By Published On: 20. August 2020Categories: Kommunikation, Psychologie

In unserer digitalen Gesellschaft hinterlassen wir überall Daten: in Social Media, beim Einkaufen oder in der Kommunikation. Diese Daten können genutzt werden, um die Persönlichkeit eines Menschen vorhersagen. Doch wie funktioniert das?

 

Die Grundlagen

 

Um die Persönlichkeit eines Menschen zu vermessen, bedient man sich der Psychometrie bzw. Psychografie, bei der am häufigsten das OCEAN-Modell (die Big Five) verwendet wird. Anhand der Dimensionen Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Neurotizismus und Verträglichkeit kann die Persönlichkeit eines Menschen dargestellt werden.[1]

 

Persönlichkeitsvorhersagen aufgrund von Daten

 

Klassische OCEAN-Persönlichkeitstests auf Grundlage von Fragemögen besitzen jedoch einen Nachteil: Die jeweiligen Teilnehmer müssen für ein Ergebnis den Fragebogen zeitaufwändig ausfüllen, weshalb sich diese Methode nicht eignet, um für Millionen von Menschen die Persönlichkeitsstruktur in Erfahrung zu bringen.[2]

 

Hier eignen sich digitale und indirekte Verfahren auf Basis von Wahrscheinlichkeiten. Zunächst werden Testpersonen digitale Fragebögen zur Erfassung ihrer Persönlichkeit vorgelegt. In der Praxis wurde davon in Form eines Onlinequiz oder eines Persönlichkeitstests bei Facebook Gebrauch gemacht. Anschließend werden die gewonnen Daten des Fragebogens mit anderen Onlinedaten abgeglichen, im Falle von Facebook; was die jeweilige Testperson gelikt, gepostet oder kommentiert hat, welches Alter und Geschlecht diese besitzt, an welchen Wohnort sie lebt und welche Orte sie besucht hat. Je mehr Daten hierbei zusammengetragen werden, desto aussagekräftiger werden die Zusammenhänge (Korrelationen), die um Umkehrschluss wiederum Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Persönlichkeitsstruktur zulassen. So sind Männer, die die Kosmetikmarke „MAC“ bei Facebook gelikt haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit homosexuell. Dagegen sind Männer die die Hip-Hop-Gruppe „Wu-Tang Clan“ gelikt haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit heterosexuell. Fans von Lady Gaga sind sehr wahrscheinlich extrovertiert, während Fans von philosophischen Seiten eher introvertiert sind.[3] Nach einer Studie sagen bereits zehn Facebook Likes die Persönlichkeit eines Menschen besser vorher als Arbeitskollegen dies könnten. 70 Likes werden wiederum benötigt, um die Persönlichkeitseinschätzung eines Freundes, 150 Likes die der Eltern und 300 Likes die des eigenen Partners zu übertrumpfen.[4] Doch auch zwischen der Wortwahl bzw. Ausdrucksweise bei Facebook und der Persönlichkeit eines Nutzers besteht ein Zusammenhang. So nutzen extrovertierte Nutzer häufig Wörter wie „party, girls, great night, cant wait“, während introvertierte Nutzer häufig Wörter wie „anime, manga, ^_^, >.<, internet“ nutzen.[5]

 

Die Verknüpfung von Daten und der Persönlichkeit eines Nutzers hat konkrete wirtschaftliche Relevanz. So konnte eine Studie nachweisen, dass Werbeanzeigen fast 50 Prozent erfolgreicher sind, wenn diese auf die Persönlichkeitsstruktur der Zielgruppe abgestimmt sind.[6] Ebenfalls lassen sich die Klickraten bei Facebook-Anzeigen durch psychometrisches Targetting um mehr als 60 Prozent und die Conversion-Rate um bis zu 1.400 Prozent steigern. Jedoch darf hierbei auch nicht die politische Dimension vernachlässigt werden. Der Cambridge Analytica Skandal sowie der Einsatz von psychometrischen Microtargetting sorgt bis heute für Kritik und Diskussionen.[7] Laut Cambridge Analytica flossen in deren psychografischen Modellierungen und das anschließende Targetting neben Facebook-Daten auch zahlreiche Daten mit ein, von Kreditkartenunternehmen bis zu Sozialversicherungen.

 

Fazit

 

Unsere Daten sind in der Lage, mehr über uns und unsere Persönlichkeit auszusagen, als es vielen lieb ist. Bereits wenige Datensätze reichen aus, um unsere Persönlichkeit besser vorherzusagen als es Bekannte und Freunde könnten. Für Kommunikation und Marketing bieten sich hierbei große Chancen, können doch die eigenen Botschaften zielgenauer und effektiver vermittelt werden. Jedoch sind die Risiken mindestens genauso groß. Hierbei zeigt das Beispiel des Cambridge Analytica Skandal das große Missbrauchspotenzial von psychometrischen Daten. Weiter sind auch Szenarien denkbar, die konkrete Gefahren für Leib und Leben darstellen. So werden in zahlreichen Ländern für Homosexualität hohe Gefängnisstrafen oder sogar die Todesstrafe verhängt. Homosexuelle Menschen müssen sich deswegen in den entsprechenden Ländern verstecken. Wenn entsprechende Datenanalysen jedoch Rückschlüsse auf die sexuelle Orientierung, besteht die Gefahr, dass diese von den betroffenen Ländern oder dort beheimaten Gruppierungen/Organisationen für die Verfolgung von sexuellen Minderheiten missbraucht werden.

 

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[1] Grassegger und Krogerus (2018).

[2] Sandra Matz (2019).

[3] Grassegger und Krogerus (2018).

[4] Youyou, Kosinski und Stillwell (2015).

[5] Sandra Matz (2019).

[6] S. C. Matz, Kosinski, Nave und Stillwell (2017).

[7] Grassegger und Krogerus (2018).

 

Literaturverzeichnis

Grassegger, H. & Krogerus, M. (Tamedia AG, Hrsg.). (2018). «Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt». Psychologe Michal Kosinski weiss, wie man Menschen anhand ihres Facebook-Verhaltens analysiert. Zugriff am 01.05.2020. Verfügbar unter https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/diese-firma-weiss-was-sie-denken/story/17474918

Matz, S. C., Kosinski, M., Nave, G. & Stillwell, D. J. (2017). Psychological targeting as an effective approach to digital mass persuasion. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 114(48), 12714–12719. https://doi.org/10.1073/pnas.1710966114

Matz, S. (2019, Juni). Psychological Targeting: What Your Digital Footprints Reveal About You | Sandra Matz | TEDxChicago, Chicago. Zugriff am 03.05.2020. Verfügbar unter https://www.youtube.com/watch?v=MkI_TrPmKgA

Youyou, W., Kosinski, M. & Stillwell, D. (2015). Computer-based personality judgments are more accurate than those made by humans. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 112(4), 1036–1040. https://doi.org/10.1073/pnas.1418680112

 

Bild von Gerd Altmann (geralt) auf Pixabay

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