By Published On: 19. April 2019Categories: Meine Hochschule und mein Studium

„Wenn man sich liebt ist die Entfernung doch nur zweitrangig!“ und „Liebe kennt keine Entfernung!“…diese Sprüche kennt doch jeder. Und meistens denke ich das auch. Nämlich genau dann, wenn ich neben meinem Partner auf der Couch liege, wir gerade dabei sind zusammen zu kochen oder einfach nur wenn ich neben ihm einschlafe. Und dann kommt immer der Abschied. Mit Alpträumen schon Tage bevor es losgeht, lange stille Umarmungen am Flughafen, tränenreich und mit einem Gefühl, als würde man dies nicht noch einmal schaffen. Verabschiedungen werden nicht leichter, sie werden schwerer und zwar mit jedem Mal. Sie werden zur Routine und trotzdem jedes Mal begleitet mit diesem flauen Gefühl im Magen. Seit über drei Jahren lebe ich nun in einer Fernbeziehung nach Südafrika, 14.000 Kilometer Entfernung, einer der Gründe, weswegen ich mich für ein Fernstudium an der SRH Fernhochschule entschieden habe. Was tut man nicht für die Liebe. Doch jetzt mal sachlich und vor dem Hintergrund der menschlichen Bedürfnisse betrachtet…kann so eine Liebe denn wirklich funktionieren?

Was bedeutet eine Fernbeziehung

Egal aus welchen Gründen, meist berufs- oder studienbedingt, eine Fernbeziehung bedeutet, eine Beziehung zwischen zwei Menschen mit zwei entfernten Wohnsitzen.  Das geht einher mit regelmäßigen Reisen und Besuchen, seien es drei Stunden mit der Bahn in die nächste Stadt, oder 24 Stunden mit dem Flieger auf einen anderen Kontinent.

Tatsächlich konnten verschiedene Studien jedoch belegen, dass die empfundene Beziehungszufriedenheit in „normalen“ Beziehungen und Fernbeziehungen ähnlich hoch empfunden worden ist [1] und das obwohl so viele Unterschiede zwischen den Beziehungsarten zu verzeichnen sind.

Was braucht man in einer glücklichen Beziehung? Die Grundlage

Der Wunsch nach Bindung ist ein zentraler Bestandteil unseres Seelenlebens: Wir kommen schon mit der Sehnsucht danach auf die Welt. Wir wünschen uns einen Partner, der für uns da ist und ideal zu uns passt und die Menschen verbindet eine universelle Hoffnung auf eine Partnerschaft mit Geborgenheit, Wertschätzung und Zärtlichkeit. Ist diese gegeben, ist eine wichtige Voraussetzung für unsere psychische Stabilität und Zufriedenheit erfüllt. [2] Aber auch die Down-Seite dessen ist bekannt: So ist das Zerbrechen einer solchen Beziehung meist verbunden mit einer persönlichen Krise, einhergehend mit depressiven Einbrüchen, Angstzuständen und einem Verlust an Lebensperspektive. Wenn bei beiden Partnern jedoch die Beziehungszufriedenheit als hoch eingeschätzt wird, kann von einer erfüllenden Partnerschaft gesprochen werden.[3] Dabei die wichtigen Aspekte in einer Beziehung sind: [4]

– Liebe (emotionelle Verbundenheit, Wertschätzung, Verzicht auf Dominanz, usw.)

– Geborgenheit und starke Intimität (sich angenommen fühlen, gegenseitige Anteilnahme, Unterstützung, Vertrautheit, usw.)

– gelingende Kommunikation (verbal und nonverbal)

– erfüllende Sexualität

Mit den vier zuvor genannten Punkten eng verbunden ist die Entwicklung der Fähigkeit zusammen Probleme lösen zu können und einen gesunden Umgang mit Stress zu erlernen. Beide Partner müssen sich eine grundsätzliche Versöhnungsbereitschaft aneignen. Außerdem gibt es natürlich noch viele weitere Faktoren, die allgemein zum Gelingen einer stabilen Partnerschaft beitragen:[5]

– Ähnlichkeit in Lebensbereichen wie Alter, Religion, Bildungsstand, Geschmack, Werte, usw.

