

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