Traumatische Erfahrungen hinterlassen oft tiefe Wunden und beeinträchtigen die psychische Gesundheit der Betroffenen, wodurch es ihnen schwerfällt, ihr Leid in Worte zu fassen. Doch wie kann eine nonverbale Therapieform dabei helfen, unausgesprochene emotionale Erlebnisse sichtbar zu machen und den Heilungsprozess anzustoßen?
Kunsttherapie und Trauma
Die Kunsttherapie umfasst verschiedene therapeutische Ansätze, darunter die präventiv orientierte Kunsttherapie, die heilpädagogisch-neurologische Kunsttherapie, die psychiatrisch orientierte Kunsttherapie und die psychotherapeutisch orientierte Kunsttherapie. Ein zentraler Aspekt ist die Wirkungsweise innerer Bilder und deren Einfluss auf unsere Psyche und unser Verhalten. Zudem werden Bilder im diagnostischen Kontext genutzt, um persönliche Probleme von Betroffenen zu erkennen und positive Entwicklungspotenziale zu fördern.
Im nonverbalen Kontext ermöglicht die Kunsttherapie einen Ausdruck, ohne dass Betroffene ihre Erlebnisse in Worte fassen müssen. Durch das Gestalten von Bildern kann ein Zugang zu tief verankerten Emotionen geschaffen werden, wodurch sprachliche Hürden überwunden und der Kommunikations- sowie Interaktionsprozess gefördert werden können (Propach, 2014).
In der Psychologie wird ein Trauma als eine extreme Belastung definiert, die durch ein erschütterndes Ereignis ausgelöst wird. Laut dem DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5. Auflage) entsteht ein Trauma, wenn eine Person einem tatsächlichen oder drohenden Tod, einer ernsthaften Verletzung oder sexueller Gewalt ein- oder mehrmals ausgesetzt war. Dies kann durch ein direktes Erleben, die Beobachtung eines solchen Ereignisses, das Erfahren eines traumatischen Ereignisses bei einer nahestehenden Person oder durch die wiederholte bzw. extreme Konfrontation mit solchen Ereignissen geschehen – wie es beispielsweise bei Polizeikräften oder Personen der Fall ist, die mit menschlichen Überresten in Kontakt kommen (Center for Substance Abuse Treatment, 2014).
Kunsttherapie als Instrument der Traumabewältigung
Eine verbale Auseinandersetzung mit traumatischen Ereignissen ist für Betroffene oft schwierig. Laut neurobiologischen Befunden ist es ihnen häufig nicht möglich, ihre traumatischen Erlebnisse auszusprechen. Zudem wird eine verbale Kommunikation darüber im Sinne der Selbstbestimmung oft nicht gewünscht. Bilder können helfen, Traumata sichtbar zu machen, ohne dass die betroffene Person Worte nutzen muss. So übernehmen sie wichtige therapeutische Funktionen und ermöglichen es dennoch, an der Traumatisierung zu arbeiten. Durch die Malerei können Betroffene neue Erkenntnisse gewinnen, und ihre Selbstbestimmung wird gefördert. Ohne eine direkte Zielvorgabe kann das Malen unterbewusste Einsichten hervorrufen (Schubert, 2018, S. 173–174).
Durch das Malen werden verschiedene Prozesse und Vorgänge aktiviert, darunter Bewegungen, der Seh- und Tastsinn sowie der Geruchssinn. Besonders das Unterbewusste profitiert von dieser Therapieform, da es sich dadurch ausdrücken kann und eine Verbindung zum Bewussten herstellt. So entsteht ein Bild, das beide Ebenen miteinander verknüpft.
Anhand des entstandenen Bildes kann der Therapeut ein Gespräch mit dem Betroffenen führen und den Entstehungsprozess reflektieren. Dadurch kann dem Betroffenen das zuvor abgespaltene Emotionale und Mentale bewusst gemacht werden. Das Bild fungiert somit als Brücke, um das Verdrängte, das bisher schwer greifbar war, zu erkennen und zu verarbeiten (Schubert, 2018, S. 309).