– Eigenständigkeit beider Partner

– Ausgleich zwischen Geben und Nehmen

– Gut miteinander verhandeln und auch mal miteinander streiten können. Aber auch Kompromisse müssen gemeinsam erschließbar sein

– Gemeinsame Anliegen und Ziele

 

Problematiken einer Fernbeziehung

Die aufgezeigten entscheidenden Faktoren für eine Partnerschaft können in einer Beziehung auf Distanz jedoch nicht so umgesetzt werden, wodurch eine Trennung immer auch als eine „Krisensituation“ gesehen werden kann.[6] Besonders die Säulen einer gelingenden Kommunikation und erfüllender Sexualität leiden und sind meist auf Zeitfenster begrenzt. Die Qualität der Beziehung leidet in dieser Zeit schwer. Die vier Säulen können meist nur einseitig oder eben überhaupt nicht erlebt, bzw. entfaltet werden. Wenn dies aber die Grundbedürfnisse in einer Beziehung sind…wie soll denn eine Beziehung ohne sie funktionieren? Das Fehlen von Zärtlichkeiten, täglichen Gesprächen, der Austausch über Gedanken und Gefühlen ist eine Schwierigkeit, die nur schwer zu bewältigen scheint. Die räumlich getrennte Beziehung sorgt dafür, dass beide jedes Mal aus zwei unterschiedlichen Alltagen kommen und damit stehen sich jedes Mal zwei verschiedene Lebenswelten gegenüber. Selbst wenn man versucht, den anderen am Alltag zu beteiligen, bei jedem Wiedersehen müssen Veränderungen, innen oder außen und Entwicklungen zu einer gemeinsamen Welt zusammengetragen werden. Der Anteil der gemeinsamen Lebenszeit ist begrenzt und ein Gefühl von nirgendwo wirklich ganz da zu sein macht sich breit. Andere, wie Freunde und Familie, werden häufig ausgegrenzt, man findet einfach keine Zeit alles unter einen Hut zu bringen. Somit wird ein negativer Schatten sowohl auf die gemeinsame Zeit geworfen (Fehlen von wichtigen Bezugspersonen), als auch auf die getrennte Zeit (Fehlen des Partners).[7]

Und wie wirkt sich das Ganze auf die Psyche aus? Was in der Gefühlswelt passiert, kann fast gleichgesetzt werden, mit dem was bei belastenden Ereignissen, wie einer Operation, passiert: [8] Von Leugnung bis Distanz kann jedes Gefühl durchlaufen werden, eines bleibt immer – die Trauer. Häufig wird in dieser letzten Zeit viel gestritten, gefolgt von einem Gefühl der Verlorenheit, Wut auf den Partner oder riesige Gefühlsschwankungen nach der Abreise und in den ersten Tagen danach. Das Ganze begleitet von einem Jojo-Effekt der Gefühle mit Sehnsucht und Einsamkeit, bevor angefangen wird, das nächste Wiedersehen zu planen. In einer Studie von Sahlstein, veröffentlicht 2004, gaben 40,7% der Teilnehmer an, dass sich nach dem Abschied ein Gefühl breit macht, als würden sie bei der Trennung etwas verlieren.[9]

Abbildung 1 Ablauf bei Lebenskrisen/Trauerprozessen (Eigene Darstellung, angelehnt an Wendl, 2014, Abschnitt 1.2)

Und schon wieder müssen die verschiedenen Alltagswelten miteinander vereint werden. Die Gewöhnungszeit aneinander kann ungefähr so lange dauern, wie die Trennungszeit, manchmal bis zu 50% länger. [10] Bei einer drei Monatigen Trennung, muss man also damit rechnen, dass es weitere drei bis vier Monate dauert, bis man sich wieder miteinander eingespielt hat und bei einer Trennung von fünf Tagen, reicht das eine Wochenende was man sich sieht, meistens nicht einmal aus. Weiter berichten viele Paare davon, dass sie den Druck empfinden, diese wenige Zeit, die sie miteinander haben, so besonders wie möglich zu gestalten, was dazu führt, dass sie versuchen, so viele Aktivitäten wie möglich in so kurze Zeit wie möglich zu planen.[11]

Reflektion: Kann das funktionieren?

Wenn man die Situation und die Probleme dieser Art der Beziehung jedoch akzeptiert hat und sich mit Lösungen beschäftigt, eröffnen sich Chancen und Möglichkeiten, die man sogar in „normalen“ Beziehungen nicht hat:[12] Beide können sich ein großes Maß an Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein in der Partnerschaft erhalten und auch die Gefahr in einen „Alltagstrott“ zu verfallen entfällt ebenfalls. Der Rhythmus zwischen „getrennter Lebenswelt-Vereinigung der Lebenswelten-gemeinsame Lebenswelt-Trennung der Lebenswelten“ muss als Hauptaufgabe akzeptiert werden und jedes Mal aufs Neue in Angriff genommen werden, sowie als Chance gesehen werden, die Beziehung neu entstehen zu lassen. Wenn man erst einmal akzeptiert hat, dass man sich jedes Mal neue innerliche und äußerliche Veränderungen gegenüber sieht kann dies genutzt werden, um die Persönlichkeiten gemeinsam wachsen zu lassen. Mit Blick auf die vier Säulen für eine stabile Beziehung lässt sich auch erkennen, worauf besonders ein Fokus in der Trennungszeit gelegt werden muss: [13] Geborgenheit, bzw. das Vertrauen in- und zueinander, sowie die Entwicklung eines Weges zu einer gelingenden Kommunikation sind essentiell. Es gilt einen Weg zu finden einen Austausch zwischen einander zu sichern. Jeder Partner sollte nicht nur für sich definieren, unter welchen Bedingungen für ihn die Zeit auf Trennung möglich ist, ohne, dass sich eine Distanzierung der Beiden voneinander ergibt, sondern auch miteinander müssen diese Bedingungen offen kommuniziert werden. Die Vorbereitung der Trennungszeit nimmt einen genauso wichtigen Part ein, wie das Zusammenführen der Lebenswelten beim Wiedersehen. Paare berichten weitere, dass die Trennung ihnen hilft, sich produktiv auf ihre Arbeit zu konzentrieren, sodass die gemeinsame Zeit nur für sich genutzt werden kann und auch wird von einer Wertschätzung und Offenheit berichtet, die erst durch diese Trennung zustande kommen konnten.[14] Der gefühlte Zwang zusammen Spaß zu haben und durchgehend tolle Sachen zu unternehmen, muss abgelegt werden und die Zeit eher dafür genutzt werden, Dinge zu tun, die Beide wirklich genießen, auch wenn das bedeutet, einfach mal Zuhause auf dem Sofa zu bleiben. Und wenn man doch mal auf Abenteuer gehen will: Neue Restaurants, Freunde, Geschäfte, oder zu besuchende Orte…das Leben an zwei Orten hat auch seine Vorteile.

Fazit

Die Studie von Sahlstein zeigt gut auf, wie verschiedene Aspekte einer Fernbeziehung die Beziehung, als auch die Individuen in ihrer eigenen Lebenswelt sowohl fördern, als auch hemmen. Wenn man sich Diesen bewusst ist, können die Hemmnisse jedoch in Chancen verwandelt und der Weg zu einer funktionierenden Beziehung geschaffen werden. Besonders eine gelingende und offene Kommunikation während der Trennung, als auch in der gemeinsamen Zeit sind dabei ausschlaggebend. Ich persönlich halte mich daran fest, dass meine Fernbeziehung auf eine zeitliche Dauer begrenzt ist und habe für mich beschlossen, dass das andauernde auf und ab der Gefühle es für eine gemeinsame Zukunft an einem gemeinsamen Ort wert ist.

 

[1] Vgl. Guldner & Swensen, 1995, zitiert nach Sahlstein, 2004, S.690

[2] Vgl. Schindler/Hahlweg/Revenstorf, 2007, S.2

[3] Vgl. Wendl, 2006, S.45

[4] Vgl. Müller, 1997, S.375-376

[5] Vgl. Wendl, 2014, Kapitel 1, Abschnitt 1.2

[6] Vgl. Wendl, 2006, S.46

[7] Vgl. Sahlstein, 2005, S.699

[8] Vgl. Wendl, 2014, Kapitel 1, Abschnitt 1.2

[9] Vgl. Sahlstein, 2004, S.699

[10] Vgl. Wendl, 2006, S.235 Kapitel 1, Abschnitt 1.1

[11] Vgl. Sahlstein, 2004, S.702

[12] Vgl. Wendl, 2014, Kapitel 1, Abschnitt 1.1-1.3; Kapitel 4, Abschnitt 4.1-4.3

[13] Vgl. Wendl, 2014, Kapitel 1, Abschnitt 1.2

[14] Vgl. Sahlstein, 2004, S.699

 

Literaturverzeichnis

Schindler, L., Hahlweg, K. & Revenstorf, D. (2007).  Partnerschaftsprobleme: Möglichkeiten zur Bewältigung: Ein Handbuch für Paare. 3. Aufl. Heidelberg: Springer Medizin

Müller, S. E. (1997). Krisen-Ethik der Ehe: Versöhnung in der Lebensmitte. Würzburg: Echter

Sahlstein, E. M. (2004). Relating at a distance: Negotiating being together and being apart in long-distance relationships. Journal of Social and Personal Relationships. Vol.21(5):689-710

Wendl, P. (2006). Chance Fern-Beziehung – zwischen Krise und erfüllender Partnerschaft?! Christliche Ehekrisen-Bewältigung am Beispiel von Soldaten bei Auslandseinsätzen und deren Begleitung in der Militärseelsorge. Freiburg im Breisgau: Albert-Ludwigs-Universität

Wendl, P. (2014). Gelingende Fern-Beziehung: Entfernt – zusammen – wachsen. 6.Aufl. Freiburg im Breisgau: Herder

 

Titelbild

Eigene Darstellung

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