Kunsttherapie: Von Selbsthilfe zur professioneller Hilfe
Selbsthilfe: Nicht nur Menschen mit traumatischen Erlebnissen profitieren von der Kunst – auch zur Stressbewältigung im Alltag kann sie beitragen, indem sie das Stresshormon Cortisol reduziert. In der Studie „Reduction of Cortisol Levels and Participants‘ Responses Following Art Making“ wurde der Cortisolspiegel von 39 gesunden Erwachsenen untersucht. Das Ergebnis zeigte, dass der Cortisolspiegel nach kreativem Arbeiten gesunken war, was auf eine stressreduzierende Wirkung hindeutet (Kaimal et al., 2016).
Es kann also vorteilhaft sein, sich nach einem stressigen Alltag der Kunst zu widmen, um abzuschalten. Es gibt zahlreiche Websites, die Empfehlungen aussprechen und besonders Menschen helfen können, die Schwierigkeiten haben, einen Zugang zur Kunst zu finden. Dazu reicht es, Begriffe wie „kreatives Entspannen“, „Kunsttherapie zum Stressabbau“ oder „Kunst gegen Stress“ in die Suchmaschine einzugeben, um inspirierende Inhalte zu entdecken.
Professionelle Hilfe: Im therapeutischen Kontext findet die Kunst besonders in psychiatrischen Einrichtungen ihren Platz. Kunst allein reicht jedoch nicht aus, um ein Trauma aufzuarbeiten. Deshalb sollte Selbsthilfe in diesem Bereich lediglich zur Bewältigung alltäglicher Stressbelastungen betrachtet werden.
Wer tiefgehende Traumata hat und sich durch Kunst ausdrücken möchte, sollte dies unter der Begleitung eines Therapeuten tun. Zwar kann der künstlerische Prozess heilend wirken, doch eine psychotherapeutische Begleitung bietet einen größeren Nutzen auf dem Weg zur Heilung.
Für den Therapeuten ist nicht nur das fertige Kunstwerk relevant, sondern der gesamte Gestaltungsprozess – von der Mimik bis hin zum Verhalten während des Malens oder Gestaltens. Diese Beobachtungen liefern zusätzliche wertvolle Informationen, von denen Betroffene profitieren können (Dix & Koch, 2009, S. 20–21).
Fazit
Kunsttherapie kann eine wertvolle Methode zur Bewältigung traumatischer Erlebnisse sein. Betroffene können durch die Kunst Erkenntnisse gewinnen, für die ihnen die Worte fehlen. Emotionen werden sichtbar gemacht, was den Heilungsprozess positiv beeinflusst.
Während Kunst im Alltag eine wirksame Methode zur Stressbewältigung darstellt, reicht sie nicht aus, um tiefe Traumata zu lösen. Stattdessen profitieren Betroffene von einem geschützten Raum und der Begleitung eines Therapeuten während des Bewältigungsprozesses.
Durch die Malerei entsteht eine Verbindung zwischen Bewusstem und Unbewusstem, wodurch das Verdrängte greifbar wird und Heilung ermöglicht wird.
Literaturverzeichnis
Center for Substance Abuse Treatment. (2014). Exhibit 1.3-4, DSM-5 Diagnostic Criteria for PTSD [Text]. Substance Abuse and Mental Health Services Administration (US). https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK207191/
Dix, L. G., & Koch, H. J. (2009). Zur Bedeutung der Kunsttherapie in der Psychiatrie: Geschichte und Gegenwart. Hippocampus Verlag. https://www.hippocampus.de/media/316/cms_4b99179685567.pdf
Kaimal, G., Ray, K., & Muniz, J. (2016). Reduction of Cortisol Levels and Participants‘ Responses Following Art Making. Art Therapy: Journal of the American Art Therapy Association, 33(2), 74–80. https://doi.org/10.1080/07421656.2016.1166832
Propach, F. (2014, Juli 2). Beschreibung und Definition der Kunsttherapie | therapie.de. https://www.therapie.de/psyche/info/therapie/kunsttherapie/
Schubert, C. (2018). KunstTherapie: Wirkung – Handwerk – Praxis: mit 127 Abbildungen und 15 Tabellen (F. von Spreti, P. Martius, & F. Steger, Hrsg.). Schattauer.
Titelbildquelle
Fotios, Lisa. (2025 Januar 3). Pexels. https://www.pexels.com/de-de/foto/30064945
Nutzungsbedingung unter https://www.pexels.com/de-DE/lizenz/ , abgerufen am 26.02.2025.